Alltagsgeschäft mit hohem Anspruch

Gefahrgut wird heute längst nicht mehr nur von der chemischen Industrie verschickt. Immer häufiger finden sich diese Waren auch im Stückgut. Selbst Paketdienste können das Thema nicht ausblenden. Denn über das Internet werden zunehmend Gefahrgüter verkauft: ob nun Baumarktartikel wie Pflanzenschutzmittel bis hin zum Parfum oder vor allem Produkte mit Lithiumbatterien, die sich in vielen Elektrogeräten wie Smartphones oder Kinderspielzeug wiederfinden. Lkw befördert am meisten Gefahrgut Wirft man einen Blick in die Verkehrsstatistik, wird einerseits deutlich, dass der Transport von Gefahrgut jetzt nicht eine ganz große Nummer im Transportmarkt ist. Andererseits sind 7,7 Prozent des Aufkommens und 8,2 Prozent der Verkehrsleistung im deutschen Güterverkehrsmarkt, die auf den Transport von Gefahrgut (Geltungsjahr: 2014; ohne Durchgangsverkehre auf der Straße) fallen, auch keine Randerscheinung. Trotz aller Bekenntnisse zu sicheren Transporten per Bahn oder Schiff ist es im Übrigen der Lkw, der die Hauptlast beim Transport von Gefahrgut trägt. 55,3 Prozent des Gefahrgutaufkommens landet weiterhin auf der Straße. Allerdings ist das im Vergleich zum Anteil des Lkw im gesamten Güterverkehr (85 Prozent) doch deutlich weniger. Und bezogen auf die Verkehrsleistung beträgt der Anteil der Straße im Gefahrguttransport nur 39,4 Prozent und liegt nur knapp vor der Schiene (38,3 Prozent). Ein Indiz dafür, dass vor allem auf längeren Strecken die Bahn beim Transport von Gefahrgut zum Zuge kommt. Gefahrgut ist also durchaus stark verbreitet im Transportmarkt. Für Speditionen wie Aloys Siepmann Transporte steht außer Frage, dass man sich mit Gefahrgut befasst. Das Unternehmen mit Sitz in Duisburg hat sich auf den Transport von Chemikalien und Flüssigkeiten spezialisiert. "60 bis 70 Prozent der Ware, die wir transportieren, ist Gefahrgut. Für uns ist Gefahrgut Tagesgeschäft", sagt Geschäftsführer Wolfgang Siepmann. In seinem Unternehmen gibt es nicht einen Fahrer, der nicht über den ADR-Schein, den sogenannten Gefahrgutführerschein, verfügt. "Unsere Mitarbeiter kennen sich aus, unsere Fahrzeuge sind präpariert. Wenn wir einen Auftrag mit Gefahrgut erhalten, können wir den sofort abwickeln", sagt Siepmann. Doch auch abseits dieser Spezialisten gehört der Transport von Gefahrgut in klassischen Speditionen immer häufiger zum Alltag. "In der Sammelgutspedition ist die Beförderung und Lagerung von Gefahrgut mittlerweile eine Selbstverständlichkeit", sagt Stefan Hanauer, Leiter der Spedition Heinz Huber. Bei Heinz Huber kommt hinzu, dass 30 bis 40 Prozent der Festkunden aus der Chemiebranche stammen. Dabei sind es nicht die klassischen Chemieprodukte, sondern Waren wie Kleber, Farben oder Lacke, die sich im Laderaum der Huber-Lkw wiederfinden. Wer Gefahrgut befördert, muss in der Regel einen Gefahrgutbeauftragten haben (siehe auch Kasten Seite 28). Für die Betroffenen ist zunächst mal die Frage zu klären, was Gefahrgut überhaupt ist. Eine Antwort liefert die Gefahrgutverordnung. Das Gefahrgutrecht unterscheidet neun Klassen von Gefahrgut, die zum Teil wieder in Unterklassen unterteilt werden. Das Gefahrgutrecht ist nicht immer einfach zu verstehen und - nicht minder wichtig - wird laufend geändert. Damit die Unternehmen hier keine Fehler machen und auf dem aktuellen Stand bleiben, auch deshalb gibt es den Gefahrgutbeauftragten. Das ist keine freiwillige Einrichtung, sondern wird vom Gesetzgeber vorgeschrieben für alle, die mit Gefahrgut zu tun haben: also für Transporteure, aber zum Teil auch für Versender und Empfänger, Abfüller et cetera. Es gibt jedoch eine Reihe von Ausnahmen, wann ein Gefahrgutbeauftragter doch nicht Pflicht ist. Diese sind in der