Floater: Energieschock adieu

„Diesel kennt man ja als Kostentreiber. Aber dass jetzt auch Strom und Gas so teuer werden, das ist neu, und stellt uns vor neue Herausforderungen“, sagt Gerald Penner, Geschäftsführer der Streck Transportgesellschaft in Lörrach. Um 30 bis 40 Prozent dürften zum Beispiel die Stromkosten in der ersten Jahreshälfte 2022, schätzt er, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch einmal gestiegen sein (das Gespräch mit Penner fand Ende Juni 2022 statt – die Red.). Um wie viel Prozent konkret müsse er noch analysieren, da die Strompreise seit letztem Herbst sehr volatil seien. Fakt sei aber, dass Streck schon in 2021 rund 600.000 Euro für Strom bezahlt hat, was einer Kostensteigerung gegenüber dem Vorjahr um rund 45 Prozent entspricht – bei insgesamt 40.000 m2 Lager- und 7000 m2 Büroimmobilien-Fläche. Die Preiserhöhungen für Gas stehen mit dem Auslaufen der aktuellen Verträge nun erst noch bevor.Mehrbelastungen preislich umlegen Dass diese Mehrbelastungen preislich an die Verlader durchgereicht werden müssen, das steht fast für alle Transport-, Speditions- und Logistikunternehmen fest, mit denen man dieser Tage spricht. Doch nur die wenigsten sind so weit wie Deutsche Post DHL, die nun zum ersten Januar 2023 ihren Geschäftskunden im Paketgeschäft – das ist in der Branche neu – einen variablen Energiezuschlag berechnen will. Die Höhe dieses Energiezuschlags werde monatlich transparent und nachvollziehbar auf Basis der Preisentwicklung von Diesel, Gas und Strom ermittelt, teilt DHL mit. Eine Gewichtung der drei Komponenten erfolge auf Basis des Energiemixes einer durchschnittlichen Sendung. Begründet wird der Zuschlag damit, sich gegen Schwankungen der Energiekosten absichern zu wollen. „Ein solcher variabler Energiefloater ist nicht nur für große Logistiknetze wie Deutsche Post DHL sinnvoll, sondern für alle Transport- und Logistikdienstleister, die auch Lager- und Umschlagsflächen bewirtschaften“, sagt John A. Eke, Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Exxent Consulting in Eching (siehe unten). Selbst kleinere Transport- und Speditionsbetriebe würden ja mittlerweile Lager- und Umschlagsflächen mit durchschnittlich 10.000 m2 bewirtschaften oder kundenindividuell über Hochregallager und Lagerflächen mit starker Automatisierung verfügen. „Strom für die Beleuchtung und Flurförderfahrzeuge, Gas für die Temperierung der Hallen – alles das wird im Moment exorbitant teuer“, erläutert er. So brauche eine Lagerhalle 18 bis 20 Grad Celsius – allein für die Mitarbeiter, die dort arbeiten, selbst wenn dort „nur“ Trockenware gelagert oder auch umgeschlagen wird. Insbesondere Kühl- und Tiefkühllogistiker müssten jetzt wirklich aufpassen, sonst fressen ihnen die Energiekosten ihre Erträge auf.Energiefloater ist kein Hexenwerk Wie sich die Energiemisere schon heute in der Logistik niederschlägt, zeigen seine Zahlen auf Basis eines konventionellen Logistikzentrums mit 10.000 m2 Lagerfläche und einem kleinen Umschlagsbereich mit Fördertechnik und wenigen elektrischen Rollbändern. Noch vor zwei, drei Jahren habe man dafür in Deutschland in Logistikprojekten pro m2 Lagerfläche in der Kostenrechnung im Schnitt noch 4,50 Euro angesetzt – inklusive aller Nebenkosten (davon machten die Energiekosten rund einen Euro aus), rechnet Eke vor. Heute dagegen bekomme man unter acht Euro pro m2 nichts mehr. „Und 2023 werden wir, egal in welcher Region Deutschlands, wohl bei zehn Euro pro m2 Logistikimmobilie liegen – inklusive aller Nebenkosten. Drei bis vier Euro Anteil dürften davon allein die Energiekosten für die Beleuchtung, Klimatisierung und Temperierung der Halle ausmachen“, schätzt er. Und die Energiekosten für die