DSV kauft DB Schenker: Der Mega-Deal

Beben im Speditions- und Logistikmarkt: DSV setzt sich im Bieter-Wettstreit um DB Schenker durch. Für 14,3 Milliarden Euro wird der dänische Logistikkonzern die Deutsche-Bahn-Tochter übernehmen. Vorausgesetzt der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn und die Kartellbehörden stimmen dem Verkauf zu (Stand der Redaktion 20. September 2024). Mehr als 20 Mit-Interessenten hatten seit Dezember 2023 um den Kauf des Traditions-Unternehmens gerungen. Darunter namhafte Branchengrößen wie etwa Deutsche Post DHL, Maersk und MSC, Finanzinvestoren wie Carlyle, aber auch arabische Akteure wie Bahri Logistics und die in Abu Dhabi ansässige Investitions- und Holdinggesellschaft ADQ, um einige Namen zu nennen. Am Ende war es ein Kopf- an Kopf-Rennen zwischen DSV und Finanzinvestor CVC. Noch gibt sich der unterlegene Bieter indes nicht geschlagen und fordert laut aktuellen Medienberichten eine Nachprüfung (Stand 18. September). Sprich: der Verkauf Schenkers an DSV könnte noch gestoppt werden. Fest steht aber jetzt schon: „Der DSV-Schenker-Mega-Deal wird nicht nur Schenker gravierend verändern, sondern auch den Speditions- und Logistikmarkt insgesamt – sowohl in Deutschland als auch weltweit“, sagt Cornelius Geber, Geschäftsführender Gesellschafter der CG Beteiligungs- und Management GmbH in Hamburg. DSV sei ein sehr erfolgreiches, global schnell wachsendes Unternehmen, straff organisiert mit einem hervorragenden IT-Netzwerk. Und dank Schenker verstärke sich der Konzern weltweit in der See- und Luftfracht, aber auch im europäischen Landverkehr. Neue Machtverhältnisse im Speditions- und Logistikmarkt So zählte DB Schenker laut der „Top 100 der Logistik“ der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS im Jahr 2022 (aktuellere Zahlen werden im Oktober veröffentlicht) zu den Top Ten der größten Logistikdienstleister in Europa. „DSV A/S war im Jahr 2022 – gemessen an dem europäischen Logistikumsatz – der viertgrößte Logistikdienstleister in Europa. Mit einem gemeinsamen Umsatz – angenommen die Umsätze bleiben stabil, würde DSV A/S laut dem Fraunhofer IIS durch die Übernahme von DB Schenker von Rang 4 auf Rang 2 hinter DHL vorrücken und sich zum zweitgrößten Logistikdienstleister in Europa entwickeln“, sagt Raphael Leicht vom Fraunhofer IIS. Auch weltweit würde DSV die Umsätze von etwas über 20 Milliarden Euro auf knapp 40 Milliarden Euro fast verdoppeln. „Und mit diesem Umsatzvolumen, vorausgesetzt dieser bleibt nach dem Merger stabil, katapultiert sich der dänische Logistikkonzern vermutlich sogar in die Top-5-Liga weltweit - neben UPS, FedEx, DHL und Maersk“, ergänzt Professor Martin Schwemmer von der Hochschule Heilbronn. Vor allem im Stückgut-Segment wird sich DSV dank Schenker ordentlich nach vorne schieben. So sei der dänische Konzern noch im Jahr 2019 in diesem Geschäftsfeld in Deutschland die Nummer sieben gewesen, weiß Schwemmer. „Mit Schenker zusammen könnte es DSV – neben Dachser - sogar an die Umsatz-Spitze im deutschen Stückgutmarkt schaffen.