Dieselpreise: In Existenznot

Jetzt also doch: Aufgrund der massiv zunehmenden Energie- und Kraftstoffkostensteigerungen greift die Bundesregierung Bürgern sowie Unternehmen unter die Arme. Das Entlastungspaket werde in diesem Jahr rund 17 Milliarden Euro kosten, kündigte Bundesfinanzminister Christian Lindner kürzlich an. Neben einer Energiepreispauschale von 300 Euro für Arbeitnehmer soll der Preis an den Tankstellen - zunächst für die Dauer von drei Monaten - pro Liter Diesel um 14 Cent und pro Liter Benzin um 30 Cent billiger werden. Danilo Arndt, Juniorchef des Transportunternehmens Arndt Güternah- und Fernverkehr in Zehdenick/Brandenburg, ist trotzdem frustriert: "Das ist für uns ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir brauchen deutlich mehr", moniert der 33-Jährige. In Polen ist der Diesel 70 Cent günstiger Gerade einmal rund eine Stunde Fahrt von der polnischen Grenze entfernt, sitzt sein Unternehmen, das sich mit 50 Lkw vor allem auf Holz- und Baustofftransporte für namhafte Auftraggeber spezialisiert hat. Da spüre er den Wettbewerb unmittelbar, sagt Arndt. "In Polen kostet der Liter Diesel 70 Cent weniger als bei uns, und mit diesen Firmen konkurrieren wir." 2,30 Euro zahlt der Unternehmer pro Liter Diesel aktuell (Stand 22. März). Vor einem Jahr bei Verhandlung seiner Jahreskontrakte habe ihn der Liter Diesel 1,50 Euro gekostet. "Pro Tag und Lkw haben wir also im Moment 80 Euro Mehrkosten, das sind bei 50 Lkw insgesamt 4000 Euro mehr pro Tag", rechnet Arndt vor. Da helfe ihm auch der Dieselfloater nicht, den er mit den Kunden vereinbart habe. "Ich muss ja die Mehrkosten erst vorfinanzieren, bekomme aber erst nach zwei Monaten, wenn der Dieselfloater greift, das Geld von den Kunden überwiesen. Das geht ganz schnell an die Liquidität." Häufig Rückladungspreise im Spotmarkt Wie stark die Dieselkosten in Transportund Speditionsbetrieben zu Buche schlagen, zeigen auch die Zahlen der Spedition Gustke in Rostock, die 120 ziehende Einheiten im Einsatz hat - davon 70 Prozent im Fern- und 30 Prozent im Nahverkehr. Jeden Monat verbrauchen seine Lkw in Summe 260.000 Liter Diesel und Kilogramm LNG, erläutert Stephan Gustke, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. Allein in 2021 haben sich seine Diesel- und Gaskosten - bei einem Preis von 1,08 Euro netto im Schnitt im Jahr 2021 - auf insgesamt über drei Millionen Euro aufsummiert. Und in diesem Jahr dürften es mindestens 4,5 bis 5,0 Millionen Euro sein - bei 1,90 Euro netto im Schnitt (Stand 22. März 2022). 30 Prozent der gesamten Fahrzeugkosten machen bei Gustke allein die Dieselkosten im Fernverkehr aus, im Nahverkehr liegt der Anteil bei 20 Prozent. "Bei festen Verträgen mit Kunden können wir diese Kosten noch, wenn auch versetzt, über den Dieselfloater durchreichen", erklärt Gustke. Auf dem Spotmarkt würden aber meist Rückladungspreise frei verhandelt. Da hänge die Chance, diese Mehrkosten über den Frachtpreis zu decken, also ganz oft vom aktuellen Marktverhältnis zwischen Laderaum und Ladung ab. "Wenn man aber solche Mehrkosten, wie jetzt beim Diesel oder beim LNG, nicht umgelegt bekommt", warnt der Firmenchef, "bedeutet das für jeden Unternehmer schnell den Tod. Denn in unserem Gewerbe erwirtschaften die meisten Transportbetriebe nur zwei bis drei Prozent Umsatzrendite." Wenn etwa bei Gustke die Dieselkosten, die bei ihm etwa 30 Prozent der Fahrzeuggesamtkosten ausmachen, um 50 Prozent zulegen, steigen die Kosten seiner Transporte insgesamt um 15 Prozent. "Um diese decken zu können, bräuchten wir also 15 Prozent höhere Preise", rechnet er vor. "Akzeptieren die Kunden aber nur zehn Prozent Preissteigerung, wären wir bei einer Umsatzrendite von zwei bis drei Prozent schnell pleite." Wissen, wann es ruinös wird "Wir tun also alles dafür", betont Gustke, "um eins zu eins die Dieselkosten zurück zu bekommen." Im Moment tue er fast nichts anderes, als mit Kunden über neue Preise zu sprechen, mit denen er bislang keinen Dieselfloater vereinbart hat. Zudem hat er allen Disponenten Preisuntergrenzen und Zahlen an die Hand gegeben. "Die müssen wissen, zu welchen Preisen wir fahren können, und wann es ruinös wird. Uns allen im Transportgewerbe bleibt nur der Weg", betont er, "die Mehrbelastungen an die Kunden durchzureichen. Sonst