Ford F-Max 500: Der Achte im Bunde

Ein Superlativ ist dem F-Max schon mal sicher: An keinem anderen Ford fällt das blaue Markenemblem - bekannt als "Ford-Pflaume" - gewaltiger aus. Sicher nicht ohne Kalkül, denn Passanten reiben sich ungläubig die Augen, wenn sie den in der Türkei produzierten Lastwagen erblicken. Dass Ford in Sachen Nutzfahrzeug mehr kann als Transit, ist vielen noch weitgehend unbekannt. Dabei gibt es den 2018 brandneu präsentierten F-Max bereits in 40 Märkten und seit Neuestem gehört auch Deutschland dazu. Dafür wurde eigens die F-Trucks Deutschland GmbH gegründet, die die 500 PS starke Sattelzugmaschine importiert. Wohlgemerkt Sattelzugmaschine, denn bis auf Weiteres beschränkt sich Ford auf dieses eine Grundmodell, das sich im Detail aber an individuelle Wünsche anpassen lässt (siehe Interview Seite 68). Ähnlichkeit zum Volvo FH? Aber kann der F-Max technisch mit den etablierten Marken mithalten? Zur Klärung dieser Frage unterziehen wir das weiß lackierte Vorführfahrzeug einem intensiven Check. Rein optisch erkennen böse Zungen große Ähnlichkeiten zum Volvo FH. Auch wir können uns dem nicht gänzlich entziehen, erst recht nicht beim Öffnen der Fahrertür, denn auch die Formgebung des Griffs scheint eins zu eins vom Volvo übernommen. Dafür springt am Einstieg eine wirklich gute wie einfache Detaillösung ins Auge, die beweist, dass sich die Ford-Entwickler mit den Fahrerbedürfnissen beschäftigt haben. Im mittleren Bereich der Fahrertür ist eine vorstehende Dichtung eingefügt, die bei geschlossener Tür die obere Trittstufe wasserdicht abschließt. Auf diese Weise bleibt auf der Trittstufe abgestelltes Schuhwerk garantiert trocken. Nächster Check: Fahrerplatz. Hier dominiert viel Hartplastik, der von seiner Haptik nicht ganz mit den etablierten Marken mithalten kann. Außerdem müssen sich die Ford-Leute die Frage gefallen lassen, warum sie sich bei einem gestandenen Nutzfahrzeug für diese helle, empfindliche Farbgebung entschieden haben, die sich sogar bis in den Kabinenboden erstreckt. Den Ford innen auf Dauer sauber zu halten, dürfte so selbst für reinlichste Fahrer problematisch werden. Am F-Max-Arbeitsplatz selbst fühlen sich vor allem Ford-Pkw-Fahrer sofort zu Hause, denn viele Elemente, beispielsweise der Lichtschalter und die Bedieneinheit für Lüftung und Heizung, stammen vom Ford Transit. Genauso wie übrigens das Blinkergeräusch und der Warnton, wenn beispielsweise eines der beiden Außenstaufächer nicht korrekt verschlossen ist. Was Fahrern der alten Schule ebenfalls gefallen dürfte: Der Arbeitsplatz präsentiert sich noch weitgehend analog mit "echten" Rundinstrumenten für Tacho und Drehzahlmesser. Ansonsten fällt auf, dass eben nichts auffällt. Soll heißen, es mangelt am Arbeitsplatz an nichts und auch beim Bedienkonzept hat sich Ford am Gängigen orientiert. Die Getriebebedienung findet sich am rechten Lenkstockhebel und oft Benötigtes wie Tempomat oder der umfangreiche Bordcomputer, der unter anderem auch eine Fahrerbewertungsfunktion beinhaltet, lassen sich über die logisch angeordneten Lenkradtasten ansteuern. Überraschend umfangreich präsentieren sich die Verstellmöglichkeiten der Lenksäule. Zwar