Der Transport gefährlicher Inhalte

Gefahrguttransporte auf Frachtenbörsen anbieten und akquirieren? Selbst Speditions- und Logistikdienstleister, die langjährige Erfahrung mit der Lagerung und dem Transport von explosiven, entzündbaren, giftigen, radioaktiven, ätzenden und weiteren gefährlichen Stoffen haben, winken da in der Regel ab. Hohe Qualitätsansprüche "Wir transportieren ausschließlich Ladungen in Tankcontainern und -aufliegern", sagt zum Beispiel Stefan Weigand, Geschäftsführer des gleichnamigen Transportunternehmens in Sittensen. Und für den Warenumschlag in solchen Einheiten gebe es keine überzeugende Plattform im Markt. Auch andere Unternehmen weisen auf ihre hohen Qualitätsanforderungen hin, nach denen ausschließlich fest angestellte deutschsprachige Fahrer ihre Lkw-Züge fahren, die mit Sicherheitsfeatures wie Spurhalteassistenten und abstandsabhängigen Tempomaten ausgerüstet sind. Wenn sie ihre Frachten und Ladungen auf Frachtenbörsen anbieten, könnten sie ihren Kunden diese Standards nicht garantieren, lautet das immer wiederkehrende Argument. Auch die hohe Qualifikation der Fahrer führen Unternehmer wie Weigand häufig als Argument an. "Mancher Kunde weiß es sehr zu schätzen, dass er seit Jahren immer mit den gleichen Fahrern zusammenarbeitet", betont er. Vor diesem Hintergrund tut sich auch eine Plattform wie Qualis Logistics schwer, die ausschließlich auditierte und zertifizierte Speditionen und Logistikdienstleister aufnimmt, im Gefahrgutmarkt Fuß zu fassen. An Angeboten für die Vermittlung von Transportgut mit UN-Nummern fehlt es trotzdem nicht. Für Frachten aller Art - vom Paket bis zur Komplettladung - bieten Frachtenbörsen wie TimoCom, Teleroute, Trans.eu und Wtransnet Services an. Hinzu kommen Portale, die sich auf besondere Transportgüter spezialisiert haben. Beispiele sind E-Courier.net von Hierl & Müller, Straubing, für KEP-Sendungen aller Art, oder die Schüttgutbörse von Alexander Hambach im württembergischen Renningen. "Gefahrgutfrachten und -ladungen sind Teil des Tagesgeschäfts", sagt E-Courier.net- Chef Achim Danner. "Allerdings müssen die Teilnehmer zusätzlich zu den üblichen Transportdaten auch UN-Nummer, Produkteigenschaften und weitere Einzelheiten entsprechend den ADR-Vorschriften mitteilen." Plattformen folgen Kundenwunsch Auch die neuen Frachtplattformen, die TimoCom & Co. mit modifizierten Geschäftskonzepten Beine machen wollen, wollen mittel- und langfristig auf die Vermittlung von Gefahrgut nicht verzichten. Den Vorreiter macht Saloodo. Im Februar 2018 gab die DHL-Tochter bekannt, dass auf ihrer Plattform Gefahrguttransporte abgewickelt werden können. "Wir folgen einem klaren Kundenwunsch", begründet dies CEO Thomas Grunau. Saloodo hat dafür die AGB um eine detaillierte Liste von Gefahrgütern erweitert, die auf der Plattform umgeschlagen werden dürfen. Nun wendet sie sich vor allem an Gefahrgutspeditionen, die ihre Prozesse vollständig digitalisiert haben und alle Gefahrgutinformationen aus Datenbanken schöpfen. Mit Saloodo können sie diese Strategie fortsetzen. Alle Dienstleistungen gibt es ausschließlich digital; grundsätzlich soll jeder Teilnehmer, der Transportpartner für Gefahrgüter sucht oder diese für den Versand anbietet, möglichst den Komplettservice bis zur Rechnungsstellung nutzen. Versender können sämtliche Abläufe bis zur