“ Auch im Komplettladungs-Geschäft (FTL) in Deutschland werden die Karten hierzulande nun neu gemischt. Bislang sei hier die Deutsche Bahn inklusive Schenker mit gemeinsam rund 2,4 Milliarden Euro jährlichem Umsatzvolumen (2019) der unangefochtene FTL-Champion gewesen, berichtet der Logistikexperte. Nun werde der „DSV-DB Schenker-Konzern“ die neue Nummer eins werden. Außerdem rücke DSV inklusive der Schenker-Aktivitäten auch im See- und Luftfrachtgeschäft umsatzmäßig in Deutschland nun an Kühne + Nagel heran und wird sicherlich Ambitionen auf den ersten Rang haben. Alles dies aber nur unter der Prämisse, betont Schwemmer, dass DSV seinen Umsatz halten könne, was immer auch davon abhänge, wie Kunden auf den Deal reagieren, und wie gut zum Beispiel der Integrationsprozess vonstattengehe. Bei der Umsatzbetrachtung „1+1=2“ zu rechnen sei deshalb also nur eine Näherung. DSV und Schenker: Überlappungen in den Netzwerken? „Der Landverkehr von Schenker ist ein echtes, flächendeckendes Asset“, sagt Cornelius Geber, vormals Top-Manager des Kühne + Nagel-Konzerns. Allerdings gäbe es an etlichen Standorten mit Schenker wohl Doppelbesetzungen oder Überlappungen in den Netzwerken. „Das wird sicherlich den einen oder anderen treffen, wenn Büros zusammengelegt oder geschlossen werden sollten.“ Denn DSV habe in der Vergangenheit gezeigt, wie profitables auch organisches Wachstum durch effizientes Projektmanagement erzielt werden könne, inzwischen teilweise als Best-Market-Performer der Branche. „Als Käufer wird DSV die potenziellen Skalen-Effekte, die dank des zusätzlichen Schenker Volumens erzielbar sind, natürlich schnellstmöglich heben wollen“, erwartet Geber. So habe DSV einen sehr erfolgreichen Track-Record bei der Übernahme von Firmen, auch durch schnelles, konsequentes Zusammenlegen von Strukturen. Das hätten die Übernahmen von ABX Logistics (2008), UTI Worldwide (2015) und Panalpina (2021) durch DSV in den vergangenen Jahren gezeigt. „Die Namen dieser Unternehmen sind konsequenterweise schnell vom Markt verschwunden.“ Und es sei anzunehmen, dass DSV - möglicherweise mit zeitlichem Verzug - bei der Integration von Schenker ähnlich vorgehe wie bei Panalpina. Dass aber dadurch bei Schenker 30 Prozent der Stellen gekappt werden, wie nach der Übernahme von Panalpina vor zwei Jahren geschehen, bezweifelt Geber: „Das ist reine Spekulation.“ Denn mit dem Verkauf seien sicherlich auch gewisse Bestandsgarantien mit der DB und Arbeitnehmervertretern vereinbart worden. Außerdem sei Schenker als Marke weltweit mit langer Tradition sehr etabliert, erklärt er. Zudem verfüge das Unternehmen über ein interessantes Kundenpotenzial und gut ausgebildete Mitarbeiter, die auch für Wettbewerber von Interesse sein könnten. DSV habe deshalb vor der Akquisition sicher überlegt, führt Geber aus, wie man den Unternehmenswert erhalten beziehungsweise noch steigern könne. Beben in den Speditionskooperationen Die für viele kleinere und mittelständische Transport- und Speditionsunternehmer in Deutschland noch viel spannendere Frage ist: Zieht DSV nun im Zusammenspiel mit den Schenker-Standorten hierzulande sein eigenes Stückgutnetz auf? Und wenn ja, wie wirkt sich das auf die Stückgutkooperation IDS Logistik aus, und vor allem welche Folgen hat dies dann für andere Speditionsverbünde wie CargoLine, VTL & Co.? Hintergrund ist: noch ist DSV in Deutschland nicht mit eigenem Stückgutnetz vertreten, sondern wickelt als IDS-Logistik-Gesellschafter