"Es wird Zeit, wieder Geld zu verdienen"

Was reizt Sie an dem Job des Präsidenten des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV)? Mich reizt unsere Branche seit 30 Jahren. In den letzten Jahren habe ich im Ehrenamt im DSLV gesehen, dass man etwas bewegen kann. Als Mathias Krage signalisierte, dass er nicht mehr als Präsident kandidiert und ich gefragt wurde, habe ich Ja gesagt. Hat Ihr Engagement auch etwas mit Ihrer Vergangenheit zu tun? Grenzen überschreiten, sich nicht mit dem abfinden, was einem vorgesetzt wird. Sie spielen auf meine Flucht aus der damaligen DDR an. Natürlich hat mich das geprägt. Ich bin damals mit leeren Händen in Hamburg angekommen. Die Branche hat mir danach unheimlich viel gegeben. Das ist womöglich anders als bei einem Unternehmer, der im elterlichen Betrieb groß geworden ist. Ich habe jetzt das Gefühl, dass ich auch etwas zurückgeben möchte. Das ist mir die Sache aber auch deshalb wert, weil ich den Eindruck habe, mit dem DSLV Einfluss nehmen zu können. Fordern Sie eine solche Einstellung auch von Ihren Kollegen ein? Einfordern kann ich so etwas nicht. Denn ehrenamtliche Tätigkeit ist mit Zeit verbunden, die man in der Speditionsbranche häufig nicht hat. Aber ich appelliere an alle, sich zumindest durch eine Verbandsmitgliedschaft für unsere Branche zu engagieren, um mit einer Stimme für die Spedition sprechen zu können. Wenn man eine neue Aufgabe übernimmt, hat man auch Vorstellungen, was anders werden soll. An welchen Stellschrauben im DSLV wollen Sie drehen? Zum einen möchte ich betonen, dass mein Vorgänger einen sehr guten Job gemacht hat und der DSLV hervorragend aufgestellt ist. Aber in der Tat gibt es Themen, über die ich mir Gedanken gemacht habe. Der Verkehrsträger Schiene liegt mir als amtierender Vorsitzender unseres Fachausschusses Schienengüterverkehr natürlich am Herzen. Wenn sich am Ende meiner Amtszeit als Präsident der Modal Split zugunsten der Schiene entwickeln konnte, würde mich ein solcher Erfolg zufriedenstellen. Da wird der eine oder andere Lkw-Spediteur seine Nase rümpfen und denken: Und wir? Ich spreche von Verlagerung des Verkehrsmengenwachstums, ohne dass Aufkommen anderer Verkehrsträger zu beschneiden. Die Zeit ist günstig für solche Veränderungen, weil die meisten Spediteure zusätzliche 25 Prozent Mengenwachstum auf der Straße nicht mehr werden bewältigen können. Was muss sich schnellstens bei der Schiene ändern, damit sie wieder auf einen Wachstumskurs zurückkehrt? Einiges. Die beschlossene Trassenpreishalbierung kann helfen, wenn sie den Markt auch erreicht. Die analoge und digitale Qualität muss steigen. Und das Schienennetz muss so ausgebaut werden, dass auch 740 Meter lange Güterzüge wirtschaftlich fahren können. Die Leistungen der Bahn lassen immer wieder zu wünschen übrig. Züge kommen einen Tag später an, die Kunden erhalten keine Informationen, wo sich ihre Einheiten befinden. Können Sie tatsächlich ruhigen Gewissens Ihren Kollegen den Umstieg auf die Bahn empfehlen? Ja. Als Spediteur nutze ich die Schiene. Unsere Pünktlichkeitsquote beispielsweise auf der Kurzstrecke Hamburg - Berlin ist besser als die des Lkw. Ich bin zuversichtlich, dass Speditionen mit entsprechender Sendungsstruktur mit der Schiene qualitativ genauso anbieten können wie auf der Straße. Die Bedingungen auf der Straße hingegen verschlechtern sich eher. Es gibt kaum eine Spedition, die nicht über Fachkräfte- und vor allem Fahrermangel klagt. Ist dieser Mangel das größte Problem der Branche? Der Fachkräftemangel ist sicher für alle Speditionen eine große Herausforderung. Aber es fehlt in allen Branchen an Personal. Wenn nicht der Fachkräftemangel ganz oben auf Ihrer Prioritätenliste steht, was dann? Die digitale Transformation, der Zustand der Infrastruktur und der Klimaschutz. Investiert der Staat genug, um den Zustand der Verkehrswege in Deutschland zu verbessern? Es stehen immerhin 15 Milliarden Euro pro Jahr im Verkehrshaushalt für Investitionen zur Verfügung. Die Versäumnisse der Vergangenheit fallen uns jetzt auf die Füße. Jetzt ist das Geld da und der Staat muss Planungskapazitäten aufbauen. Durch Gründung der Verkehrsinfrastrukturgesellschaft sind wir aber auf dem richtigen Weg. Warum ist der Klimaschutz so wichtig? Er hat Einfluss auf zukünftige