Gleiches Limit für alle

Der Präsident des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft, Alexander Erdland, hatte im Vorfeld des 53. Verkehrsgerichtstags in Goslar dazu aufgerufen, mehr für die Verkehrssicherheit zu tun. Das von Versicherern, Fahrzeugherstellern und Verkehrsclubs gemeinsam gesetzte Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 auf 2000 zu senken, sei weit entfernt. So schätze das Statistische Bundesamt, dass 2014 wie in den Vorjahren erneut rund 3300 Menschen auf deutschen Straßen gestorben seien. Handlungsbedarf gebe es vor allem bei Landstraßen, wo rund 60 Prozent aller Verkehrstoten zu beklagen seien. Zustimmung erhielt er nicht nur von Kay Nehm, dem Präsidenten des Verkehrsgerichtstages, sondern auch von den Experten, die am Ende Empfehlungen aussprechen: "Fast 2000 Tote auf deutschen Landstraßen sind deutlich zu viel", betonte Kirsten Lühmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und Leiterin des vierten Arbeitskreises, der über neue Geschwindigkeitsbegrenzungen diskutierte. Um die insgesamt rund 200.000 Kilometer Bundes-, Landes- und Kreisstraßen sicherer zu machen, forderte dieser, das Tempolimit auf zweispurigen Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften für Pkw auf 80 Stundenkilometer zu reduzieren. Zugleich müsse die Grenze für schwere Lkw über 7,5 Tonnen Gesamtgewicht von 60 auf 80 Stundenkilometer heraufgesetzt werden. "Da die meisten tödlichen Unfälle auf Landstraßen durch überhöhte Geschwindigkeit und gefährliche Überholmanöver zustande kommen, ist eine Anpassung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit die schnellste Maßnahme", erklärte Lühmann. Nur entsprechend ausgebaute oder ertüchtigte Straßen sollten weiterhin für Tempo 100 freigegeben werden, verlangte das Expertengremium. "Wir wissen, dass es dadurch zu mehr Schildern kommen wird, aber die expliziten Hinweise werden auch zu mehr Sicherheit führen", so die Leiterin des Arbeitskreises "Unfallrisiko Landstraße". Sie erhofft sich von der Angleichung des Tempolimits eine Entspannung im Straßenverkehr. "Ich rechne dadurch mit weniger Stausituationen auf Landstraßen und damit, dass der Überholdruck abnimmt", sagte die Polizeibeamtin und Politikerin. Mehr Kontrollen hält Lühmann nicht für ausreichend. Zusätzlich braucht es bessere Straßen Neben der Änderung des Fahrverhaltens seien bauliche Verbesserungen ein Ansatz für mehr Sicherheit außerhalb geschlossener Ortschaften: "Viele Landstraßen sind schmal, kurvig, sie haben unbefestigte Seitenstreifen und bieten schlechte Sicht zum Überholen", erklärte Lühmann. Zusätzlich erhöhten oft Bäume das Unfallrisiko. Deshalb empfahl der Verkehrsgerichtstag, Hindernisse am Straßenrand zu entfernen oder Schutzeinrichtungen vor Bäume zu montieren. Helfen sollen auch mehr Überholverbote an unübersichtlichen Stellen. Der vierte Arbeitskreis machte sich außerdem für eine sicherere Seitenraumgestaltung stark. "Landstraßen müssen so angelegt werden, dass sie kleinere Fahrfehler verzeihen", sagte Lühmann. Es brauche ausreichend breite Landstraßen mit befestigten Seitenstreifen als Mini-Auslaufzone, um nicht sofort im Graben oder am Baum zu landen. Die in Goslar vorgeschlagenen Umbauarbeiten sind allerdings zeitaufwendig und teuer. Die Experten forderten von der Politik deshalb eine Investitionsoffensive. Dem Verkehrsgerichtstag gehören Juristen, Wissenschaftler und Verkehrsexperten aus Ministerien, Behörden, Verbänden, der Industrie und Verkehrsclubs an. Die Empfehlungen des Gremiums sind in der Vergangenheit oft in neue Gesetze und Verordnungen eingeflossen. "Ich halte es für sehr wichtig, dass die Forderungen in der politischen Diskussion aufgegriffen werden", resümierte Lühmann in diesem Zusammenhang. Sie rief die Güterverkehrsverbände auf, sich dabei einzubringen. Fahrerlose Pkw und Lkw Gesetzgeber soll Regelungen für autonomes Fahren schaffen In Goslar haben Fachleute außerdem über die technische Entwicklung und rechtlichen Rahmenbedingungen des autonomen Fahrens diskutiert. Einen aktuellen Anlass lieferte die Ankündigung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), auf der A 9 ein Pilotprojekt mit selbst fahrenden Autos starten zu wollen. Nach Bayern planen auch Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg eine Teststrecke. Das Problem hierbei: Deutschland ist an das Wiener Übereinkommen für den Straßenverkehr gebunden, das Autofahren ohne Fahrer bislang nicht zulässt. Der Verkehrsgerichtstag forderte den Gesetzgeber deshalb auf, Rahmenbedingungen für eine vollständige oder dauerhafte Ersetzung des Fahrers durch ein System zu schaffen. Aus Sicht der Experten des zweiten Arbeitskreises muss vor allem geregelt werden, ob der Fahrer explizit von der Überwachung des autonomen Fahrzeugs entbunden werden kann, etwa um sich anderen Tätigkeiten zuzuwenden.Hierbei sei zwischen den Automatisierungsgraden zu unterscheiden. "Ab einem hochautomatisierten Fahrbetrieb ist der Fahrer bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von Sanktionen und Haftungsansprüchen freizustellen", heißt es in der Empfehlung zum autonomen Fahren. Umgekehrt seien die Hersteller mehr in die Verantwortung zu nehmen und müssten durch zusätzliche Sicherheitssysteme verhindern, dass Fahrfehler, Manipulationen oder technische Probleme zu Verkehrsunfällen führten. ag

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