Hier riecht es nach Beton

Zwanzig Kilometer vor dem Ziel beginnen sich die orangefarbenen Fahrzeuge mit dem roten Schriftzug zu verdichten. Sattelzugmaschinen, Silos, Betonmischer, Kipper, Transporter, Pkw - alle Arten von Fahrzeugen schwärmen geschäftig in Fahrtrichtung und entgegen. Man folgt dem Strom, bis er sich neben der Bundesstraße 299 durch die Tore 1 und 2 in ein orangefarbenes Meer aus Baufahrzeugen, Kränen und Maschinen ergießt - dem Stammsitz der Firmengruppe Max Bögl im oberpfälzischen Sengenthal. Im September besuchte die Regionalgruppe Ostbayern der Bundesvereinigung Logistik BVL das Werk des Bauunternehmens. 1000 Pkw, 660 Transporter, 350 eigene und - je nach Saison - bis zu 200 angemietete Lkw, 1600 Container, 940 Großgeräte und 55.000 Kleingeräte disponiert das Team des Bereichsleiters Logistik, Erhard Wolfrum, erfährt die Delegation in Sengenthal. Highlight ist ein Liebherr-Kran, der 1200 Tonnen hebt. 435 Mitarbeiter arbeiten in Wolfrums Bereich, der 87 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht und so ziemlich alles transportiert, was in der Baubranche gebraucht wird: Schüttgut, Stahl, Beton, Windkraftanlagen, Müll - per Lkw, Bahn und Binnenschifffahrt. Erst im Jahr 2016 hat Bögl ein modernes Transportmanagementsystem eingeführt. "Es gibt gute Programme für Planen- und Schwertransporte, Betonmischer oder Schüttguttransporte", begründet Wolfrum, "aber finde erst mal eines, das alles abdeckt." Ein solches hat man dann mit Opheo gefunden, das von einer Nürnberger Softwarefirma entwickelt wurde: "Da steckt sehr viel Bögl drin", sagt Wolfrum. Im Jahr 2017 habe man 11.000 Ausnahmegenehmigungen für Sondertransporte gebraucht, verdeutlicht Wolfrum nur einen Teil des Arbeitsaufwandes in seiner Abteilung. Jede Genehmigung umfasse rund 50 Seiten, und "außerhalb von Bayern wartet man sechs Wochen darauf". 200 Binnenschiffe hatte man 2017 eingesetzt. Vorteil: Man braucht keine Sondergenehmigung und die Frachter gelten als umweltfreundlich. Zwei Lokomotiven und 15 Lokführer Und noch ein weiterer Verkehrsträger kommt zum Einsatz: Am Ende des Werksgeländes in Sengenthal bei Tor 5 stehen zwei Lokomotiven, ebenfalls orangefarben mit rotem Max-Bögl-Schriftzug. Bögl gehört die Gleisanlage vom Werk bis zum Bahnhof in Neumarkt in der Oberpfalz. Für die beiden eigenen Lokomotiven beschäftigt das Unternehmen 15 Lokführer und einen Bahnbetriebsbevollmächtigten. Baumaterial, Schüttgut, Betonringe und so weiter werden per Bahn befördert. Im Werksgelände fährt ein kleiner Zug über den Asphalt, der den Gepäckzügen an Flughäfen ähnelt. Dieser Routenzug liefert Materialien aus dem Lager an die Mitarbeiter. "Das ist besser, als wenn die Mitarbeiter selbst zum Lager gehen, unterwegs noch eine Leberkäs'-Semmel essen, sich mit ein paar Kollegen unterhalten und erst kurz vor der Mittagspause wieder zurückkommen", erklärt Wolfrum und schmunzelt. Überhaupt ist die Intralogistik bei Bögl bestens getaktet. Dafür sorgt ein Vorstandsmitglied Industrie, das zuvor bei BMW tätig war und auch maßgeblich für den Aufbau der Fertigteilproduktion verantwortlich war. "Bei der Steuerung der internen Prozesse und Abläufe hat die Automobilindustrie die Nase vorn", erklärt Marketingleiter Jürgen Kotzbauer. Auf der anderen Straßenseite von Tor 5, zwischen der B 299 und einem Baggersee, gleitet ein führerloser Triebwagen auf Betonschienen mit Stelzen vorbei, der aussieht, als ob er zwei Flugterminals verbinden würde. Tatsächlich ist es eine Magnetschwebebahn, wie Kotzbauer aufklärt. Eine vollständige Eigenentwicklung von Bögl. 40 Ingenieure und Doktoren beschäftige man für dieses Transportsystem Bögl