Fast auf Grund

So ein Niedrigwasser hat die deutsche Binnenschifffahrt noch nicht erlebt: Nur 67 Zentimeter Pegel wurden am 23. Oktober 2018 in Köln gemessen, satte 17 Zentimeter unter dem alten Rekord-Tief. Der Schiffsverkehr auf der Elbe musste eingestellt werden, auf den anderen Wasserstraßen konnten nur 20 Prozent der üblichen Ladung befördert werden. 11,1 Prozent weniger Güter Leidtragende waren die Verlader: Thyssen-Krupp musste die Produktion in Duisburg mangels Rohmaterial drosseln, genau wie die BASF-Chemiewerke. An einigen Tankstellen ging wegen der Transportengpässe der Sprit aus. Als Folge der Trockenperiode vermeldete das Statistische Bundesamt für 2018 11,1 Prozent weniger Gütertransport auf deutschen Wasserstraßen. Stark betroffen waren auch die Häfen. Sie mussten in den Terminals Extraschichten fahren, zusätzliche Schiffe beschaffen oder Bahntransporte organisieren. "Durch das Niedrigwasser wurden in Düsseldorf, Köln und Neuss zwei Millionen Tonnen weniger Ladung wasserseitig umgeschlagen", resümiert Jan Sönke Eckel, Geschäftsführer von RheinCargo, ein Gemeinschaftsunternehmen der Häfen und Güterverkehr Köln und der Neuss-Düsseldorfer Häfen. Auf der Donau wurden 0,86 Millionen Tonnen weniger Schiffsgüter umgeschlagen. "Durch die extrem lange Dürre auf dem Rhein standen auf Main und Donau weniger Schiffe zur Verfügung", sagt Joachim Zimmermann, Geschäftsführer von Bayernhafen mit Standorten in Aschaffenburg, Bamberg, Nürnberg, Roth, Regensburg und Passau. Das Minus beim Schiffsgüterumschlag konnte im Süden jedoch durch einen 7,5-prozentigen Zuwachs beim Bahnumschlag größtenteils ausgeglichen werden. Schwankungen der Pegelstände gehören zum Tagesgeschäft der Binnenschifffahrt, doch das Niedrigwasser 2018 war außerordentlich, da die Tiefstände bundesweit extrem waren und ungewöhnlich lange anhielten. Es deutet sich an, dass die Verlader nicht zur Tagesordnung übergehen. Gerade große Unternehmen bereiten sich auf eine Wiederholung von 2018 vor. Der Chemiekonzern BASF zum Beispiel, den das Niedrigwasser nach eigenen Angaben 250 Millionen Euro gekostet hat, kündigt in seinem Jahresbericht an, mehr Tanklager anlegen und auf Schiffstypen ausweichen zu wollen, die für Niedrigwasser geeignet sind. Den Binnenhäfen bleiben nur wenige Handlungsmöglichkeiten. Theoretisch kann es sich für sie lohnen, Krananlagen anzuschaffen, mit denen eine Umladung möglich ist. So lassen sich Schiffe leichtern, also die Ladungen auf andere Schiffe verteilen, um den Tiefgang zu verringern. Zusätzliche Bahnterminals helfen bei Niedrigwasser ebenfalls, allerdings nur in Grenzen. "Gerade 2018 hat gezeigt, dass andere Verkehrsträger nicht alles aufnehmen können", betont Zimmermann, der zugleich Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) ist. Die offensichtliche Lösung des Problems wäre, die Flüsse tiefer zu machen beziehungsweise den Wasserspiegel zu heben. BASF-Chef Martin Brudermüller hatte im Nachgang der Krise gefordert, neue Staustufen am Rhein einzurichten, um den Fluss dauerhaft schiffbar zu halten. "Wenn weniger Wasser reinfließt, darf eben auch nur weniger rausfließen", so seine Begründung in einem Interview. Kritik dazu kam prompt von staatlichen Stellen und Umweltschützern: zu aufwändig, nicht finanzierbar, ein zu großer Eingriff in die Natur. Einige Infrastrukturmaßnahmen dagegen sind schon unterwegs: Im Bundesverkehrswegeplan ist vorgesehen, die Fahrrinne von Duisburg aus 50 Kilometer flussaufwärts zu vertiefen, daneben ist eine Optimierung der Abladetiefe am Mittelrhein geplant. "Das würde auch in Richtung Mosel, Neckar und Main ausstrahlen", sagt BÖB-Präsident Zimmermann. Doch diese Maßnahmen könnten zu spät kommen. "Der Planungshorizont 2030 ist viel zu lang", bemängelt RheinCargo-Geschäftsführer Eckel. Positive Impulse erwartet die Branche vom Masterplan Binnenschifffahrt, den der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Mai vorstellen wird. RheinCargo-Chef Eckel sieht nur eine Lösung: "Die Verkehrsträger müssen langfristig noch stärker kombiniert werden." Hier können die Binnenhäfen eine elementare Rolle übernehmen. Als eine Möglichkeit schwebt Eckel vor, Ladungen aus Südosteuropa zunächst per Bahn vorzuholen, um sie dann über die Binnenhäfen auf das Schiff umzuladen. "Ziel sollte sein, feste Mengenkontingente - losgelöst von nautischen Verhältnissen auf den Wasserstraßen - in der Kombination Binnenschiff/Bahn abzuwickeln." Den Verkehrsträger erst dann zu wechseln, wenn es Unregelmäßigkeiten gibt, könne für alle Beteiligten dauerhaft nicht von Interesse sein. Bleibt die Frage: Wird auch dieses Jahr wieder ein Rekord-Niedrigwasser bringen? Meteorologen schließen das nicht aus. Der britische Wetterdienst MetOffice hat errechnet, dass ein Dürresommer wie 2018 in Mitteleuropa früher im Schnitt nur alle 245 Jahre auftrat; mittlerweile müsse man alle acht Jahre damit rechnen. Alarmstimmung herrscht in der Binnenschifffahrt dennoch nicht. "Wir werden es stärker mit Niedrigwasser zu tun bekommen", so RheinCargo-Chef Eckel. 2018 sei eine Verkettung ungünstiger Umstände gewesen, deren negative Auswirkungen die Branche unter großen Anstrengungen begrenzen konnte. Mehr zum Thema im Dossier Binnenschifffahrt www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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