Die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen wird in Deutschland schon lange kontrovers diskutiert. Mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine nimmt das Thema wieder Fahrt auf. Durch eine geringere Geschwindigkeit sollen Fahrzeuge weniger Kraftstoff und damit weniger importiertes Öl aus Russland verbrauchen. Was bringt ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen?
Behauptung: Ein Tempolimit auf der Autobahn macht Deutschland weniger abhängig von russischen Öl-Importen.
Bewertung: Das stimmt, der Kraftstoffgesamtverbrauch von Autos sinkt jedoch nur um etwa 1,5 bis 4 Prozent.
Fakten: Deutschland hat im Jahr 2021 etwa 81 Millionen Tonnen Rohöl importiert. Davon kamen 35 Prozent aus Russland, also gut 28 Millionen Tonnen. Aus einem Liter Rohöl werden im Durchschnitt in deutschen Raffinerien nach Expertenangaben etwa 0,2 bis 0,35 Liter Sprit hergestellt, je nachdem, ob es sich um Benzin oder Diesel handelt. Bis Ende 2022 will Deutschland in diesem Bereich nahezu unabhängig von Russland sein.
Land der unbegrenzten Geschwindigkeit
Alleine Autos haben in Deutschland im Jahr 2020 nach vorläufigen Angaben des Bundesverkehrsministeriums 23,82 Milliarden Liter Benzin und 18,3 Milliarden Liter Diesel verbraucht. Der Verkehrsbereich bietet also große Einsparpotenziale beim Ölverbrauch.
Oft ist von einem Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen die Rede, die insgesamt etwa 13.000 Kilometer lang sind. Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) liegt der Anteil von Strecken ohne Geschwindigkeitsbegrenzung am gesamten Autobahnnetz bei 70 Prozent. Das heißt: Auf gut 9000 Autobahnkilometern gibt es keine Geschwindigkeitsbegrenzung.
Allgemein gilt: Je schneller ein Fahrzeug unterwegs ist, desto mehr Sprit fließt durch den Motor. Ein Grund ist der Luft- und Roll-Widerstand, der sich mit zunehmender Geschwindigkeit erhöht. Das heißt im Umkehrschluss: Je eingreifender ein Tempolimit umgesetzt wird, desto weniger hoch sind Kraftstoffverbrauch und Umweltbelastung.
CO2-Ausstoß und Kraftstoffverbrauch
Wer Sprit verbraucht, schädigt dabei immer mit Kohlendioxid (CO2) aus dem Auspuff die Umwelt - und beide Mengen helfen bei der Berechnung der Einsparung. Die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren erklärt dazu: "Wenn ein Fahrzeug einen Liter Benzin verbraucht, stößt es etwa 2,37 Kilogramm CO2 aus. Wurde Diesel getankt, sind es 2,65 Kilogramm CO2."
Das Umweltbundesamt (UBA) betrachtet Benzin- und Diesel-Pkw auf Autobahnen nicht getrennt, "da die CO2-Emissionen der durchschnittlichen und damit typischen Fahrzeuge in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit sehr ähnlich sind". Daher liegt den folgenden Rechnungen die Annahme zugrunde, dass beim Verbrauch von einem Liter Benzin 2,5 Kilogramm CO2 entstehen.
Zur Einordnung: Das Auto ist in Deutschland das meistgenutzte Fortbewegungsmittel. 57 Prozent aller Wege werden im Auto zurückgelegt, in ländlichen Regionen sind es 70 Prozent. Das geht aus dem Ergebnisbericht "Mobilität in Deutschland" hervor. Nach Angaben des UBA verursachten Pkw und leichte Nutzfahrzeuge im Jahr 2020 auf Autobahnen in Deutschland Treibhausgasemissionen in Höhe von rund 30,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Der Begriff dient als Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase.
Im Detail: Die Berechnungen haben ergeben, dass Tempo 130 auf Autobahnen 1,5 Millionen Tonnen an CO2 und damit 600 Millionen Liter Sprit einsparen würde. Während es sich beim CO2-Ausstoß um etwa fünf Prozent der Gesamtmenge handelt, sinkt der Kraftstoffgesamtverbrauch von Autos durch diese Maßnahme nur um knapp 1,5 Prozent.
Reichen 130 km/h?
Größere Potenziale zu Einsparungen gelingen nur mit drastischeren Tempolimits: Bei maximal Tempo 120 auf der Autobahn würden die Emissionen laut UBA um jährlich 2,0 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente reduziert - umgerechnet sind das 800 Millionen Liter Kraftstoff. Bei einem Tempolimit von 100 km/h sind es 4,3 Millionen Tonnen CO2 - immerhin gut 1,7 Milliarden Liter Sprit, also etwa 4 Prozent des Gesamtverbrauchs von Autos.
Die Umweltbehörde weist daraufhin, dass die Fahrleistung im Jahr 2020 durch das Coronavirus bedingt niedriger ausfiel als in den Vorjahren.
Zum Vergleich: Mit den Werten von 2018 ging das UBA bei Tempo 130 von einer Einsparung von 1,9 Millionen Tonnen CO2 aus, bei 120 von 2,6 Millionen Tonnen und bei 100 von 5,4 Millionen Tonnen. Würden auch die im Ausland getankten und in Deutschland genutzten Kraftstoffe eingerechnet, läge der Effekt laut UBA "um 14 Prozent höher". (jl/ste/dpa)