lässt sich das Volant nicht ganz so steil stellen wie in Scania, Volvo oder neuerdings auch im Renault T, eine passende Position zu finden, sollte aber für alle Staturen möglich sein. Die Entriegelung geschieht übrigens ähnlich wie beim Mercedes-Benz Actros per Druckschalter vorne links im Fußraum. Elegante "Flugzeugfächer" hinten oben Rechts vom Fahrersitz haben die Designer zwei praktische Schubladen in die Mittelkonsole integriert, geeignet für Frachtund Fahrzeugpapiere. Während der Fahrt gut erreichbar findet sich, unter dem Bett ausziehbar, die Kühlbox. Die fällt in ihrer Größe eher durchschnittlich aus, die Fressalien für die Woche passen aber hinein. Nur schade, dass für eine weitere Schublade unter dem Bett kein Platz bleibt und sich die Schlafstatt auch nicht hochklappen lässt, um zum Beispiel von innen an die Außenstaufächer zu gelangen. Einen Ausgleich schafft Ford durch die serienmäßigen "Flugzeugfächer" im oberen Bereich der Rückwand. Diese klappen elegant nach unten, dürfen jeweils mit vier Kilo belastet werden und eignen sich somit besonders für Kleidungsstücke. Die Fächer sind übrigens auch an Bord, wenn das zweite Bett geordert wird, das bei Nichtgebrauch komplett an die Rückwand klappt und so kaum Platz kostet. Noch ein Wort zum unteren Bett: Hier sollte Ford vielleicht noch mal nachlegen, denn es verfügt erstens über keinerlei Unterbau à la Lattenrost und zweitens entpuppt sich die einfache Schaumstoffmatratze als vergleichsweise weich. Der Motor ist eine Eigenentwicklung Genug der Standzeit, jetzt muss sich der Ford in seinem eigentlichen Element beweisen. Der Start des fordeigenen "Duratorque"-Reihensechszylinders geschieht klassisch per Schlüsseldreh und sogleich wird man hellhörig. Dabei ist es weniger der durchschnittliche Klang des 12,7 Liter großen Motors, sondern die Tatsache, dass sein Treiben im Leerlauf innerhalb der Kabine dezent zu vernehmen ist. Unser Schallmessgerät bestätigt mit niedrigen 57 dB(A) diese subjektive Wahrnehmung. Auch in Fahrt erweist sich der F-Max mit 66 dB(A) bei Tempo 85 als angenehm leise, was wir im Vorfeld nicht unbedingt erwartet hätten. Als gewöhnungsbedürftig bezeichnen, lässt sich dafür die rein hydraulisch unterstützte Lenkung. Die ist zwar fahraktiv ausgelegt und vermittelt stets guten Kontakt zur Straße, das Lenkrad will aber mit vergleichsweise hohen Kräften bewegt werden, was auf den ersten Kilometern ungewohnt ist, erst recht bei anspruchsvollen Rangiermanövern. Sportlich straff ausgelegt präsentiert sich auch das Fahrwerk, hier eifert der Ford-Truck seinen Pkw-Brüdern nach. Selbst scharf eingeleitete Richtungswechsel nehmen die vorderen Blattfedern gelassen. Dass der Ford dennoch einen passablen Komfort bietet, dafür sorgt unter anderem die serienmäßig auf Luftbälgen gelagerte Kabine, die sich in Kurven dennoch kaum zur Seite neigt. An der Hinterachse findet sich übrigens eine Besonderheit, denn standardmäßig verlässt der F-Max das türkische Werk mit einer Zweibalg-Luftfederung, vier Bälge gibt es nur optional. Die 500 PS stehen gut im Futter Auch der Antriebsstrang erweist sich in seiner Abstimmung vom Schlag alter Schule. 