sind wir alle weg vom Markt. Selbst ein Unternehmen wie die Spedition Gustke kann schnell einmal weg sein, wenn die Belastungen zu hoch werden und wir nicht reagieren." "Im Moment haben fast alle Betriebe in unserem Gewerbe wegen der hohen Energie- und Dieselpreise Existenzängste", sagt auch Transporteur Arndt. Das habe er gemerkt, als er vor einigen Wochen mit Spediteuren aus dem Raum Berlin/Brandenburg die Idee zu einer Protestfahrt nach Berlin hatte und diese sich in den sozialen Medien sofort verbreitete. "Bei mir stand das Telefon nicht mehr still. Jeder wollte dabei sein. Am Schluss waren wir 500 Lkw, die auf dem Berliner Ring protestierten. Das lief aber ganz friedlich ab. Unsere Fahrer verhielten sich vorbildlich", erzählt er stolz. Selbst die Polizei hätte freundlich zugewunken, und fast alle großen Medien hätten berichtet. Um so enttäuschter sei er jetzt über die Politik, gesteht Arndt. Daher wollte er auch am Montag 28. März bei der Protestaktion dabei sein, zu dem der Landesverband LBBV aufgerufen hat. "Ohne das Transportgewerbe gibt es für die Bürger keine Versorgungssicherheit. Das muss die Politik endlich kapieren." Mehr zum Thema finden Sie unter #Diesel www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Im Transportgewerbe braut sich etwas zusammen: Allein durch die Pandemie war die finanzielle Situation etlicher Betriebe bereits angespannt. Nun exlodieren auch noch die Diesel- und Energiekosten. Warum das gefährlich ist, zeigt der Artikel. Tipps in Zeiten teuren Diesels "In Zeiten teuren Diesels hilft Transportbetrieben nur eines: Sie müssen Kunden eins zu eins die Mehrkosten durchreichen", sagt Daniel M. Giel, Geschäftsführer der Beratung "Speditionsexperten" in Köln. Notfalls müsse man sich von Kunden trennen. Und natürlich sollte man nur Touren fahren, die sich rechnen. Fallweise helfe es auch, Touren an andere zu verkaufen, in deren Konzept diese besser passen."Wichtig ist, die Touren und Auslastung immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Da geht fallweise noch mehr", weiß Giel."Noch sind da zum Beispiel nicht alle Optimierungspotenziale ausgereizt, die die Digitalisierung birgt." Zudem helfe es, günstige Tankstellen und günstige Tankzeitpunkte gezielt in die Tourenplanung zu integrieren - wo noch nicht geschehen. eh „Vielen kleineren Betrieben steht das Wasser bis zum Hals“ Professor Christian Kille, Logistikprofessor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) Viele Tausende Existenzen im Transportgewerbe stehen durch die hohen Energie- und Dieselpreise vor dem Aus, warnte unlängst der Branchenverband BGL. Sehen sehen Sie das auch so? Ich fürchte, die Lage ist teilweise sehr ernst. Vielen kleineren Betrieben steht das Wasser bis zum Hals. Es ist nicht so, dass die Dieselfloater nicht greifen. Doch die Energie- und Dieselpreise stiegen so stark, dass die Dieselfloater nicht so schnell nachziehen können. Zudem war die Finanz-situation vieler Transportbetriebe pandemiebedingt schon vor dem Dieselpreis-Hoch sehr angespannt. Die hohen Kraftstoff- und Energiepreise könnten das Fass nun zum Überlaufen bringen. Immerhin kündigte die Bundesregierung nun ein Entlastungspaket an, das die Situation ent-spannen dürfte – zumindest vorerst. Tun die Auftraggeber da schon genügend? Es gibt etliche Verlader, die Verständnis haben und agieren. Idealerweise, das wäre mein Appell, sollten Kunden ihren Transportpartnern fallweise einen Vorschuss bezahlen, damit diese nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Einige setzen solche Vorschusszahlungen sogar schon um. Einige verkürzen auch ihre Zahlungsziele. Es ist stets die bessere Lösung, wenn sich beide Vertragsparteien auf partnerschaftliche Lösungen einigen, als nach der Politik zu rufen. Und wenn das alles nicht hilft? Kippt dann in Deutschland die Versorgungssicherheit? Noch sind für die Endkonsumenten genügend Bestände, und für die Versorgung des Handels, auch Transportkapazitäten da. Eine bestimmte Anzahl von Insolvenzen im Transportgewerbe ließe sich also abpuffern. Und wenn alles nicht hilft, müssen Auftraggeber eben deutlich teurere Transportpreise akzeptieren. Klar ist aber auch: Das werden sie an den Endkonsumenten durchreichen. eh

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