Interview: "Ideal wäre eine übergreifende Internetplattform-Lösung"

Wie stark ist ALDI Süd vom aktuellen Laderaum- und Fahrermangel betroffen? Vor Ostern hat sich auf dem Transportmarkt ein ähnlicher Engpass abgezeichnet wie im vergangenen Oktober - das haben wir zumindest von den Spediteuren erfahren. ALDI Süd hat diese Problematik aber weniger gespürt, weil wir durch vorausschauende Planung und Bestellung die Produkte vorzeitig in unsere Logistikzentren gezogen haben. Wir konnten unseren Kunden also auch in der Hoch-Zeit Ostern unser komplettes Sortiment anbieten. Einige Handelslogistiker denken aufgrund des derzeitigen Laderaummangels darüber nach, verstärkt in eigene Lkw zu investieren. Wäre das auch für Ihr Unternehmen die Lösung? Wir verfügen über einen Eigenanteil beim Fuhrpark in Höhe von rund 50 Prozent, der heute hauptsächlich für die Belieferung der Filialen genutzt wird. Wir prüfen aktuell, ob man diese Lkw noch viel stärker auch für unsere Beschaffungslogistik nutzen kann. Damit könnten wir unsere eigenen Lkw noch effizienter auslasten. Auch hierfür benötigen wir eine entsprechende Digitalisierung. Aber das ist ein Ansatz, den wir, wie gesagt, gerade prüfen. Im Klartext: Sie könnten sich vorstellen, Ihren Eigenanteil Ihres Fuhrparks zu erhöhen und verstärkt in eigene Lkw zu investieren? In der Filialauslieferung differenzieren wir eigentlich nicht zwischen Eigen- und Fremdfuhrpark. Wenn wir Fremdfahrzeuge einsetzen, haben wir sehr langfristige Verträge mit den Speditionen geschlossen. Die Fahrer dieser Partner haben die gleichen Rechte und Pflichten wie unsere eigenen Fahrer. Werden Sie vor auch vermehrt Produkte mit der Bahn abwickeln? Unser Trockensegment, zum Beispiel Wein und Konserven aus Italien oder Spanien, haben wir bereits auf die Bahn verlagert, weil hier keine Kühlung erforderlich ist. Vorstellbar wäre es für uns, auch Kühlartikel von Südeuropa nach Deutschland auf der Schiene zu befördern. Allerdings gestaltet sich dies beim Thema Frische und Kühlung schwierig, da die Bahn bislang keine für uns attraktive Möglichkeit bietet, solche Artikel zu kühlen. Natürlich wären die Produkte auf der Schiene ein bis zwei Tage länger unterwegs als mit dem Lkw - aber das ließe sich für uns händeln. Wir müssten in Zukunft nur noch genauer prognostizieren, wie viel Ware wir konkret benötigen. Wenn sich dieses System aber eingespielt hätte, wäre die längere Laufzeit kein Problem. Und natürlich wäre eine solche Lösung nur bei Artikeln möglich, bei denen Frische und Haltbarkeit eine untergeordnete Rolle spielen, die also in puncto Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) unkritisch sind. Wie viele Lkw-Transporte könnte ALDI Süd dadurch jährlich einsparen? Wie bereits erwähnt, ist der Transport nur bei Produkten möglich, bei denen die Frische und die Haltbarkeit eine untergeordnete Rolle spielen. Entsprechend würde die Möglichkeit für Produkte aus dem Obst- und Gemüsebereich in weiten Teilen nicht geeignet sein. Allerdings wäre eine solche Lösung durchaus für Produkte aus dem Segment Wurst und Käse geeignet. Nur wenn die Bahn mit annähernd gleichen Laufzeiten wie der Lkw aufwarten könnte, wäre eine Umstellung der Frischeprodukte möglich. In welchen Bereichen könnten Sie sich darüber hinaus vorstellen, in der Logistik bei ALDI Süd in Zukunft bestimmte Dinge anders zu lösen? Die Idealwelt wäre, dass wir nur noch volle Lkw bewegen. Und zwar sowohl bei der Fahrt hin zu unseren Logistikzentren als auch zurück mit entsprechender Rückladung. Dies ließe sich aber nur durch eine übergreifende Internetplattform-Lösung realisieren, auf der alle Transporte sichtbar wären - also auch die Transporte aller anderen Beteiligten im Logistikmarkt. So ließe sich aus unserer Sicht der Laderaum für alle Seiten noch deutlich effizienter nutzen. Wer könnte eine solche Plattform initiieren und betreiben? Die Erstellung einer solchen ganzheitlichen Plattformlösung wäre eine Mammutaufgabe. Hier müsste in jedem Fall eine zentrale Steuerung von neutraler Seite aus erfolgen - der Zusammenschluss von Unternehmen könnte dagegen kartell- beziehungsweise wettbewerbsrechtliche Probleme nach sich ziehen. In jedem Fall sollte geprüft werden, ob hier eine Normierung der bestehenden Plattformen möglich wäre, damit diese noch besser miteinander kommunizieren können. So könnte man allen eine noch größere Transparenz über den zur Verfügung stehenden Laderaum bieten. Alternativ schafft man eine Plattform, auf der alle Transportbeteiligten, also Verlader, Spediteure und Transporteure, ihre Transporte europaweit einstellen, auf die dann auch wirklich jeder Zugriff hat.

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