Neue Grenzkontrollen nach dem Brexit kosten die britischen Steuerzahler nach Berechnungen des Rechnungshofs mindestens 4,7 Milliarden Pfund (5,5 Mrd Euro). Wiederholte Änderungen und Verzögerungen bei der Einführung vollständiger Einfuhrkontrollen hätten zu Unsicherheit für Unternehmen sowie zusätzlichen Kosten für Regierung und Häfen geführt, teilte die Behörde am Montag, 20. Mai, in London mit.
Die effektivste Grenze der Welt
Die britische Regierung hatte zum Austritt aus der EU angekündigt, das Vereinigte Königreich werde bis 2025 "die effektivste Grenze der Welt" haben. Allerdings betonte der Rechnungshof, der Strategie fehle ein klarer Zeitplan und ein integrierter regierungsübergreifender Umsetzungsplan. Die Regierung hingegen betonte, sie mache gute Fortschritte. Großbritannien war Ende Januar 2020 aus der EU ausgetreten. Nach einer Übergangsphase ist das Land seit 2021 nicht mehr Mitglied der EU-Zollunion und des Binnenmarkts. Die EU hatte zum 1. Januar 2021 vollständige Einfuhrkontrollen an der neuen Außengrenze eingeführt. Großbritannien hingegen hat dies hingegen bisher fünfmal verschoben. Die Regierung habe Geld für Infrastruktur und Personal ausgegeben, die letztlich nicht benötigt worden seien, urteilte der Rechnungshof. So wurden allein für zwei Grenzkontrollgebäude bei Dover, die nie genutzt wurden, rund 62 Millionen Pfund bezahlt.
Zeitpunkt für vollständige Importkontrollen unklar
"Der Austritt Großbritanniens aus der EU hat zu einer weitreichenden Änderung der Regelungen für den Warenverkehr über die Grenze geführt", sagte der Chef des Rechnungshofs, Gareth Davies. "Allerdings ist mehr als drei Jahre nach dem Ende der Übergangsphase immer noch nicht klar, wann vollständige Kontrollen eingeführt werden." Derzeit sind teilweise Importkontrollen in Kraft. Seit Ende April sollen tierische und pflanzliche Produkte bei der Einfuhr überprüft werden. Lebensmittelimporteure müssen seitdem auf manche Produkte wie Wurst, Käse und Joghurt, aber auch Schnittblumen eine "common user charge" von bis zu 145 Pfund (169 Euro) pro Ladung bezahlen. Experten und Unternehmen warnen vor längeren Lieferzeiten, mehr Bürokratie und höheren Kosten - die letztlich die Verbraucherinnen und Verbraucher in Großbritannien stemmen müssten.
London fordert Mautschulden in Millionenhöhe von Botschaften
Zudem haben die Londoner Verkehrsbetriebe ihre Millionenforderungen an ausländische Botschaften für angeblich nicht bezahlte Mautgebühren erneuert. Wie das kommunale Unternehmen TfL (Transport for London) am Montag, 20. Mai, mitteilte, stehen noch immer 143,5 Millionen Pfund (etwa 168 Millionen Euro) aus, die für Fahrten in der Innenstadtzone (Congestion Zone) angefallen sein sollen. Die Auslandsvertretungen stellen sich auf den Standpunkt, dass es sich um eine Steuer handelt, von der sie befreit sind. Ein TfL-Sprecher widersprach dieser Auffassung: "Wir und die britische Regierung sind uns einig, dass die Congestion Charge eine Gebühr für eine Dienstleistung ist und keine Steuer." Die meisten Botschaften zahlten die Gebühr, doch es gebe eine dickköpfige Minderheit, die sich widersetze. Transport for London dränge nun darauf, die Sache vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen, so der Sprecher weiter.
Die größte Rechnung will TfL der US-Botschaft präsentieren. Sie soll seit Einführung der Innenstadtmaut im Jahr 2003 Gebühren und Säumigkeitszuschläge in Höhe von 14,6 Millionen Pfund angehäuft haben. An zweiter Stelle soll die japanische Botschaft stehen, die sich mit Forderungen in Höhe von mehr als 10 Millionen Pfund konfrontiert sieht. Die deutsche Botschaft soll 4,6 Millionen Pfund zahlen.