Die Kapazitäten werden knapper

Tschechien steht hinter Polen auf Platz zwei, vor allen anderen Ländern in der EU, vor den Niederländern, den Franzosen oder den Ungarn und Rumänen: Sieht man sich die Mautstatistik in Deutschland an (und klammert dabei die Inländer aus), wird deutlich, warum im tschechischen Straßentransport von einem "märchenhaften" Aufstieg die Rede ist. Quasi aus dem Nichts heraus erreichten tschechische Lkw in den letzten zehn, zwanzig Jahren 2017 einen Anteil von 4,1 Prozent der gefahrenen Mautkilometer. Unbestritten ein Erfolg für das eher kleine Land.Doch während es im Märchen am Ende üblicherweise heißt "und wenn sie nicht gestorben sind ...", so holen die tschechischen Spediteure im wirklichen Leben doch irgendwann Probleme ein. Ihre größte Sorge würden sie am liebsten in großen Lettern an ihre Auflieger kleben: "Wir suchen händeringend nach Fahrern!"Damit stehen die Tschechen in Mittel- und Osteuropa nicht alleine da. Aber Petr Rozek, Direktor des Speditions- und Logistikverbandes SSL, macht auf eine besondere Schwierigkeit für seine Mitglieder aufmerksam: "Sollte der Straßentransport nicht von der EU-Richtlinie für die Entsendung von Mitarbeitern ausgenommen werden, würden tschechische Unternehmen und ihre Fahrer paradoxerweise härter getroffen als Fahrer aus unseren östlichen Nachbarländern." Rozek erklärt das Dilemma so: "Unterwegs suchen unsere Fahrer Kurzstrecken-Aufträge im Kabotage-Bereich bei unserem nächsten Nachbarn, nämlich Deutschland." Um nicht eine leere Tour zurück nach Tschechien fahren zu müssen, würden oft sogar stark reduzierte Preise akzeptiert. Wegen der Kürze der Fahrstrecke seien die Preise aber für tschechische Spediteure sowieso schon sehr knapp kalkuliert, was wiederum den Spielraum für Preisnachlässe stark einschränke.Tschechische Politiker haben laut Rozek ihr Bestes gegeben, um diese Position in Brüssel darzustellen, seien aber "logischerweise von einigen anderen Mitgliedern der 13er-Gruppe in der EU" alleingelassen worden. Gemeint sind die 13 "neuen" EU-Mitgliedsländer. Bitterkeit klingt aus diesen Worten. Aber das ist noch nicht alles: Ein erheblicher Teil des Lohnes für einen Lkw-Fahrer wird als Bonus steuerfrei in Euro ausgezahlt - nur das Grundgehalt in tschechischen Kronen. Rechnet man beide Beträge zusammen, kommen tschechische Fahrer laut Rozek durchschnittlich schon beinahe auf das vom deutschen Mindestlohngesetz (MiLoG) vorgeschriebene Niveau. "Wenn wir jetzt den Gesamtlohn steuerpflichtig machen, würde die Attraktivität der Branche zurückgehen und der jetzt schon bestehende Mangel sich noch weiter verschlimmern", warnt der Verbandschef. Tatsächlich ergeben anonyme Umfragen in der Branche, dass Gesamtlöhne von umgerechnet 1500 Euro pro Monat und mehr für tschechische Lkw-Fahrer keine Seltenheit sind.Vorteil: die Nähe zu DeutschlandBernard Bauer, Vorstand der deutsch-tschechischen Industrie- und Handelskammer (AHK Tschechien), hält dagegen: "Tschechien ist im Bereich Transport & Logistik aus deutscher Sicht auch so interessant wegen der kulturellen und geografischen Nähe. Kurze Wege bedeuten Zeit- und Kostenersparnis." Bauer lobt die großen Fortschritte in der Infrastruktur sowie den Fokus auf Zukunftsthemen wie Digitalisierung. Doch räumt er ein: "Bisher galt Tschechien als Niedriglohnland, aber die boomende Wirtschaft und der eklatante Fachkräftemangel haben in den letzten Jahren zu erheblichen Lohnsteigerungen geführt."Der Geschäftsführer des Logistikers Geis CZ, Thomas Gaßmann, wird noch deutlicher: "Der Logistik- und Speditionsmarkt in Tschechien ist derzeit überhitzt. Da die Wirtschaft wächst, nimmt der Bedarf an Transportkapazitäten, Logistikflächen und Personal zu. Das gestaltet sich momentan in Tschechien als äußerst schwierig." Neu- und Erweiterungsbauten seien schwer realisierbar, da die Behörden teils über ein Jahr für Genehmigungen bräuchten. Die Kapazität der Baubranche sei ebenfalls am Limit.Das EU-Mobilitätspaket beschäftige das Unternehmen derzeit hingegen nur am Rande, so Gaßmann. Sehr kritisch sieht der Logistiker die Perspektiven für deutsche Unternehmen, die in Tschechien einsteigen wollen. Geis sei vor 25 Jahren gekommen, als noch Personal, Bauflächen und vieles mehr