Der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer, hat mit Blick auf den Lokführerstreik und den Tarifkonflikt bei der Bahn „auf allen Seiten“ Gesprächsbereitschaft gefordert.
„Niemand darf am Verhandlungstisch auf Maximalpositionen beharren“, sagte der Verkehrsstaatssekretär der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Am Ende sind die Deutsche Bahn und ihre Mitarbeiter gleichermaßen auf die gesellschaftliche Akzeptanz des Verkehrsträgers Schiene angewiesen. Gerade der Hochlauf der Steuerzahlergelder für Erhalt und Ausbau des Schienennetzes hängt hiervon direkt ab.“
Der Tarifstreit dürfe nicht weiter auf dem Rücken der hart arbeitenden Gesellschaft ausgetragen werden. „Unsere Volkswirtschaft ist auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen“, so Theurer.
„Arbeitnehmer müssen zum Arbeitsplatz, Güter zu den Kunden und Vorprodukte zu Unternehmen kommen. Deutschland ist nicht in der Lage, sich das Lahmlegen des Verkehrsträgers Schiene dauerhaft leisten zu können.“
Streikstunden im Güterverkehr
Die Lokführergewerkschaft bestreikt seit dem frühen Mittwochmorgen (24. Januar) den Personenverkehr bei der Deutschen Bahn. Im Güterverkehr hat der Arbeitskampf bereits am Dienstagabend begonnen. Der Ausstand soll bis Montagabend, den 29. Januar dauern.
Zieht die GDL den momentanen Streik bis Montagabend durch, kommt sie in der laufenden Tarifrunde bereits auf so viele Streikstunden wie 2021. Damals rief die Gewerkschaft zu drei längeren Streiks auf, die sich im Güterverkehr auf etwas mehr als 260 Stunden summierten. Mit den beiden Warnstreiks 2023 und den beiden Streiks im laufenden Jahr sammelt die GDL bis Montagabend, 18 Uhr, 264 Streikstunden im Güterverkehr.
Dass die GDL damit für die laufenden Tarifrunde am Limit angekommen ist, lässt sich daraus aber nicht schließen. In einer sehr langwierigen Tarifrunde von September 2014 bis Mai 2015 streikte die GDL im Güterverkehr für mehr als 420 Stunden.
Öffentliche Meinung
Die GDL müsse vermeiden, dass sich die öffentliche Meinung gegen die Lokführer wendet, sagte der Tarif-Experte Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) der Deutschen Presse-Agentur. Dies sei ein wichtiger Einflussfaktor, wenn es darum gehe, die eigenen Mitglieder bei der Stange zu halten. „Eine weitere Streikrunde ohne vorherige Verhandlungen könnte ein mediales Desaster für die GDL werden. Das könnte auch ein Kipppunkt für die Streikbereitschaft der Mitglieder werden“, meinte Lesch.
Mit schärferer öffentlicher Kritik stehe perspektivisch auch die finanzielle Unterstützung der GDL beim Streikgeld durch den Deutschen Beamtenbund (dbb) in Frage. Dessen Verantwortliche hätten die GDL bereits im Bahn-Tarifkonflikt 2015 zu einer Schlichtung gedrängt.
„Der dbb unterstützt uns in allen Belangen und steht zu 100 Prozent hinter uns“, sagte ein GDL-Sprecher kürzlich. Die GDL ist Mitglied im Deutschen Beamtenbund. „Stand jetzt ist es kein Thema, dass der dbb sich in den Konflikt einmischt“, sagte am Donnerstag, den 25. Januar ein dbb-Sprecher. Ob nicht doch irgendwann der Zeitpunkt kommen könnte, zu dem sich der dbb einschaltet, ist offen.
Ausweg Schlichtung?
Eine Schlichtung mit einem externen Vermittler lehnt die GDL bislang ab. Zwingen kann die Bahn sie dazu nicht. Für einen solchen Prozess brauchte es eine Schlichtungsvereinbarung. Diese können Tarifpartner etwa in einem Tarifvertrag festlegen. Sie könnte dann bestimmen, dass sich im nächsten Tarifstreit beide Seiten zu einer Schlichtung verpflichten, wenn sie auf den üblichen Verhandlungswegen nicht weiter kommen. Im ausgelaufenen Tarifvertrag zwischen der Bahn und der GDL gibt es eine solche Vereinbarung aber nicht.
Natürlich können sich beide Seiten trotzdem auf ein Schlichtungsverfahren verständigen. Im vergangenen Jahr sind die Bahn und die größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) diesen Weg gegangen, obwohl es auch damals keine Verpflichtung dazu gab. Die vermittelten Verhandlungen führten letztlich zu einer Beilegung des damaligen Tarifstreits. Zu den Befürwortern von Schlichtungsvereinbarungen zählt der Fahrgastverband Pro Bahn. Nach Ansicht des Verbands entstünde so während eines Tarifkonflikts mehr Planungssicherheit für die Bahn-Kunden.