IAA 2024: Neuer Look und alte Strukturen

Kopfschüttelnd, fallweise auch ziemlich erbost, standen die Abgesandten der europäischen Nutzfahrzeughersteller auf ihren Ständen. Scharen von chinesischen Messebesuchern fielen speziell über die E-Trucks, H2-Verbrenner und Brennstoffzellen-Lkw her, filmten, fotografierten und als Gipfel der Unverschämtheit: enterten die Lkw-Kabine, sperrten von innen ab, demontierten Verkleidungen und verweigerten den Eigentümern den Zugriff. Ob man sich mit solchem Gebaren einen Gefallen getan hat, darf durchaus bezweifelt werden . BEV als einziger Weg Zumal China nur eine Richtung kennt: den batterieelektrischen Antrieb. Etablierte Wettbewerber damit in Zugzwang zu bringen hat beim Pkw schon bestens funktioniert. Warum also nicht auch beim Lkw? Wenigstens hielten die europäischen Hersteller gut dagegen und zeigten in Hannover jede Menge Lösungen, die in Richtung Technologieoffenheit gehen. Denn eines ist klar: Trotz mannigfaltiger Lippenbekenntnisse in Hannover von Volker Wissing oder Robert Habeck zum Ausbau der Ladeinfrastruktur werden wir wohl noch eine ganze Weile mit Diesel, Bio-LNG oder HVO fahren. Tatsächlich zeigte sich im Gegensatz zu 2022, wo ein wahrer E-Mobilitäts-Hype zu beobachten war, 2024 ein breiteres Spektrum. LNG scheint doch nicht tot, vor allem mit dem Bio-Siegel versehen erlebt der Erdgas-Truck eine Renaissance. Nach wie vor halten ihm Iveco, Scania und Volvo die Stange. DAF, Volvo und MAN propagieren den Wasserstoff-Verbrenner, der sinnigerweise inzwischen als CO2-neutral anerkannt ist. Und die Diesel-Fraktion setzt und hofft auf HVO 100. Allerdings muss man kritisch anmerken, dass man bei einigen Ausstellern das Gefühl hatte, sie haben den 2022er-Messestand nur abgestaubt, die Autos neu lackiert und fertig. Das galt weniger für die Trailer-Hersteller, wo man voll auf E-Mobilität setzt. Die EU-Forderungen nach VECTO als CO2-Berechnungswerkzeug sorgen für elektrisch angetriebene Kühlaggregate, Rekuperationsachsen und Palettenkästen mit großen Batterie-Packs. Das übrigens sind Lösungen, bei denen China wenig bis gar nichts vorzuweisen hat. Es gibt sie also noch, die Bereiche, in denen wir die Nase vorn haben. Und interessanterweise hat da auch niemand fotografiert ... Minister-Rundgang Auch wenn die "Ampel" im Transport- und Logistikgewerbe nicht sehr beliebt zu sein scheint, ließ es sich Wirtschaftsminister Rober Habeck nicht nehmen, (s)einen Messerundgang zu machen. Zwischentöne Wir haben ihn bei MAN angetroffen, wo er mit Technik-Vorstand Frederik Zohm und Gesamtvorstand Alexander Vlaskamp ein munteres Interview zum Thema E-Mobilität führte und mal ausprobierte, wie schwer so ein Stecker eines MCS-Chargers ist. Interessanter wären sicher die fünf Minuten gewesen, in denen sich Zohm und Vlaskamp bei ausgeschalteten Mikros mit dem Minister unterhalten haben. Um was es dabei wahrscheinlich ging, lesen Sie in unserem Interview mit Frederik Zohm in der VR-Ausgabe 22/2024. Insgesamt ein Erfolg Wie bereits erwähnt, erfreute sich die Messe guten Zuspruchs - verbunden mit der Hoffnung vieler Hersteller, dass man noch mal ordentlich Aufträge schreibt. Dem Vernehmen nach ist das meist gelungen; auch wenn 80 bis 90 Prozent der Deals bereits vorab besprochen waren, gab's noch ein kleines Sahnehäubchen oben drauf. Die Lage scheint also nicht ganz so schlimm. Der Bedarf an neuen Fahrzeugen sei da, da waren sich viele OEMs und auch Transportunternehmer, mit denen die VR sprach, einig. Man sei eben nur zurückhaltend, weil die "Ampel" nicht eben das Gefühl von Planungssicherheit vermittle ... Ungeachtet dessen vermeldete der VDA als Ausrichter der IAA Transportation stolz, dass 2024 rund 20 Prozent mehr Aussteller als noch vor zwei Jahren in Hannover waren und dass man zwei zusätzliche