reichhaltig vorhanden gewesen seien. Gaßmann analysiert nüchtern: "In der heutigen Lage würde ich eher nicht dazu raten. Die Personalknappheit ist schon ein großes Handicap in Tschechien."Zahlreiche günstige LagermöglichkeitenDeutlich stärker auf die positiven Aspekte setzt der CEO des Kölner Spediteurs Emons, Ralf Wieland. Seit 2005 ist die Firma als Emons Spedice in Tschechien aktiv. Mit einer eigenen Flotte für den Nahverkehr und für Linientransporte fertigte Emons Spedice im vergangenen Jahr 150.000 Sendungen ab. Der Verkehrs-Rundschau sagt Wieland: "Die Infrastruktur in Tschechien ermöglicht die Durchführung großer Logistikprojekte. Es gibt viele Beispiele, in denen Unternehmen die Tschechische Republik als wichtigstes logistisches Zentrum für den deutschen oder europäischen Markt nutzen."Förderlich ist, dass nicht nur die Warenlagerung um 35 Prozent günstiger ist als in Deutschland, auch Lagermöglichkeiten sind sehr zahlreich vorhanden. Doch auch Wieland verweist auf den Fachkräftemangel, "gerade im Bereich Transport und Logistik." Die Zukunft in Tschechien sieht er dennoch positiv.Gegenüber dem Straßengütertransport fallen die anderen Verkehrsträger deutlich ab. Per Schiene wird zwar immer noch gut ein Viertel aller Waren befördert, doch zu Zeiten des EU-Beitritts 2004 war es ein Drittel gewesen. In die Modernisierung der Netze wurde bei Weitem nicht so viel investiert wie in die Straßen. Die Binnenschifffahrt an der Elbe ist quasi bedeutungslos. Seehäfen gibt es keine und die Luftfracht spielt ebenfalls kaum eine Rolle.Deutschland betreibt ProtektionismusBleibt die Straße - mit ihrem enormen Volumen, aber eben auch mit ihren aktuellen Nöten. Nach Aussage von Jan Medved vom Straßentransport-Verband CESMAD gehen die internationalen Transporte tschechischer Unternehmen zurück, während die inländischen leicht anziehen. Ein Dorn im Auge sind ihm die Vorschläge zum EU-Mobilitätspaket. Der Funktionär nimmt kein Blatt vor den Mund: Die Entsendung von Mitarbeitern für gewöhnliche internationale Transportaufträge innerhalb der EU oder in Drittstaaten sei ein völlig normaler Vorgang und die gegenwärtigen Vorschläge Deutschlands und anderer Länder "ein klarer Akt von Protektionismus". Besonders kleine und mittelgroße Unternehmen hätten große Probleme, den neuen Regeln nachzukommen.Im Märchen würde es zum Schluss heißen: "... so leben sie noch heute." Das kann man definitiv auch vom tschechischen Straßengütertransport behaupten. Selbst der Fahrermangel ist ja letzten Endes ein Zeichen des Booms. Und dennoch werden im Augenblick die Sorgenfalten vieler Spediteure eher ein wenig tiefer.Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Tschechien www.verkehrsrundschau.de/dossiersDie Serie OsteuropaWas kann das Transportgewerbe unserer osteuropäischen Nachbarn, wo gibt es Chancen und Risiken? Unsere Serie im Überblick- Teil 1: Polen (VR 31-32)- Teil 2: Tschechien (VR 33-34)- Teil 3: Ungarn (VR 35)- Teil 4: Bulgarien (VR 36)- Teil 5: Rumänien (VR 37)- Teil 6: Baltikum (VR 38)Chancen und Risiken in TschechienMehr Lkw-Transporte, aber Bezahlung der Fahrer bereitet SorgenChancen:- Ideale Lage in der Mitte Europas, sehr kurze Wege von und nach Deutschland- Lkw-Fahrer können kurze Touren fahren und öfter nach Hause zurückkehren, leben nicht wie "Nomaden"- Die tschechische Wirtschaft kann weiterhin mit hohen Wachstumsraten glänzen. Davon profitiert der Straßentransport, der seine dominante Position gegenüber der Bahn derzeit sogar noch ausbautRisiken:- Der Mangel an Fahrern wird immer extremer und bereitet einheimischen tschechischen Spediteuren wie ausländischen Unternehmen mit Standort in Tschechien immer größeres Kopfzerbrechen- Das internationale Transportvolumen von und nach Tschechien ging zuletzt leicht zurück. Lkw-Touren nach Deutschland und anderswo sind aus Tschechien wegen der kurzen Wege besonders knapp kalkuliert- Das EU-Mobilitätspaket bedroht den tschechischen Transportmarkt, besonders wegen der Mindestlohn-Regelungen in Deutschland und Frankreich. Gehälter werden teils steuerfrei in Euro gezahlt (nicht in tschechischen Kronen). Wird diese Praxis beendet, würde dies zu höheren Kosten führen mk

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