Full-Service oder selber schrauben?

Es ist fast so etwas wie ein Glaubensstreit: Während der eine Fuhrparkmanager das Angebot einer Full-Service-Rate schon fast als Zweifel an seiner Kompetenz auffasst, verweist der andere auf die Vorteile. Simone Götz, Leiterin zentrale Dienste bei der Jura Spedition in Neumarkt/Oberpfalz, hat sich der zweiten Gruppe angeschlossen. "Alle unsere Zugmaschinen sind bei uns mit den umfassenden Full-Service-Verträgen ausgestattet. Dadurch haben wir kalkulierbare Kosten über die gesamte Laufzeit", sagt sie (siehe Interview oben rechts). So wie Götz denken insbesondere im Fernverkehr immer mehr Fuhrparkverantwortliche. "30 bis 45 Prozent der Fahrzeuge im Fernverkehr werden bereits mit Servicepaketen an die Kunden geliefert", sagt Alfons Fehlner, Head of Sales, MAN Financial Services Deutschland. Tendenz: Je größer der Fuhrpark, desto größer der Trend zum Full-Service. "Rund 65 Prozent aller Kunden, die einen Leasingvertrag für ihr Mercedes-Benz-Nutzfahrzeug abschließen, entscheiden sich für das Kombipaket CharterWay Serviceleasing" bestätigt auch André Girnus, Sprecher der Geschäftsführung von Mercedes-Benz CharterWay, die gestiegene Akzeptanz von Service-Paketen. Kalkulationssicherheit und konstante Kosten über die Laufzeit sind zwei Vorteile für Full-Service-Miete und -Leasing. Die Anbieter gehen in aller Regel mit einem klassischen Kilometerleasing auf die Kunden zu. Das heißt: Die Kunden zahlen eine Monatsrate, die auf die Laufleistung, den Einsatzzweck und die Laufzeit abgestimmt ist. Fährt der Kunde mehr als die kalkulierten Kilometer, zahlt er am Ende der Laufzeit die Mehrkilometer zu einem vorher vereinbarten Satz nach. Je nach Anbieter werden Minderkilometer gutgeschrieben, meistens zu einem niedrigeren Kilometersatz. Das einzige Risiko ist die Abrechnung von Schäden am Ende der Laufzeit. Hier gilt es, das Kleingedruckte in den Verträgen zu lesen - mittlerweile gibt es bei den meisten Gesellschaften klare Regelungen zu diesem Thema. Rate nicht immer transparent Mit Full-Service hat das zunächst noch nichts zu tun. "Wir verstehen Full-Service als geschlossene All-in-Rate", definiert MAN-Finanzierungsexperte Fehlner. Das bedeutet: Nebenkosten wie Wartung, Verschleißreparaturen, gesetzliche Prüfung, aber auch Reifen und Versicherungen und sogar die GEZ-Gebühren werden in eine einheitliche Monatsrate kalkuliert, deren genaue Zusammensetzung dem Betreiber des Fahrzeugs nicht transparent ist. Nicht jedes Unternehmen wünscht dieses Höchstmaß an Bequemlichkeit. "Die Bausteine sind bei vielen Anbietern zum Teil herauslösbar. Das macht Sinn, wenn zum Beispiel die eigene Versicherung günstiger ist", rät Reinhard Bellessem, Unternehmensberater für Verkehrsbetriebe mit Sitz in Heiligenroth. Herauslösbar sind neben Versicherungen auch Reifen, GEZ und Kfz-Steuer. Wartungs- und Reparaturverträge sind sozusagen systemimmanent. Ohne sie macht ein Full-Servicevertrag keinen Sinn. Allerdings stellt sich die Frage, wie umfangreich die Servicevereinbarung sein soll. "Wir bieten unseren Comfort-Super-Vertrag an", sagt Guido Kaspari, Leiter After Sales und Service Produkte Deutschland bei MAN Truck & Bus. "Der umfasst Wartungen nach Herstellervorgaben, gesetzliche Prüfungen und verschleißbedingte