Hallen belegen konnte. Trotzdem kam man sich, zumindest am Pressetag, an mancher Stelle recht einsam vor. Wie bei so einer Leistungsshow üblich, tummeln sich viele Besucher nur bei den Lkw- und Trailerherstellern. Eröffnet wurde die Messe traditionell vom Bundesverkehrsminister. Volker Wissing erklärte - auch das kam einem wie ein Teil seiner 2022er-Rede vor - die IAA Transportation sei ein "Aushängeschild der Innovationskraft der Branche". Die Politik kenne ihre Aufgabe und schon 2030 soll jeder dritte Kilometer elektrisch zurückgelegt werden, so sein Statement. Immerhin hat die Autobahn GmbH endlich die überfällige Ausschreibung für ein Schnellladenetz an 130 unbewirtschafteten Rastanlagen auf den Weg gebracht. Die Dringlichkeit in dieser Sache unterstrich auch VDA-Präsidentin Hilgegard Müller in ihrer Eröffnungsrede. Die Schere zwischen der Flottenregulierung und der Unterstützung gehe ihrer Einschätzung nach immer weiter auseinander. Müller: "Der Aufbau von Ladepunkten für Nutzfahrzeuge scheitert viel zu oft an den Stromnetzkapazitäten. Spediteure wollen umrüsten, wollen den Wandel und werden dann mit der Realität konfrontiert: Der lokale Netzbetreiber meldet zu oft mehrere Jahre Wartezeit, bis man die notwendigen Kapazitäten bereitstellen könne. Dass hier etwas falsch läuft, ist unstrittig und offensichtlich - entschlossenes Gegensteuern ist also zwingend notwendig!" Unmögliche EU-Ziele Was Müller und Wissing eint, ist die Kritik am Umgang der EU mit den nötigen Rahmenbedingungen für die Dekarbonisierung des Schwerverkehrs. "Europa verliert an Glaubwürdigkeit, weil es Ziele steckt, die es selbst nicht erreichen kann", so Wissing beim Auftakt. Er forderte zeitgleich einen technologieoffenen Ansatz, bei dem der Markt über die besten Lösungen selbst entscheidet. Dass Wissing damit die Hersteller vor nicht unerhebliche Probleme stellt, weil man nicht einen oder zwei, sondern gleich diverse Antriebsvarianten entwickeln muss, steht dabei auf einem anderen Blatt ... Ungeachtet dessen setzt sich der VDA als Vertreter eben jener Hersteller, wie auch das Verkehrsressort des Bundes, für ein frühzeitiges Review der Flottenziele ab 2030 ein: Konkret gab Müller das Jahr 2026 an. Sollte das tatsächlich der Fall werden, gibt es bei der nächsten IAA Transportation, die in eben jenem Jahr stattfindet, sicher abermals genügend Gesprächsstoff. Andererseits muss man durchaus anerkennen, dass die Energieversorger - sowohl die etablierten als auch viele Neugründungen - mit Volldampf am Netzausbau arbeiten. Kooperationen wie von MAN und E.ON, zeitnah unter anderem bei den Servicebetrieben des Münchener Herstellers Ladeinfrastruktur aufzubauen, ist nur eines von ganz vielen Projekten. Testen hilft gegen Angst Auch da scheint es wie anfangs beim Pkw zu gehen: Die Nutzer wollen am liebsten Megawatt-Charger (MCS). Dass es in der Praxis meist auch 400-kW-Charger tun, und davon lieber mehrere, statt eines MCS, wird sich sicher noch herumsprechen. Bei aller Skepsis gegenüber der E-Mobilität beim Truck scheint sich zumindest langsam die Erkenntnis zu verbreiten, dass man doch mal mit einem Lkw und einem 50-kW-Lader auf dem Hof ins Thema einsteigt. Inzwischen - das zumindest eine Erkenntnis aus Hannover - gibt es zahlreiche Anbieter, die beraten können, welche Relationen sich dafür anbieten. Last but not least eine Anmerkung zum "Family-Wochenende", das der VDA stark propagierte: Zumindest am Samstag war der Zuspruch gut, es war deutlich mehr los als vor zwei Jahren. Vor allem die Testfahrten auf und aus dem Gelände kamen gut an und nahmen vielen Teilnehmern die Skepsis vor E-Trucks. Aber mit noch mehr Digitalisierung und konkreter Antriebswende muss sich der VDA für 2026 was einfallen lassen.

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