TSB. Auf der 820 Meter langen Fahrstrecke entlang des Baggersees, die zahlreiche Kurven und Steigungen enthält, absolviert die Bahn ihre Fahrtests. Bis zum Ende des Jahres rechnet man mit der Zulassungsreife. Im Gegensatz zum Transrapid handelt es sich nicht um einen Hochgeschwindigkeitszug. Mit maximal 150 km/h soll er unterwegs sein. Magnetschwebebahn und Flugtaxis In China soll er sogar für 200 km/h zugelassen werden, sagt Kotzbauer. Und vor allem soll er billiger oder höchstens genauso teuer werden wie eine Straßenbahn. Obendrein ist die Technik umweltfreundlich, wartungsarm und nahezu verschleißfrei, sodass auch die laufenden Kosten geringer seien, erklärt Kotzbauer. Mit dem TSB will Bögl die Innenstädte erobern. Da es aufgeständert gebaut werden kann, könnte es beispielsweise über dem Mittleren Ring in München schweben, meint Kotzbauer. "In zwanzig Jahren haben wir unten den Individualverkehr, darüber die Magnetschwebebahn und in der dritten Etage Flugtaxis." So stellt sich der Marketingleiter das vor. Auf Nachfrage von Ingrid Rossmeier, Repräsentantin des Hafens von Rotterdam in Süddeutschland, sei wohl auch ein Einsatz zum Transport von Seefrachtcontainern in Häfen denkbar. Hinter der TSB-Teststrecke liegt ein türkisblauer Baggersee, aus dem Bögl seinen Sand fördert. "Wir haben hier 20 Meter Sandsohle", erklärt Kotzbauer den Besuchern. Auf dem Bögl-Areal habe man noch Vorrat für 80 bis 100 Jahre. Bögl mischt seinen Beton selbst, im Gegensatz zu anderen Unternehmen wie Hochtief oder Bilfinger, die "nicht mehr wissen, wie Beton riecht, und nur noch Baumanagement machen", stichelt Kotzbauer. Bögl hingegen verfügt über eigene Ressourcen, eigene Mitarbeiter und eigenes Know-how. Die komplette Ausführung bis hin zu Logistik, Transport und Gerätschaften liege in einer Hand. Dadurch sei man zeitlich viel schlagkräftiger als andere, sagt Kotzbauer. In den vergangenen 20 Jahren sei die Zahl der Beschäftigten in der Baubranche in Deutschland stark gefallen, sagt er. Im gleichen Zeitraum habe Bögl die Anzahl seiner Mitarbeiter fast verdoppelt auf jetzt rund 6300. Von diesen arbeiten 46 Prozent im kaufmännischen Bereich und 49 Prozent gewerblich. Fünf Prozent, also 300 Auszubildende, beschäftigt man bei Bögl in 25 Ausbildungsberufen und drei dualen Studiengängen. In zwei bis drei Jahren will Bögl 500 Azubis haben. Man habe dafür eigens einen Mitarbeiter eingestellt, der ausschließlich für Personalmarketing auf Xing, LinkedIn, Facebook und auf Messen zuständig sei. Damit will Bögl Personalproblemen entgegenwirken, die auch in Sengenthal zu spüren sind. "Wir haben auch ausländische Fahrer, ohne die geht es heutzutage nicht mehr", sagt Logistikleiter Wolfrum. Fast ein Prozent für Forschung International und vielfältig sind auch die Projekte des Unternehmens, wie der Besuch der Delegation im "Innovation-Center" bei Max Bögl zeigt: Tiefbau, Hochbau, Stadien, Einkaufszentren, Autobahnkreuze, Windkraftanlagen, Bahntrassen und -tunnel ... in Deutschland, Skandinavien, Wien und Shanghai, Rumänien, Thailand und China ... ein kurzer Trailer in englischer Sprache zu Beginn des Vortrags im Innovation-Center führt den Besuchern das Leistungsspektrum von Bögl vor Augen: "Alles außer Privathäuschen", sagt Kotzbauer. Von "gewaltigen logistischen Herausforderungen" spricht er, von Projekten mit 1000 Mitarbeitern und 1,5 Jahren Bauzeit, standardisierter Abwicklung auf allen Baustellen. Den Problemen bei mehrjährigen Projekten: "In drei Jahren ändern sich zwei bis drei Mal die Brandschutzverordnungen, die Komplexität nimmt zu und die Anforderungen steigen oder ändern sich während der Bauphase." 