500 PS und 2500 Newtonmeter Drehmoment ab 1000 Touren stellen sich unserem ausgeladenen Fliegl-Testtrailer entgegen und erledigen den Job überdurchschnittlich agil. Vor allem an Steigungen ist das Ford-Aggregat in seinem Element, wo ihm neben seiner eigentlichen Leistung Weiteres in die Karten spielt: Ford liefert den F-Max serienmäßig mit einer 2,47er-Hinterachsübersetzung aus, für heutige Standards also relativ kurz. In der Folge liegen bei Reisetempo 85 knapp 1125 Touren an, die an Steigungen natürlich für eine gewisse Reserve sorgen. Und dann wäre da noch das Getriebe, das für alle, die mit einem Iveco, DAF oder MAN unterwegs sind, ein alter Bekannter ist. Denn es handelt sich um das zwölfgängige Traxon-Getriebe von ZF. Die Abstimmung mit dem Duratorque-Motor erweist sich als tadellos, allerdings erlauben die Türken der Schaltelektronik Manöver, die andere Hersteller aus wirtschaftlichen Gründen längst unterbinden. Welcher andere Lkw erlaubt beim Beschleunigen schließlich noch, die Fahrstufen über 1700/min auszudrehen? Ford lockt mit günstigen Preisen Der Agilität kommt das in jedem Fall zugute, dem Spritkonsum eher nicht, was wir in einem bald folgenden Verbrauchstest über unsere genormte VR-Testrunde überprüfen werden. Was dagegen jetzt schon feststeht: Der Preis ist heiß! Bei 75.000 Euro steige man in die Verhandlungen ein, geben die Mitarbeiter der F-Trucks-Deutschland GmbH zu Protokoll. Ein Argument, das für viele Transportunternehmer bereits ausschlaggebend sein könnte. Einen modernen Truck kauft man mit dem F-Max nämlich ohne Frage. Gut möglich also, dass sich bald mehr der übergroßen Ford-Pflaumen in den deutschen Zulassungsstatistiken finden. bj Mehr zum Thema unter #FordNutzfahrzeuge www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (Ford Duratorque), Common-Rail (2500 bar), Turbo mit variabler Geometrie, 4 Ventile pro Zylinder, Euro 6d mit SCR-Kat, AGR, DPF Hubraum: 12.740 cm3, Leistung: 500 PS (368 kW) bei 1800/min, maximales Drehmoment: 2500 Nm bei 1000–1400/min Kraftübertragung automatisiertes Schaltgetriebe „ZF Traxon“ (12 TX 2620), synchronisiertes Dreigang-Grundgetriebe, Range- und Splitgruppe, zwölf Vorwärtsgänge, zwei Rückwärtsgänge, Hinterachsübersetzung: i = 2,47 (Option: 2,64); elektro-pneumatisch betätigte Trockenkupplung, 430 mm Durchmesser Fahrwerk & Bremsen HA: 11,5-t-Antriebsachse, Zweibalg-Luftfederung, hydraulische StoßdämpferVA: 7,1-t-Lenkachse, Zweiblatt-Parabelfederung, StabilisatorenMotorbremse: 320 kW, Retarder optional Interview mit Holger Hahn, General Manager F-Trucks Deutschland Ford Trucks wagt sich als achte Marke auf den deutschen Markt. Herr Hahn, warum starten Sie ausgerechnet mit 4x2-Sattelzugmaschinen, einem der meist umkämpften Marktfelder? Hahn: Uns ist bewusst, dass wir uns damit ins Haifischbecken wagen, wir sind aber überzeugt, dass wir mit unserem Preis-LeistungsAngebot punkten können. Für den Anfang ist die 4x2-Sattelzugmaschine mit nur einer Motorisierung ideal, da es die Ersatzteilbevorratung deutlich vereinfacht, was es für unsere Servicepartner viel leichter macht, den Ford in ihr Programm aufzunehmen. Jetzt am Anfang hat für uns hohe Priorität, Vertrauen ins Produkt zu schaffen, bei Transportunternehmern, Fahrern