Übergabe an den Kunden einsehen. Auch die Unterlagen ihrer Transportpartner sind online einsehbar. Jeder Teilnehmer muss eine "Code-of-Conduct"-Erklärung unterschreiben sowie ADR-Bescheinigung und weitere Dokumente hinterlegen. "Wir überprüfen deren Gültigkeit permanent", versichert Grunau. Allerdings müssen auch die Versender sich ihrer Verantwortung bewusst sein und Verladungen sowie Fahrzeugkontrollen entsprechend ihren gesetzlichen Vorschriften durchführen, gibt der Geschäftsführer zu bedenken. Solche Arbeiten kann keine Plattform ihren Kunden abnehmen. Interesse an schwierigen Sendungen Auch andere Newcomer wie Cargonexx, InstaFreight und Loadfox denken über einen Einstieg in den Gefahrgutmarkt nach. Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2018 wird zum Beispiel Cargonexx entsprechende Sendungen akzeptieren, wenn diese mit Koffer-, Tautlineroder Megaliner-Aufbauten transportiert werden. "Wir wollen langfristig das größte Transportnetzwerk in Europa aufbauen", versichert Rolf Dieter Lafrenz, Geschäftsführer des Unternehmens, das sich gerne als digitale Spedition bezeichnet. Cargonexx überarbeitet mit Algorithmen ständig seine Daten und will so für jede Sendung den niedrigsten Preis und den aktuell am besten geeigneten Frachtführer finden. "Trotz der vielen Frachtenbörsen beträgt der Leerfahrtenanteil weiterhin 40 Prozent", führt Lafrenz an. Jede zusätzliche Fracht, die diesen Anteil mindert, ist willkommen - also auch Gefahrgut. Das hohe Interesse an diesen schwierigen Sendungen verwundert nicht. Dabei ist über den Gefahrgutmarkt selbst und seine wirklichen Dimensionen vergleichsweise wenig bekannt. So existieren keine genauen Zahlen über den Anteil am gesamten Transportaufkommen, Marktschätzungen gehen von sieben bis zwölf Prozent aus. Auch das Bundesamt für Statistik in Wiesbaden kann nur veraltete Schätzwerte von 2015 beisteuern. Rund 307 Millionen Tonnen sind damals als Gefahrgut klassifiziert worden - das wären bei einem Gesamvolumen von 3,341 Milliarden Tonnen 9,1 Prozent. Den Löwenanteil macht mit rund 60 Prozent Gefahrgutklasse drei (entzündbare flüssige Stoffe) aus, weitere wichtige Klassen sind zwei (Gase) und acht (ätzende Stoffe). Über Klasse sieben (radioaktive Stoffe) sind überhaupt keine Zahlen bekannt. Bruchteil geht an Frachtenbörsen Über 141 Millionen Tonnen Gefahrgüter werden auf der Straße transportiert. Allerdings wird offenbar nur ein Bruchteil auf Frachtenbörsen und ähnlichen Plattformen angeboten. Höchstens 1,6 Prozent der vermittelten Sendungen enthalten Gefahrgut, schätzt Marktführer TimoCom. Das wären bei täglich bis zu 750.000 Angeboten gerade mal 12.000 in ganz Europa. Die Frachtenbörse achtet sehr genau auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. So müssen alle Angebote und Ausschreibungen mit Gefahrgut Gefahrgutklasse, Verpackungsgruppe und UN-Nummer nennen, Speditions- und Transportunternehmen ohne ADR-Schein können entsprechend gekennzeichnete Angebote ausblenden. Für Frachtführer mit Gefahrgutberechtigung hat die Frachtenbörse TimoCom besondere Filter entwickelt, die ausschließlich gekennzeichnete Sendungen anzeigen. Meist enthalten diese Produkte der Klassen drei, acht und neun (Lithiumbatterien, Trockeneis, Asbest und weitere "verschiedene gefährliche Stoffe und Gegenstände"). Bei Trans.eu sieht die Lage etwas