Fahrzeugreparaturen." Außen vor bleiben - wie bei allen Anbietern - Gewaltschäden, die über eine Versicherung abzudecken sind. Kaspari weist darauf hin, dass der Umfang des Comfort-Super-Vertrags keine Zwangskonfiguration sei. Als abgespeckte Version können zum Beispiel die reinen Wartungsarbeiten mit oder ohne gesetzliche Prüfungen als Umfang vereinbart werden. Aufbauten im Full-Service oft teuer Auch CharterWay baut sein Angebot modular auf. "Von der reinen Antriebsstrangabsicherung über die Abdeckung sämtlicher Wartungsarbeiten bis hin zur Komplettabsicherung kann der Kunde innerhalb der Serviceleistungen zwischen verschiedenen Stufen wählen", sagt Charter-Way-Chef Girnus. Sinnvoll kann es sein, Leistungen wie Abschleppdienst oder Hol- und Bringservice in die Vereinbarung aufzunehmen. Dies ist jedoch eine Einzelfallentscheidung, die von verschiedenen Determinanten wie der Entfernung zur Werkstatt abhängt. Bei Unternehmen mit mehreren Niederlassungen oder einem großen Einsatzradius ist die Frage interessant, ob die Wartungsund Reparaturarbeiten nur in einer bestimmten Werkstatt durchzuführen sind - oder ob ein ganzes Werkstattnetz dafür zur Verfügung steht. Die Netzlösung erhöht die Freiheitsgrade der Disposition des Fuhrparkbetreibers. So können Beschäftigungslücken oder Pausen des Fahrers für die Wartung genutzt werden. Ein weiterer Punkt, über den entschieden werden muss: Sollten Auf- und Anbauten ebenfalls in einen Full-Service-Vertrag für das Motorfahrzeug einbezogen werden? Im Sinne der Kostentransparenz und einer schlanken administrativen Abwicklung wäre das sinnvoll. Auf der anderen Seite haben Werkstätten, die Reparaturen an Aufbauten ausführen, mitunter deutlich niedrigere Stundenverrechnungssätze als die Markenwerkstätten der Lkw-Hersteller. Das Problem mit der eigenen Werkstatt Ein interessanter Baustein eines Full-Service-Angebotes ist die Ersatzfahrzeuggestellung, wie sie CharterWay für Standard-Lkw, aber auch für Bau-, Kühl- und Kommunalfahrzeuge anbietet. Fällt ein im Full-Service befindliches Fahrzeug aus, stehen Ersatzfahrzeuge aus dem Mietfuhrpark der Daimler-Tochter zur Verfügung. Das senkt das Betreiberrisiko. "Leasing oder Miete plus Fullservice kann für Firmen ohne eigene Werkstatt interessant sein. Bei kurzen Laufzeiten ist allerdings nach einem Jahr Garantie kaum mit nennenswerten Reparaturen zu rechnen", fasst Berater Bellesem zusammen. Wer hingegen eine eigene Werkstatt hat, tut sich in aller Regel schwer mit Full-Service-Paketen. Vor allem die markengebundenen Vermieter und Leasingfirmen bestehen normalerweise darauf, dass Wartung und Reparaturen in Markenwerkstätten durchgeführt werden. Eine Fremdvergabe entzieht der Eigenwerkstatt aber die notwendige Auslastung. Es gibt allerdings Ausnahmen: Manche Anbieter lassen im Einzelfall zu, dass Leistungen aus dem Servicevertrag in der eigenen Werkstatt durchgeführt werden. "Das ist grundsätzlich möglich, wenn sichergestellt ist, dass bei den Werkstattarbeiten alle Daimler-Standards beispielsweise hinsichtlich Werkstattausrüstung und Qualifizierung durch die Mitarbeiter eingehalten werden", sagt CharterWay-Chef Girnus. Jeder Einzelfall werde geprüft - in der Praxis eine hohe Hürde.

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