Gefahrgutbeauftragtenverordnung (GbV) geregelt. So ist ein Unternehmen beispielsweise befreit, wenn es Gefahrgüter transportiert, die generell von dieser Regelung ausgenommen sind. Oder wenn nur begrenzte Mengen von bestimmten Gefahrgütern befördert werden. In diesem Zusammenhang gibt es eine sogenannte 1000-Punkte-Regel. Darin sind verschiedene Gefahrgüter je nach Gut mit unterschiedlichen Punkten versehen. Vom Gewicht des Gefahrgutes hängt es ab, ob ein Transport unter 1000 Punkten liegt und damit beispielsweise die Kennzeichnung als Gefahrguttransport nicht notwendig ist und keine ADR-Bescheinigung und kein Gefahrgutbeauftragter erforderlich ist. Einen Rechner dazu bietet die Zeitschrift Gefahrgut auf ihrem Portal www.gefahrgut-online.de an. Die Gefahrgut erscheint wie die VerkehrsRundschau im Verlag Heinrich Vogel. Viele setzen einen externen Berater ein "Wenn ich davon als Unternehmer freigestellt bin, heißt das aber noch lange nicht, dass ich keine Verpflichtungen habe", sagt Jürgen Werny, selbstständiger Berater für Gefahrgut. Er nennt als Beispiel den Betrieb einer Tankstelle: Ein solches Unternehmen müsse zwar als Empfänger von Gefahrgut keinen Gefahrgutbeauftragten stellen, aber dennoch zahlreiche Bestimmungen beim Empfang und Lagerung der Ware beachten. Treffen jedoch nicht die Ausnahmen der GbV zu, ist ein Gefahrgutbeauftragter erforderlich. Hier gibt es zwei Varianten: Entweder schult ein Unternehmen einen eigenen Mitarbeiter zum Gefahrgutbeauftragten oder wählt einen externen Gefahrgutbeauftragten. Welche Variante die bessere ist, ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. "Für kleinere Firmen ist ein externer Gefahrgutbeauftragter in der Regel günstiger, weil das Thema doch nicht so einfach und dann für kleinere Betriebe der Aufwand höher ist", sagt Wolfgang Spohr, selbstständiger Berater für Gefahrgut. Die Spedition Heinz Huber vertraut lieber einem externen Berater als Gefahrgutbeauftragten. "Der befasst sich den ganzen Tag mit dem Thema und ist bestens informiert bei Änderungen im Gefahrgutrecht", nennt Hanauer einen Grund. Aber auch Wolfgang Siepmann zieht einen externen Berater vor. "Wir hatten früher einen eigenen Gefahrgutbeauftragten", sagt Siepmann. Aber die Aufgaben im Betrieb seien immer mehr geworden, sodass ein Gefahrgutbeauftragter immer mehr beansprucht wurde. Und auch Siepmann ist die Kenntnis eines externen Hauptberuflichen im Gefahrgut lieber als ein Interner, der daneben noch viele andere Dinge verantwortet. Womöglich hängt der Trend zu einem externen Gefahrgutbeauftragten auch damit zusammen, dass das Thema Gefahrgut an Bedeutung zunimmt. "Zum einen sind die Anforderungen an den Gefahrgutbeauftragten gestiegen", sagt Christian Hüttinger, bei der IHK München für das Thema Gefahrgut zuständig. "Die Vorschriften ändern sich laufend. Und es gibt viele Randthemen wie zur Lagerung von Gefahrgut, die man im Blick haben muss", begründet er seine These. "Die Prozesse werden immer verzweigter, komplexer", ergänzt Werny. Gerade auch im Fall von internationalen Transporten oder Beförderung innerhalb eines ausländischen Landes sei es nicht einfach, die Bestimmungen zu erfüllen. Für Werny gibt es auch keine Zweifel: "Diejenigen, die nur die Schulung zum Gefahrgutbeauftragten über drei Tage machen, für die reicht diese Ausbildung definitiv nicht aus", sagt der Experte. 