30 Standorte hat Bögl in Deutschland und macht 1,7 Milliarden Euro Umsatz im Jahr, 40 Prozent mit Infrastruktur, 28 Prozent mit Windkraft, 28 Prozent im Hochbau, den Rest mit der Produktion. Heutzutage könne man mit Hochtief durchaus auf Augenhöhe sprechen, das sei vor 20 Jahren nicht so gewesen. Ein Grund dafür ist laut dem Marketingleiter Kotzbauer einerseits die Unternehmensstruktur - in der dritten Generation inhabergeführt, alle Gewinne fließen zurück ins Unternehmen, aber dennoch aufgestellt wie eine Aktiengesellschaft: Vorstand, Aufsichtsrat, Lean Management -, aber auch die Innovationskraft. Bögl investiert nach eigenen Angaben fast ein Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Die deutsche Bauindustrie gebe dagegen im Durchschnitt nur 0,04 Prozent dafür aus. Bei Bögl ist man daher stolz auf Errungenschaften wie die Magnetbahn, das modulare Bauen von Wohnanlagen mit extrem verkürzter Bauzeit, das Fertigteilwerk, das man mit Porsche entwickelt hat, Pumpspeicherkraftwerke und On-Shore-Windkraftanlagen mit Hybridtürmen. 400.000 Tonnen Stahl im Jahr Der untere Teil eines solchen "Hybridturms" begegnet der Regionalgruppe Ostbayern der BVL auf ihrem Weg zum Innovation-Center. Er erinnert an einen Leuchtturm, weil der Erbauer ein Glashäuschen obendrauf gesetzt hat. Wie bei einem Nut-und-Federsystem (auf den 100stel Millimeter genau gefräst) werden dafür Beton-Halbringe aufeinandergestellt, bis sie eine Höhe von 80 Metern erreichen. Der obere Teil ist dann aus Stahl, was ihm die nötige Flexibilität verleiht. Laut Kotzbauer verbaut Max Bögl im Jahr 40.000 Tonnen Stahl für Windkraft und Brücken: "Mehr verbauen nur noch Werften", erklärt der Marketingleiter. Am Fuß des Turms steht ein Stück Betonröhre, das ebenfalls aus Fertigteilen zusammengesetzt wurde, die Bögl herstellt. Das sogenannte Tübbingsystem wird etwa beim U-Bahn-Bau verwendet. Der Vorteil ist, dass die Röhre gleich hinter dem Bohrer zügig aufgebaut werden kann. Dem Rohr entspringt ein Gleis, das zum denkmalgeschützten und offenbar frisch renovierten Bahnhofsgebäude "Greißelbach" führt. Es dient als Gästekantine. Direkt gegenüber auf der anderen Seite des Gleises liegt das Innovation-Center, das ebenfalls wie ein Bahnhofsgebäude aussieht, aber modern: Beton, Stahl, Glas, Flachdach. Es steht im Kontrast zum alten Bahnhofsgebäude aus Naturstein, wirkt aber nicht wuchtig. Zusammen stehen sie da wie ein Paar, eine geglückte Kombination aus Tradition und Moderne. Das Gleis wurde offenbar nur gelegt, damit das Szenario stimmig ist. Hinter den beiden Gebäuden endet es. Nach der Info-Veranstaltung im Innovation-Center wartet draußen am "Bahnhof" ein Bus auf die Besucher für die Werksrundfahrt. Es geht vorbei am Rohbau des neuen Bürogebäudes. Derzeit sind die Mitarbeiter noch eher notdürftig in Containern und Altbauten aus den 1970er-Jahren untergebracht: "Der Schuster hat immer die schlechtesten Schuhe", kommentiert Kotzbauer die Situation. Die Besuchergruppe fährt vorbei an den sorgfältig aufgereihten Stahlrohren, den Oberteilen der Hybridtürme, am Lagerplatz für die 20.000 Austauschschwellen, die jederzeit für die Deutsche Bahn auf Vorrat gehalten werden, an den 6,5 Meter langen und 3,5 Meter breiten Modulen für den Wohnungsbau, den Halbringen, den Tübbingsystemen, den Werkstätten, den Betonmischanlagen ... Draußen vor dem Tor 1 ist jetzt auch die riesige Parkfläche gefüllt mit orangefarbenen Fahrzeugen. Inzwischen ist Feierabend bei Max Bögl in Sengenthal. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Baulogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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