Antriebstechniken. Der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Gerhard Schulz, hat auf dem DSLV-Unternehmertag auf die geplante CO2-Maut sowie auf Pläne der Bundesregierung für ein Klimaschutzgesetz hingewiesen, das 2019 kommen soll. Inhalte kennen wir noch nicht. Doch können damit durchaus existenzielle Fragen für Speditionen verbunden sein. Unternehmen, die heute in neue Fahrzeuge investieren, haben keine Planungssicherheit, weil sie nicht mit Restwerten ihrer Flotten oder mit klaren Daten über Steuern oder Abgaben rechnen können. Der Staat verändert nicht nur die Struktur der Mauterhebung, sondern zieht die Schrauben immer stärker an. Wird der Lkw damit zur Melkkuh gemacht? Es scheint politischer Wille, dass der Lkw zur Melkkuh gemacht wird. Das müssen wir natürlich korrigieren, gleichwohl müssen Spediteure Zusatzbelastungen nachvollziehbar auch an ihre Kunden weiterleiten. Denn sie sind die Quellen des Verkehrs. Gelingt das Durchreichen bei der aktuellen Mautausweitung? Verlader sind momentan sehr aufmerksam bei Vertragsverhandlungen, denn sie sind angewiesen auf eine reibungslose Logistik. Ich persönlich kenne keinen Kunden, der wegen der Mautanhebung ein bestehendes Logistik-Projekt platzen lässt und sich einen neuen Dienstleister sucht. Welchen der verschiedenen alternativen Antriebe beim Lkw favorisieren Sie? In unserem Unternehmen setzen wir auf CNG-Antrieb. Aber mir ist klar, dass Biogas aus anaerober Vergärung von Getreidestroh, das wir als Treibstoff nutzen, nicht reichen wird, um damit Deutschlands Lkw-Flotte anzutreiben. Wie viele solcher Lkw setzen Sie ein? Derzeit sind es vier von 100 Fahrzeugen. Aber die nächsten Lkw werden auch CNG-Antriebe haben. Schon deshalb, weil unsere Kunden dies befürworten. Einen weiteren positiven Effekt, den wir nicht geplant haben: Auch unsere Fahrer sind begeistert von der Technik und wollen diese Lkw fahren. Führt der Mangel an Fachkräften und Fahrern dazu, dass das Wachstum in der Spedition geringer ausfällt? Wachstum scheitert heute fast ausschließlich an fehlenden Mitarbeitern. Ich bekomme die Immobilie, die Lkw, alles ist da, nur die Menschen fehlen, vor allem Fahrer. Aber der Mangel zieht sich leider durch alle Berufsgruppen unserer Branche. Bleiben auch Sendungen stehen? Ja, aber das betrifft nicht nur den Lkw. Im Schienengüterverkehr sieht es nicht besser aus: Es bleiben ganze Züge stehen, wenn ein Lokführer aus Krankheitsgründen ausfällt und kein Ersatz verfügbar ist. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des BDI Holger Lösch hat in einem Interview mit der VerkehrsRundschau darauf hingewiesen, dass es in Osteuropa noch ein großes Potenzial an Lkw-Fahrern gibt. Hat er recht und wird das Problem größer gemacht, als es ist? Auch ich warne davor, das Problem in den Mittelpunkt zu rücken und die Branche damit in eine Krise zu reden. Allerdings: In Osteuropa Fahrer zu rekrutieren funktioniert nur begrenzt, auch weil die Qualifikation nicht immer Kundenvorstellungen entspricht. Aber ohne die Unterstützung ausländischer Flotten funktioniert die deutsche Logistik nicht mehr. Macht der DSLV genug zur Bekämpfung des Fahrermangels? Wir müssen darauf achten, dass wir zum Schluss nicht die Branche in Deutschland sind, die am stärksten unter Personalmangel leidet. Das ist eine Aufgabe, die ich mir als Präsident auf die Fahne schreibe. Bessere Abläufe an den Rampen der Verlader könnten dazu beitragen, die wertvolle Ressource Fahrer zu entlasten. Was ging Ihnen als erster Gedanke durch den Kopf, als Sie davon hörten, dass Lidl gegen Bezahlung eine Expressabwicklung anbietet? Mein Gedanke war: Super, sie können ihre Rampe ja offensichtlich organisieren. Wenn man den Brennpunkt Rampe entschärfen kann, sollte man hier auch ansetzen. Wer diese Kosten dann trägt, muss man von Fall zu Fall entscheiden. Aber ich als Spediteur bezahle gerne für ein Zeitfenster, das dann auch 100-prozentig eingehalten wird, wenn ich mit diesen Kosten tatsächlich kalkulieren kann. Verlässt der Lkw aber einmal nach 60 Minuten und das andere Mal nach sechs Stunden das Gelände des Warenempfängers, kann ich nicht mehr planen. Dann lieber Geld für etwas zahlen, was tatsächlich geleistet wird, als der unsägliche Zustand, den wir heute haben. Muss der Rampenbetreiber