2000 Seiten Gesetzestexte könne man in dieser kurzen Zeit nicht verinnerlichen. Hüttinger hält dem entgegen: "Die Schulung soll nur eine Grundlage sein. Diesen Auftrag erfüllt sie", sagt er. Die IHK in Deutschland nehmen die Prüfungen für Gefahrgutbeauftragte ab und beraten die Unternehmen auch. Hüttinger gesteht andererseits zu: "Die Ausbildung soll dazu beitragen, mit den Vorschriften umzugehen. Danach ist ein Gefahrgutbeauftragter aber natürlich noch kein Profi, sondern er ist Anfänger, wenn er vorher noch nichts vom Thema gehört hat." Danach beginne erst die eigentliche Arbeit, sollte er eingewiesen werden und sich fortbilden, wenn die Anforderungen im Unternehmen dies notwendig machen, so Hüttinger. Spohr weist darauf hin, dass es ganz wichtig sei, dass die Beteiligten in der Transportkette miteinander kommunizieren. "Der Beförderer muss wissen, was er da übergeben bekommt", sagt Spohr. Als Beispiel nennt er den Bereich der Abfallerzeugung, wo den Beteiligten häufig nicht klar sei, dass sie Gefahrgut transportieren. Große Unsicherheiten und auch Kommunikationsdefizite gibt es laut Werny auch im Handling mit Lithiumbatterien. "Hier kommen Unternehmen mit Gefahrgut in Kontakt, die vorher nichts mit solchen Gütern zu tun hatten, also beispielsweise Firmen aus der Informations- und Kommunikationsbranche." Mittlerweile würden sich 75 Prozent der Anfragen, die Werny zu dem Thema Gefahrgut erhält, um das Thema Lithiumbatterien drehen. Doch abgesehen von diesem Thema ist seiner Einschätzung nach die Zahl der benötigten Gefahrgutexperten konstant. Werny beobachtet jedoch auch den Trend, dass immer mehr Unternehmen auf einen externen Gefahrgutexperten zurückgreifen, der sich besser auskennt als ein Mitarbeiter, der sich neben anderen Themen auch um Gefahrgut kümmern muss. Der Bedarf an Gefahrgutbeauftragten in Deutschland ist jedenfalls hoch. Laut Hüttinger gibt es in Deutschland in den letzten fünf Jahren 16.000 Personen, die einen gültigen Schulungsnachweis zum Gefahrgutbeauftragten hatten. Die Durchfallquote lag 2017 bundesweit bei der Grund- und Ergänzungsprüfung bei 13,3 Prozent, bei der Verlängerungsprüfung, die alle fünf Jahre fällig ist, bei 7,5 Prozent. Hüttinger weist auch schon auf das Jahr 2019 hin. Denn dann gibt es wieder neue ADR, ein europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße. Und dann heißt es für die Gefahrgutbeauftragten wieder: aufgepasst und die Änderungen wieder berücksichtigen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Gefahrgut www.verkehrsrundschau.de/dossiers Fragen und Antworten zum Gefahrgutbeauftragten Welche Aufgaben hat ein Gefahrgutbeauftragter?Er soll unter anderem das Unternehmen über geeignete Maßnahmen zur Einhaltung der Gefahrgutvorschriften beraten. Über seine Überwachungstätigkeit sollte er Aufzeichnungen führen und er muss einen Jahresbericht sowie bei Gefahrgutunfällen ebenfalls einen Bericht erstellen. Zudem ist er verantwortlich für die Durchführung der vorgeschriebenen Schulungen der beauftragten und sonstigen verantwortlichen Personen.Wer kann Gefahrgutbeauftragter werden?Im Prinzip kann jeder im Unternehmen Gefahrgutbeauftragter werden."Er sollte aber einen gewissen Bezug zu Gesetzestexten haben", sagt Christian Hüttinger, Gefahrgutexperte bei der IHK München. Gefahrgutbeauftragter kann aber auch eine externe Person sein, der Spezialist ist. Häufig sind es Berater, die sich rund um die Uhr mit dem Thema befassen und sich daher besser auskennen, was sich gerade im Gefahrgutrecht verändert, aber die unternehmensinternen Abläufe nicht so gut kennen.Wie wird man Gefahrgutbeauftragter?Dazu muss man Lehrgänge besuchen. Deren Dauer hängt von der Zahl der einzelnen Verkehrsträger ab, die im Unternehmen betreut werden. Für den ersten Verkehrsträger sind 22,5 Stunden erforderlich. Für jeden weiteren Verkehrsträger ist eine Grundschulung von 7,5 Stunden vorgesehen. Danach erfolgt eine Prüfung. Alle fünf Jahre muss der Gefahrgutbeauftragte erneut eine Prüfung ablegen. Dazu ist ein erneuter Besuch von Lehrgängen nicht vorgeschrieben. cd

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