Flurförderfahrzeuge und automatisierte Lagertechnik sowie die Rolltore seien da noch nicht reingerechnet. „Richtig umgesetzt kann ein Energiefloater die Risiken etwaiger Energiekosten-Steigerungen deutlich reduzieren“, ist er überzeugt. Am Anfang stehe aber erstmal der Fleiß, die sogenannte Nullmessung, also die Ermittlung des Energieverbrauchs in der Logistik. Jeder einzelne Prozess – ob in der Kommissionierung, im Ein- und Auslagern oder auch beim Umlagern von Waren – wird dafür auf seinen Energieverbrauch und seine Effizienz analysiert. „Das ist kein großes Hexenwerk, kann aber selbst bei kleineren Speditionen zwei bis drei Monate dauern“, weiß Eke. Grund dafür sei, dass vielerorts solche Daten noch fehlen, und diese gelte es mit der Nullmessung zu ermitteln und zu messen. „Wie viel Energie verbraucht eine Palette, die steht? Wie viel verbraucht sie, wenn sie auf einem Rollband bewegt wird, und wie viel Energie verbraucht sie, wenn sie mit dem Gabelstapler be- oder entladen wird?“, nennt er Beispiele. Alles das muss ein Unternehmer in einer Art Energie-Prozesskostenrechnung erstmal messen und berechnen und so den Energiekostenanteil an den Gesamtkosten ermitteln. Erst im zweiten Schritt sollte er sich mit seinem Auftraggeber zusammensetzen, um mit ihm über das Modell des Energiefloaters zu sprechen. Ein De-facto-Standard- Modell, wie ein solcher Energiefloater auszusehen hat, gibt es aber laut Eke bislang nicht. Dafür sei das Thema in der Logistik zu neu. Aus seiner Sicht empfehle es sich, den Energiefloater analog dem Dieselfloater zu entwickeln. Dieser bestehe aus folgenden sechs Bestandteilen und diese gelte es zunächst zwischen dem Transportbetrieb und seinem Kunden zu klären. „Dann ist jedem sofort klar, ab wann der Floater wirkt, in welcher Höhe und auf welcher Kostenbasis“, begründet Eke das Vorgehen. Basis-/Bezugswert: Das ist der Energiekosten-Anteil, den der Dienstleister in der Nullmessung ermittelt hat. Diesen sollte er als Basis-/Bezugswert mit dem Auftraggeber in der Preiskalkulation festlegen und mit diesem vereinbaren, aus dem sich dann die potenzielle Veränderung ergibt. Wirkungsbandbreite/Wirkungszeitraum: Damit wird festgelegt, zu welchem Zeitpunkt und/oder ab welcher Veränderung des Energiepreises der Floater wirken soll. Dies kann direkt zum Zeitpunkt der Energiepreis-Anhebung geschehen, gleitend oder aber erst bei Überschreitung eines Schwellenwertes. Staffelung der Anpassungsgrundlage: Diese definiert, in welchen Schritten der Energiefloater angehoben wird: ob unmittelbar, also stufenlos. Denkbar sind auch Intervalle, also zum Beispiel immer dann, wenn der Dieselpreis um fünf Prozent oder aber auch um fünf Cent steigt. Wirkungszeitraum: Dieser legt fest, ab wann oder aber für welchen Zeitraum die Preisanpassung gilt, zum Beispiel sofort, für den aktuellen Abrechnungszeitraum, rückwirkend oder aber quartalsweise. Vergleichswert: Der Vergleichswert gibt vor, auf welchen Basiswert sich der jeweilige Energiepreis beziehen soll. Entsprechende Indizes und offiziell anerkannte Werte bieten unter anderem das Statistische Bundesamt (zum Beispiel Kosten einer Kilowattstunde Strom). Hinweis: Darauf verweist zum Beispiel Deutsche Post DHL mit ihrem Energiefloater. „Alles in allem ist ein solcher Energiefloater also eine gute Sache – sowohl für den Transport- und Logistikdienstleister als auch für den Auftraggeber“, ist Berater Eke überzeugt. Auch weil es ein transparentes und dadurch faires Instrument sei, vor allem aber würden damit beide Seiten an den Risiken der gestiegenen Energiekosten beteiligt werden. Kein Unternehmen würde also mit den Kostensteigerungen alleine gelassen.

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