sich stärker um diesen Flaschenhals kümmern als derzeit? Ja, vor allem auch bei der jetzigen Auftragslage, die es Dienstleistern auch erlaubt zu sagen: Ich mache das Spiel nicht mehr mit. Wird nicht mehr ganz so häufig ausgeschrieben wie früher? Das hören wir vermehrt. Als Ausschreibender muss man ja damit rechnen, dass die Ergebnisse nicht so sind, wie man sie sich wünscht, oder sich gar kein Interessent zu den Konditionen meldet. Ist das die Botschaft an die Verlader: Der Transport wird teurer, und zwar deutlich? Wenn man neben dem Fahrermangel noch die Lkw-Maut und die steigenden Kraftstoffpreise hinzufügt, deuten alle Faktoren auf eine solche Entwicklung hin. Zumal die Unterbietungs-Mentalität unter Wettbewerbern derzeit gar nicht notwendig ist. Deshalb sehe ich auch einen positiven Effekt für Speditionen, die sich von schlechten Aufträgen trennen können. Preisanhebungen sind berechtigt. Als ich 1990 bei Zippel anfing, lagen die Preise für Container auf der Relation Hamburg/Berlin/Hamburg bei 1200 Mark. Heute liegen sie bei 600 Euro, nach 28 Jahren faktisch der gleiche Preis. Der Anschaffungspreis eines Lkw ist doppelt so hoch, der Fahrer verdient das Dreifache, die Dieselpreise sind immens gestiegen, nur die Frachtraten nicht. Wir haben alle Effizienzpotenziale ausgeschöpft. Es wird Zeit, wieder Geld zu verdienen. Sie sind mit Ihrem Unternehmen stark in den sozialen Medien präsent und wagen auch neue Formen des Marketings. Wird das auch ein Feld sein, bei dem Sie im DSLV auf Änderungen dringen werden? Als Unternehmen muss man mittlerweile auf allen Kanälen aktiv sein. Gleiches gilt für einen Verband. Ich habe den Eindruck, dass es für den DSLV noch Möglichkeiten zur Verbesserung gibt, um eine breite Öffentlichkeit für die Themen der Spedition zu erreichen, jüngere Leute zu begeistern oder neue DSLV-Mitglieder zu gewinnen. Dann wird es künftig nach dem Vorbild in Ihrem Unternehmen keine Filme mit "Axel und Axel" auf YouTube geben, dafür aber Filme mit "Axel und Frank"? Gute Idee (lacht). Die Filme lauten dann aber: "Wir heißen DSLV." Nein, Spaß beiseite, darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ausschließen würde ich so etwas grundsätzlich nicht, aber ich bin nicht der Einzige, der darüber entscheidet. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier DSLV www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Axel PlaßAxel Plaß wird geboren am 30. April 1966 in Hagenow (Mecklenburg-Vorpommern). In der damaligen DDR macht er Abitur und eine Ausbildung zum Landwirt. Danach beginnt er ein Studium der Pädagogik an der Humboldt-Universität in Berlin. Im Sommer 1989 gelingt Plaß dann die Flucht über Ungarn und Österreich nach Deutschland. Dort heuert er bei der Spedition Konrad Zippel zunächst als Fahrer an, wird Disponent und ist seit 2000 geschäftsführender Hauptgesellschafter der Zippel-Gruppe.2007 holt Plaß Axel Kröger in das Unternehmen und macht ihn zum Geschäftsführer und Mitgesellschafter. Gemeinsam haben die beiden Axels seit 2016 den YouTube-Kanal "Wir heißen Axel". Jeden Montag parlieren die Geschäftsführer ungezwungen in ihrem umgebauten IFA W 50 über aktuelle Speditions- und Wirtschaftsthemen. Diese Woche ist Folge 118 erschienen. Über 1500 Abonnenten konnten die beiden mit ihrem Talk mittlerweile zum Zuschauen gewinnen. Plaß gehört dem Präsidium des DSLV seit 2016 an. Auf der Jahrestagung des Verbandes in München wurde er vor zwei Wochen zum Präsidenten gewählt. Zudem ist Plaß seit 2015 Vorsitzender des Fachausschusses Schienengüterverkehr im DSLV. cd Daten & Fakten DSLVDer Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) vertritt nach eigenen Angaben über seine 16 Landesverbände etwa 3000 Mitgliedsbetriebe mit 580.000 Beschäftigten. Auf seiner Jahrestagung in München im September hat die Mitgliederversammlung beschlossen, dass DSLV-Präsidium von fünf auf drei Mitglieder zu verkleinern. Zu dem Präsidium gehören neben Plaß sein Vorgänger Mathias Krage, geschäftsführender Gesellschafter der Spedition Krage, und Johannes Offergeld, geschäftsführender Gesellschafter der Spedition A. Offergeld. Zudem wurde ein erweitertes Präsidium eingerichtet, dem die Vorsitzenden der DSLV-Fachausschüsse angehören. cd

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