seine Sendungen über das Netz der IDS-Kooperation ab, an der unter anderem auch Kühne + Nagel, Geis Group und Andreas Schmid Logistik als Gesellschafter beteiligt sind. „Insgesamt sieben DSV-Niederlassungen sind Teil des IDS-Stückgutnetzes – konkret an den Standorten Osnabrück, Krefeld, Homburg/Saarland, Baunatal bei Kassel, Aschaffenburg und Schwieberdingen bei Stuttgart sowie Lahr/Schwarzwald“, erklärt Jochen Eschborn, Vorstand des Ladungsverbundes Elvis AG. „Das sind alles große Häuser, die DSV in den vergangenen 20 Jahre durch Zukäufe von namhaften Mittelstands-Speditionen wie VTA, Konz oder Steinle & Co. erworben hat.“ Eschborn muss es wissen, er war lange Jahre Geschäftsführer von DFDS Transport, dem Vorgängerunternehmen von DSV. „Wenn DSV als Gesellschafter bei IDS Logistik aussteigt, brechen der Stückgutkooperation also sieben Standorte in Deutschland weg.“ Gleichwohl wisse derzeit noch keiner, sagt er, ob und wann das Szenario eines eigenen DSV-Stückgutnetzes eintritt. Große Nervosität im Markt So gesehen ist der DSV-Deal auch für Kühne + Nagel laut Eschborn eine Herausforderung. Denn nach wie vor verfüge K + N in Deutschland über kein eigenes Stückgutnetz, sondern wickele als Gesellschafter der IDS seine Sendungen über das Netz der IDS Logistik ab. „Die Nervosität im Markt ist deshalb groß“, weiß der Elvis-Vorstand. „Alle Szenarien sind denkbar, sofern DSV als Gesellschafter aus IDS ausscheiden sollte.“ Möglich sei auch, sagt Eschborn, dass einzelne Gesellschafter aus Speditionsverbünden ausscheiden und in andere wechseln. Noch sei das alles reine Spekulation, betont er. Sicher ist für ihn aber eines: „In der Speditionslandschaft wird es Unruhe und Veränderungen geben.“ Was Eschborn für problematisch hält. Ist die Tatsache, dass es nach den großen Netzwerken wie der IDS Logistik, CargoLine und NG. Network (vormals System Alliance) nur noch kleinere Speditionsverbünde gebe. „Möglicherweise sind diese zu klein“, formuliert es der Elvis-Vorstand, „um die Masse an Sendungsmengen in Deutschland verteilen zu können, die es zum Beispiel im Herbstgeschäft und im anstehenden Weihnachtsgeschäft gibt.“ Sein Rat deshalb: „Um die Netze stabil zu halten, müssten die Stückgutkooperationen jetzt also dringend miteinander sprechen“, appelliert Eschborn. Kauft Kühne + Nagel im Stückgutmarkt zu? Hilfe könnte indes aus ganz anderer Ecke kommen. Das erwartet zum Beispiel Cornelius Geber. „Für Kühne + Nagel ist das möglicherweise eine willkommene Chance noch weiter zu expandieren und sich im Stückgutmarkt, auch durch Zukäufe zu verstärken, um so die eventuellen entstehenden Lücken im IDS-Netz zu schließen“, formuliert er es. „Die Möglichkeiten dafür sind zweifellos vorhanden“. Und vielleicht springt der Schweizer Speditions- und Logistikkonzern noch weiter und übernimmt sogar ein gesamtes Stückgutnetz, wie einige Branchenkenner spekulieren Doch das ist eine andere Geschichte. Die Verkehrsrundschau wird auch darüber berichten. Kommt es zum Schulterschluss IDS Logistik und Cargoline? Was der DSV-Schenker-Deal für den deutschen Stückgutmarkt, insbesondere die Kooperationen bedeutet, sagt Joern Peter Struck, Geschäftsführer der Cargoline in Frankfurt/Main: Was bedeutet der Deal DSV-Schenker für Kühne + Nagel? Kühne + Nagel (KN) ist jetzt natürlich im Zugzwang, seine Marktposition weiter auszubauen, insbesondere hier im deutschen Markt. Denn KN ist ja, wie bislang DSV auch, Gesellschafter der Stückgutkooperation IDS Logistik. DSV hätte ja nun dank Schenker sein eigenes Stückgutnetz in Deutschland. Die spannende Frage ist: wie lange bleibt DSV Gesellschafter von IDS? Und Kühne + Nagel wird sich überlegen müssen, ob es den gleichen Weg des eigenen Netzwerkes gehen will wie DSV. Das Ganze hängt natürlich von den Gesellschafter-Verträgen mit IDS ab. DSV ist bislang mit sieben Standorten im IDS-Netz vertreten. Muss jetzt Cargoline oder aber auch eine andere Kooperation nun befürchten, dass der eine oder andere Kooperationspartner nun aussteigt und zu IDS Logistik wechselt? Ausschließen kann man so etwas nie. Das kommt im Stückgutgeschäft immer wieder vor, dass Gesellschafter oder Partner auch einmal wechseln. Klassischerweise verfahrt man indes so: Wenn Partnerstandorte aus Stückgut-Netzen aussteigen, versucht man dessen Sendungsmengen zunächst auf die benachbarten Gesellschafter aufzuteilen. Problem ist nur, dass DSV über ein recht großes Mengenvolumen je Standort verfügt. So gesehen ist die Konstellation, die Sie schildern, durchaus vorstellbar. Alternativ könnten ja zum Beispiel einige Cargoline-Partner einspringen, falls IDS Probleme hätte die Mengen abzufahren... Das CargoLine-Partner vereinzelt unterstützen kann ich mir gut vorstellen. Ich finde es sinnvoll, wenn da der Mittelstand zusammenhält, und dass diese Mengen von Mittelständlern abgewickelt werden – Stichwort „Zweitkooperation“. Gleichwohl wird es jetzt sicherlich viele Spekulationen im Stückgutmarkt geben: wer jetzt zum Beispiel mit wem zusammen arbeiten wird (lacht). Wird es also jetzt zum Schulterschluss IDS Logistik und Cargoline kommen, über den immer wieder spekuliert wurde? Die Gesellschafter-Struktur unserer Kooperationen ist da zu unterschiedlich. Wie gesagt: sehr viel realistischer ist es, dass die verbleibenden IDS-Gesellschafter wie etwa Kühne + Nagel, Geis Group oder Noerpel darüber nachdenken, ob sie weiter zukaufen bzw. investieren, um die Lücken im Netz zu schließen, die durch den etwaigen DSV-Ausstieg aus der IDS entstehen könnten. Noch ist das alles pure Spekulation. Es ist ja noch nicht einmal klar, wie DSV nun verfährt. Wird der DSV-Deal also die Konsolidierungswelle im Stückgutmarkt weiter verschärfen? Ja, auf jeden Fall. Kühne + Nagel muss jetzt in Deutschland reagieren. Die Gelegenheit ist ja derzeit recht günstig, weil die Erlöse und damit die Attraktivität im Stückgutgeschäft wieder niedriger sind. Letzte Frage: DSV hat soeben die Übernahme von Schenker verkündet. Wie viel Zeit bleibt den Unternehmen im Stückgutmarkt sich da zu sortieren? In Panik muss da keiner verfallen (lacht). Das wird sicherlich dauern, weil die Kartellbehörden der Schenker-Übernahme noch zustimmen müssen, was zum Beispiel in Skandinavien interessant werden wird, da dort sowohl DSV als auch Schenker stark sind. Und dann wird es sicher noch ein halbes Jahr dauern, bis sich die Unternehmen neu sortieren, etwa bezüglich IDS. Bei IDS wird es Verträge geben, die zunächst für Netzsicherheit sorgen.

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