Grüne Logistik: Gezielt CO2 einsparen

In Kürze CO2-Emissionen reduzieren ist das Gebot der Stunde, auch im Transport- und Logistikgewerbe. Dafür gibt es interessante Möglichkeiten, die sich mit Kunden umsetzen lassen - ganz ohne E- und Wasserstoff-Lkw. Bei 200.000 Unternehmen in Europa fährt regelmäßig ein Fahrzeug von Mewa vor. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Wiesbaden ist Spezialist für Berufskleidung und Putztücher. Bei vielen Kunden kommt alle ein bis zwei Wochen ein Mewa-Servicefahrer vorbei, bringt saubere Textilien und nimmt die schmutzigen mit. Bisher steuern die Lkw einen Betrieb nach dem nächsten an, auch in der Stadt. Um nachhaltiger zu werden, hat das Familienunternehmen in Berlin und Hamburg jetzt ein neues Logistikkonzept eingeführt: Die Mewa-Lkw fahren nicht mehr direkt zu den Kunden, sondern zunächst zu einem Hub in der Innenstadt - zum Beispiel zu einem Parkhaus. Dort lädt man die Textilien auf E-Lastenräder und -Vans um. "Da diese mit Ökostrom geladen werden, sind wir auf der letzten Meile emissionsfrei unterwegs", sagt Martin Mühling, Leitung der Distributionslogistik. Die per Rad belieferten 400 Kunden seien zudem zufriedener. Der Grund: "Die Fahrer sind nicht gehetzt, weil sie in zweiter Reihe parken, und haben auch mal Zeit für ein kurzes Gespräch." Mewa will das neue Belieferungskonzept demnächst auch in anderen Städten einführen. CO2-Rechnung aufstellen Dieses Beispiel zeigt: Grüne Logistik bedeutet mehr, als nur in neue Antriebstechnik zu investieren. Wer Transporte nachhaltiger machen will, muss an vielen Punkten ansetzen. Aber wo? Die Palette der möglichen Maßnahmen ist groß: Auf grünen Strom umstellen, die Immobilien dämmen, eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach installieren, Schnelllauf-Tore anschaffen - all das gilt als sinnvoll. Andrea Lochmahr, Professorin an der Stuttgarter Hochschule für Technik, rät Dienstleistern jedoch, zunächst eine CO2-Rechnung aufzustellen. "Sie müssen wissen, was Ihre theoretischen Hebel sind, um die richtigen ziehen zu können." Neben den bereits genannten Maßnahmen rät sie vor allem, zusammen mit den Kunden die planerischen Spielräume auszuloten - also zum Beispiel mit mehr Vorlauf zu arbeiten, um Fahrzeuge besser auszulasten. "Patentlösungen, die für alle funktionieren, gibt es nicht", betont Lochmahr. Belieferungsfrequenz reduzieren Zu den wenigen Unternehmen, die schon komplett klimaneutral beliefern, gehört Transgourmet mit Sitz in Riedstadt. Das Tochterunternehmen der Schweizer Coop-Gruppe ist auf die Versorgung von Großküchen und Gastronomie spezialisiert. Seit Oktober letzten Jahres ist Transgourmet klimaneutral unterwegs. Um bei den Emissionen komplett auf null zu kommen, stellt der Betrieb den Eigenfuhrpark nach und nach auf Biogas um und finanziert CO2-Ausgleichsprojekte. Auch die Kunden holte man ins Boot: Die Fachberater wurden geschult und fragten gezielt nach Möglichkeiten, die Zahl der Stopps zu reduzieren. Einige Großbetriebe wurden etwa bisher drei- bis viermal die Woche beliefert. Gemeinsam prüfte man, ob zwei Belieferungen möglich sind. "Das kam hervorragend an - zumal vor allem große Systemkunden mittlerweile selbst Nachhaltigkeitsziele verfolgen", berichtet Christoph Nörtershäuser, Mitglied der Geschäftsleitung und Leitung Logistik Foodservice. Viele Hotels, Kantinen und Restaurants hat Transgourmet mittlerweile für eine niedrigere Belieferungsfrequenz sensibilisiert. Der Umweltnutzen ist enorm. "Obwohl die Mengen seit Oktober letzten Jahres stetig gestiegen sind, konnten wir die Gesamtzahl der Stopps reduzieren", freut sich Nörtershäuser. Die eingesparten Kosten werden - wo möglich - an die Kunden weitergereicht. Nörtershäuser spricht von einem "Win-win-Konzept". Logistikern, die Ähnliches planen, rät er: "Kommunizieren Sie den CO2-Ausstoß zunächst besser gegenüber den Kunden." Die Poller-Group aus dem sächsischen Neuensalz geht ebenfalls auf die Kunden zu, um Transporte zu vermeiden. "Wir rechnen dem Verlader ganz konkret vor, welche Möglichkeiten er hätte, Frachtkosten und CO2 zu sparen", sagt Geschäftsführer Stephan Nitzsche. Zu den Kunden der Logistikgruppe (437 ziehende Einheiten, 731 Mitarbeiter) gehören zum Beispiel Bauunternehmen, die ihre Baustellen bevorzugt früh morgens beliefern lassen. Doch um überall um acht Uhr sein zu können, sind viele Fahrzeuge nötig, die folglich nicht immer optimal ausgelastet sind. Koordiniert der Verlader dagegen eine gestaffelte Belieferung der Abladestellen, lassen sich viel mehr Ladungen auf einem Fahrzeug konsolidieren. Um die Verlader zu solchen Maßnahmen zu bewegen, unterstützt sie die Poller-Group mit Analyse- und