und Werkstätten gleichermaßen. Stichwort Servicenetz: Wo kann der Kunde denn seinen F-Max warten lassen? Ein guter Service ist neben dem eigentlichen Fahrzeug das A und O. Entsprechend intensiv gehen wir dieses Thema an. Noch in diesem Jahr werden über 20 Lkw-Werkstätten in Deutschland zu unserem Servicenetz gehören und wir wollen diese Zahl in der weiteren Zeit auf mindestens 50 erhöhen. Wir führen aktuell mit vielen Werkstätten Gespräche. Viele davon haben bereits mit anderen Lkw-Herstellern Verträge, sind aber auf der Suche nach einer weiteren Marke. Dabei kommen die meisten Werkstätten auf uns zu und bekunden Interesse. Es muss aber unter anderem natürlich auch die geografische Lage passen, damit man ins Geschäft kommt. Welche Wahlmöglichkeit hat die Kundschaft beim F-Max denn konkret? Neben dem Normal-Modell können wir mit dem „LL“ auch eine Lowliner-Zugmaschine mit 3750er-Radstand liefern. Davon abgesehen bieten wir von „Basic“ bis „Luxus“ drei verschiedene Ausstattungslinien an und lackieren in RAL-Farben. Außerdem sind Optionen wie Standklimaanlage, Retarder, zwei verschiedene Hinterachsübersetzungen oder Nebenabtrieb lieferbar. Und natürlich sind unsere Fahrzeuge mit wichtigen Sicherheitssystemen wie Notbremsassistent und Abstandsregeltempomat ausgerüstet. Auch der GPS-Tempomat ist in den beiden höheren Ausstattungslinien Serie und es wird über die Zeit immer weitere Wahlmöglichkeiten geben. Sie haben ja bereits an erste Kunden ausgeliefert und mehrere Vorführfahrzeuge bei einigen Unternehmen laufen. Welches Feedback erhalten Sie über den F-Max? Vor allem die Fahrer sind zumeist positiv überrascht, weil sie vielleicht nicht unbedingt damit gerechnet hätten, in dem Ford ein solch modernes Fahrzeug vorzufinden. Der F-Max bietet aber viele gut gelöste Details: Die serienmäßigen Gepäckfächer oben an der Kabinenrückwand oder das „Schuhfach“ in der Fahrertür sind da nur zwei Beispiele. Was ich oft höre, ist, dass unser Fahrzeug am Berg zieht „wie die Sau“ und die Geräuschdämmung überdurchschnittlich leise ausfällt. In Kürze Gänzlich neu ist der deutsche Markt für Ford Trucks nicht. In den 80er-Jahren bot der Hersteller mit dem "Cargo" bereits eine mittelschwere Baureihe an. Bis heute einen fast schon legendären Ruf genoss darüber hinaus der "Transcontinental", den Ford zwischen 1975 und 1984 in Europa anbot - auch in Deutschland. Fazit: Jan Burgdorf, Test-Redakteur Nummer acht lebt! Wer glaubt, mit dem Griff zum Ford würde man technisch um Jahre zurückversetzt, irrt. Der F-Max ist ein hochmodernes Fahrzeug, das mit den etablierten Marken problemlos mithalten kann. Vor allem für den Fahrer/die Fahrerin bietet der Türke einige gut gemachte Details, die gern Nachahmer finden dürfen – Stichwort „Flugzeugfächer“. Der Antriebsstrang ist ebenfalls fahrerfreundlich, sprich leistungsorientiert ausgelegt. Ob sich das beim Verbrauch rächt, konnten wir bei diesem Test noch nicht erfahren. In jedem Fall fällt das Preisgefüge des F-Max kostengünstig aus. Fehlt eigentlich nur noch das flächendeckende Servicenetz, aber da scheint man bei Ford Trucks ebenfalls dran zu sein.

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