Der Schlüssel zum Erfolg

Welche Rolle spielt der Mensch im Zeitalter der Digitalisierung? Wie müssen sich Qualifikations- und Ausbildungsprofile in der Logistik verändern? Mit diesen und vielen anderen spannenden Themen befasste sich der Fachkongress "TW Logistik 2018" des Vereins der Wirtschaftsingenieure für Transportwesen VdWT in der Hochschule Bremerhaven. Digitalisierung ist für Menschen gemacht Für Olga Renk, erste Vorsitzende des VdWT und Consultant beim Bremer SAP-Haus Abat, ist die Antwort klar: "Digitalisierung geht ohne den Menschen nicht. Und sie ist auch für den Menschen gemacht." Als gelungenes Beispiel nennt sie den Service "Google Flu". Wenn Menschen heute an Grippe erkranken, gehen sie in den USA nicht mehr zum Arzt, führt sie aus, sondern geben ihre Symptome im Internet bei Google ein und fragen, was zu tun ist. Auf Basis dieser Daten und dank selbst entwickelter Algorithmen sei damit der Suchmaschinendienst, ohne Einblick in ärztliche Unterlagen zu haben, besser und genauer in der Lage, Grippeepidemien vorauszusagen als die jeweiligen medizinischen Institute. Und mit logistischer Unterstützung großer Paketdienste ließen sich dann zum Beispiel die Krankenhäuser mit den notwendigen Grippeschutzimpfstoffen frühzeitig versorgen. Renk räumt aber auch ein, dass es noch keine Antworten darauf gibt, wie sich solche technologischen Neuerungen auf die Arbeitswelt einmal auswirken werden: "Disruption stellt uns Menschen immer enorm auf die Probe. Viele haben deshalb Angst um ihrem Job. 37 Prozent der sogenannten Millennials, sprich der in den 1980er-Jahren Geborenen, haben Angst, dass ihre Jobs durch künstliche Intelligenz ersetzt werden", zitiert sie Zahlen aus einer Gallup-Studie. Fakt sei auch, so die SAP-Beraterin, dass durch die Digitalisierung neue Berufsbilder entstehen, etwa der Data Scientist, Web Controller, SEO-Experte oder auch der Robotik-Ingenieur. Gar nicht zu reden von den vielen neuen Geschäftsideen und -lösungen, die dank der Digitalisierung möglich sind. Nicht umsonst gründen Studenten vermehrt Start-ups, auch und gerade in der Logistik, und schaffen sich damit selbst ihren Arbeitsplatz, zeigte Robert Bach auf, Geschäftsführer von BEAM. Seit 2017 sucht er für BEAM, einen Inkubator des Intralogistiksystem-Herstellers Beumer Group, Start-ups, um diese in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen. "Was allerdings fehlt, sind gute Ideen", moniert er. Das sei ihm bewusst geworden, seitdem er in Start-ups investiere, führt Bach aus. Was für den BEAM-Mann eine gute Lösung auszeichnet? Ganz klar: Sie sollte "einen ganz neuen, ganz anderen Ansatz haben und für einen großen Markt sein", betont er. Außerdem müsse die Lösung fünfmal so gut sein wie der heutige Status quo. Zudem sollte es sie vor fünf Jahren noch nicht gegeben haben, nennt er Kriterien. Seine Messlatte sei da zwar hoch, räumt Bach ein. "Aber die Wahrscheinlichkeit für Start-ups, zu scheitern, ist nun einmal hoch." Gleichwohl hätten gründungswillige Studenten in der Logistik noch gute Chancen, glaubt Bach. "Denn noch haben die Start-ups oder auch die Software die Strukturen in der Logistikbranche kaum verändert. Da stehen wir ganz am Anfang. Da geht es erst richtig los", zitiert er einen Venture-Capital-Unternehmer. Außerdem werde die Start-up-Gründung immer einfacher, sagt er, "weil Hardund Software unheimlich günstig geworden sind und die Szene ihr Wissen gerne teilt." Mut zur 80-Prozent-Lösung Wohin die Reise im Logistik-Start-up-Markt gehen wird, weiß keiner. Denkbar sind für Bach aber zwei Szenarien: "Am Ende werden in der Logistik entweder einige wenige Online-Geschäftsmodelle den globalen Markt dominieren, oder wir werden letztlich Nischenlösungen haben." Alles in allem sei aber - wie gesagt - im Moment noch eine gute Zeit für Neugründungen. "Man muss Start-ups aber wollen und dafür kämpfen." Aber auch an Traditionsunternehmen wie Otto Group geht der digitale Wandel nicht vorbei, das sich vom Versandhändler zu einem der größten E-Commerce-Händler Deutschlands (2,9 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2017) entwickelt hat - mit entsprechenden Anforderungen an die Mitarbeiter. Das zeigten die Ausführungen von Sebastian Brannath, SCM-Manager bei Otto Logistik: "Studenten werden nach wie vor erzogen, die perfekte Lösung zu bauen." Das aber sei nicht mehr zeitgemäß, gerade angesichts des rasant schnell wachsenden Wettbewerbs. So sei allein im Onlinehandel der Marktanteil Chinas in den vergangenen zehn Jahren von einem auf 46 (!) Prozent im Jahr 2017 gestiegen, nennt Brannath Zahlen. Schnelligkeit lautet also das Credo der neuen Arbeitswelt. "Baut lieber 80-Prozent-Lösungen", ermuntert Brannath. "Probiert Dinge lieber einmal in den Unternehmen aus." Statt Silo-Denken mehr Eigeninitiative Welche Fähigkeiten, welche Qualifikationen brauchen die Mitarbeiter also morgen? "Sie müssen vor allem eine unbändige Lust zur Veränderung haben und die Fähigkeit, sich schnell in neue Aufgaben einzubauen", meint der Otto-Manager. "Dafür braucht es Eigeninitiative. Und diese muss Schülern und Studenten antrainiert werden." Ob es dagegen in Zukunft noch Abteilungsstrukturen braucht, bezweifelt Brannath. "Silo-Denken ist im Zeitalter der Digitalisierung passé." Stattdessen gewinne das abteilungsübergreifende Denken an Bedeutung. Kleine, autonome Teams mit flachen Hierarchien sind für ihn deshalb die Zukunft. Wobei es auch künftig Führungskräfte brauche, um diesen Prozess zu ordnen. Aber auch die Automatisierung schreitet massiv voran. So zeigen laut Brannath McKinsey-Zahlen, dass schon in zehn Jahren 80 Prozent der Paketzustellungen automatisiert erfolgen könnten, etwa durch die Nutzung autonomer Fahrzeuge und automatischer Gesichtserkennung. Und selbst in der Lagerlogistik werden Prozesse zunehmend automatisiert und nicht mehr von Lagerfachkräften abgewickelt, das zeigte Geschäftsführer Jens Nitzpon der mittelständischen Spedition VS Heibo in Verden, die für Kunden der Konsumgüterbranche Logistiklösungen entwickelt. Automatisierung deshalb, weil schlichtweg Lagerfachkräfte fehlen, aber auch, weil die Konsumgüterbranche großen Peaks unterliege. "Mit Automatisierung können wir also das eine oder andere auffangen", betont Nitzpon. "Die flexiblen Produkte, die wir für unsere Kunden entwickeln, sprechen indes gegen die Automatisierung. Das geht nur mit Menschen." Letztlich aber sei das Ganze eine Frage des Geldes, wie stark das Entgelt für Mitarbeiter steige und wie viel die Heibo-Kunden bereit seien, für den Logistikservice zu bezahlen. Mehr zum Thema im Dossier Trends & Innovationen www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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