Tourenplanungs-Instrumenten. Digitaler Zwilling kann helfen Wie sich grüne Potenziale auch im laufenden Geschäft heben lassen, zeigt der Textildienstleister Mewa in einem zweiten Projekt zur Tourenplanung. Die erfolgte bisher relativ statisch: Zunächst wurde mit einer Software die optimale Tour für eine Region festgelegt. Kam danach zum Beispiel ein Kunde dazu, wurde der Stopp manuell in die Strecke eingefügt - gleiches Vorgehen bei einem wegfallenden Kunden. So kam es mitunter vor, dass einige Touren im Lauf der Zeit nicht mehr optimal zugeschnitten waren. Eine neue Simulationssoftware verhindert das. Sie bildet den ganzen Betrieb digital nach; also nicht nur die Lkw, sondern auch die Standorte, in denen Textilien gewaschen und repariert werden. Mithilfe dieses sogenannten digitalen Zwillings prüft Mewa mehrmals im Jahr, ob sich die Touren besser zuschneiden lassen. "Das kann mehrere komplette Tage im Jahr einsparen", so Distributionslogistik-Leiter Mühling. Logistikprofis, die grüne Projekte anstoßen wollen, müssen allerdings Ausdauer mitbringen. Nicht überall rennt man offene Türen ein. "Die Frachtrate hat meist Prio eins", sagt Geschäftsführer Nitzsche von der Poller-Group. Diese Einschätzung teilen viele Experten. "Die Dienstleister sind aktuell in erster Linie mit Kostendruck und Fahrermangel beschäftigt", betont Professorin Lochmahr. Akuter Handlungsbedarf in Sachen grüner Logistik bestünde meist nicht, die Kunden erwarteten vor allem pünktliche Transporte und niedrige Frachtraten. Doch das könne sich bald ändern. "Wenn hohe CO2-Preise oder sogar Strafen drohen, bekommt die Umwelt Priorität", ist sie überzeugt. Einspar-Tipps für Transporte Verschaffen Sie sich genaue Daten. Erheben Sie, wie hoch Auslastung und Leerkilometer pro Fahrzeug sind. So erkennen Sie mögliche Nachhaltigkeitsreserven. Planen Sie Touren mit mehr Vorlauf, um Ladungen besser konsolidieren zu können. Animieren Sie Kunden dazu, Ladungen früher zu avisieren. Arbeiten Sie darauf hin, dass der Verlader seine Aufträge vor der Cut-off-Zeit einreicht. "Nachzügler", wenn die Disposition schon steht, sind Gift für das Klima, weil oft ein zusätzliches Fahrzeug losgeschickt werden muss, das schlecht ausgelastet ist. Belohnen Sie Verlader finanziell, die Sie bei Nachhaltigkeitsmaßnahmen unterstützen. Etwa: Je früher ein Auftrag erteilt wird, desto niedriger ist die Frachtrate. Für Verlader, die eine Rückladung vermitteln, sinkt der Preis. Bereiten Sie Transporte besser vor. Lassen Sie Trailer und Wechselbrücken beim Kunden vorab beladen. So verhindern Sie, dass der Fahrer nach der Ankunft warten muss. Das Beladen kann Personal des Kunden übernehmen oder eigene Leute, die dauerhaft auf dem Kunden-Gelände arbeiten. Stationieren Sie Ihre Lkw nah am Kunden. Dadurch lassen sich viele Leerkilometer vermeiden, unter anderem beim Paletten bringen oder Auflieger austauschen. cg "Nachhaltigkeit beginnt mit gutem Controlling" Christian Schober, Berater für Logistik und Transportmanagement, Germering Grüne Logistik gilt als teuer. Sie sagen, dass Nachhaltigkeit sogar Kosten spart. Wie geht das? Wer seine Prozesse optimiert, senkt oft Kosten und Emissionen gleichzeitig. Schließlich schont nichts das Klima so stark wie ein Transport, der nicht durchgeführt wird. Fahrten zu vermeiden und Transporte zu bündeln, sind die größten Hebel für mehr Nachhaltigkeit. Die Anzahl der Leerkilometer ist vielerorts noch zu hoch und die Auslastung der Fahrzeuge zu gering. Wie lässt sich das ändern? Vor allem durch frühzeitigeres Handeln. Je früher geplant wird, desto besser ist die Auslastung der Fahrzeuge. Transportunternehmer sollten mit ihren Kunden sprechen, um in Zukunft mit mehr Vorlauf informiert zu werden. Die aktuelle Zeit ist gut dafür. Lassen sich die Auftraggeber denn darauf ein? Zu sagen "Wir sind nachhaltig" reicht natürlich nicht. Man muss dem Kunden etwas bieten, den Vorteil mit ihm teilen. Ein Beispiel: Ein Großhändler wird ein- bis zweimal am Tag beliefert - dabei reicht es vielleicht aus, wenn der Speditionsunternehmer nur dreimal die Woche kommt. Dafür braucht es natürlich Disziplin, weil dann nicht mehr nachgeliefert werden kann, was man bei der Lieferung morgens vergessen hat. Aber so fallen Fahrten und Emissionen weg. Die geringeren Kosten könnten sich Verlader und Dienstleister teilen. Warum wird so etwas so selten gemacht? Unter anderem, weil Speditionen das Werkzeug dafür fehlt. Um die Auslastung verbessern zu können, muss bekannt sein, wie hoch sie pro Fahrzeug ist. Schon diese Information fehlt vielen. Deshalb beginnt nachhaltige Logistik aus meiner Sicht mit gutem Controlling. Constantin Gillies

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