anders aus. Wenigstens sechs Prozent Angebote auf der Plattform enthalten Gefahrgut, schätzt die Frachtenbörse: Allerdings sind in diesen Zahlen pauschal Abfälle erfasst, die ebenfalls nur mit besonderen Genehmigungen transportiert werden dürfen. Grundsätzlich scheint jedoch in Osteuropa, wo Trans.eu die meisten Kunden hat, die Vermittlung von Gefahrgut auf Frachtenbörsen und anderen Online-Plattformen durchaus verbreitet zu sein. Ansonsten stellt Trans.eu vergleichbare Anforderungen wie TimoCom: Im Modul "Flotten" müssen Teilnehmer Gefahrgutequipment vermerken; im Modul "Dokumente" können sie ADR-Zertifikate und andere Unterlagen hinterlegen. Gefahrgut-Verlader sind anspruchsvoll Angesichts dieser Ausgangslage sind also Auftragsvergaben und Akquisitionen von Sendungen mit Gefahrgut vor allem für Transport-, Speditions- und Logistikunternehmen sinnvoll, die nur gelegentlich derartige Güter transportieren und auch im Ausland unterwegs sind. An diese Zielgruppen wendet sich zum Beispiel die Plattform Cargoclix, die sich auf die Vermittlung von mehrjährigen Kontrakten spezialisiert hat (siehe Kasten Seite 21). "Reine Gefahrgutausschreibungen sind selten", sagt Geschäftsführer Johannes Schmidt. "Schätzungsweise jede fünfte Ausschreibung hat jedoch auch Gefahrgut zum Gegenstand." Bei WTransnet liegt der Anteil von Frachten mit Gefahrgut dagegen lediglich bei einem Prozent, heißt es. Solche Verlader sind dann auch besonders anspruchsvoll: Viele wünschen sogar Probetouren und Vor-Ort-Besichtigungen. Beim Thema Gefahrgut will eben keiner Kompromisse machen. Mehr zum Thema im Dossier Gefahrgut www.verkehrsrundschau.de/dossiers Plattformlösung So will sich Mycargorates von Frachtenbörsen abgrenzen Von traditionellen Frachtenbörsen will sich Mycargorates strikt abgrenzen."Unser Geschäftskonzept geht über die Lösungen von TimoCom oder Saloodo hinaus", zeigt sich Thomas Gawel selbstbewusst, Geschäftsführer von Freightly, Plattformbetreiber von Mycargorates. "Wir entwickeln für Verlader mit mehr als 0,5 Millionen Tonnen Transportvolumina im Jahr individuelle Supply-Chain-Lösungen." Jeder Logistikprozess wird digitalisiert und über Schnittstellen mit SAP- und anderen ERP-Systemen verbunden. Für Beschaffungs- und Distributionsverkehre entwickeln Gawel und seine Mitarbeiter sogenannte Purchase-Order-Daten. Aus einem Pool von Logistikdienstleistern wählt der Plattformnutzer anhand individueller Kriterien geeignete Partner aus.Das Konzept gleicht den "geschlossenen Benutzergruppen", die Verlader mit ausgesuchten Logistikpartnern auf TimoCom und anderen Börsen gegründet haben."Unsere Plattform kann jederzeit um individuelle Tools für Sonderfahrten oder Gefahrguttransporte ausgebaut werden", sagt Gawel. Die Plattform selbst bildet alle Prozesse rund um den Transport wie Dokumentenaustausch oder Rechnungsprüfung ab.Auch Lager- und andere Logistikprozesse werden innerhalb des unternehmenseigenen ERP-Systems erfasst. Genau hierin sieht Gawel den entscheidenden Unterschied zu traditionellen Frachtenbörsen."Der Kunde möchte nicht auf fremde Plattformen wechseln", ist sich der vormalige Dachser- und UPS-Manager sicher. Vor allem Unternehmen aus der Automotive-, Chemie-, Konsumgüter- und Maschinenbauindustrie machen deshalb bei Mycargorates mit. bot

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