Der Rückzug aus der EU und die Folgen

AUTOMOBILWIRTSCHAFT Stefan Bratzel, Professor der Fachhochschule der Wirtschaft und Leiter des Centers of Automotive Management in Bergisch-Gladbach Brexit könnte Domino-Effekt in Osteuropa auslösen Nach Ansicht des Automobilexperten Stefan Bratzel hat der Brexit negative Folgen:"Am stärksten trifft der Brexit die britische Automobilindustrie selbst, da der Standort außerhalb der EU unattraktiver wird, sowie die Hersteller und Zulieferer, die Produktionsanlagen mit hoher Kapazität auf der Insel besitzen." Doch die weitaus größere Gefahr sieht er in den nicht absehbaren politischen Folgen des Brexit auf andere EU-Mitgliedstaaten. Gerade in Osteuropa, in den für die Automobilwirtschaft so wichtigen Märkten, wäre ein solcher Domino-Effekt brisant. "Wenn solche Firmen ins Trudeln geraten, könnten sie ihre Zulieferer und Dienstleister mitziehen", befürchtet Bratzel. eh DEUTSCHER SPEDITIONS- UND LOGISTIKVERBAND Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV Jede Barriere ist hinderlich Im DSLV geht man davon aus, dass es Einschnitte im Handel geben wird. Zwangsläufig würden deshalb keine Warenströme abbrechen, aber Frank Huster rechnet mit dem Entstehen von Barrieren, die es zu überwinden gilt. "Möglicherweise wird das Fachwissen von Speditionen dazu beitragen, diese Barrieren so gering wie möglich zu halten. Denn Spediteure sind Zollprofis, die wissen, wie man mit solchen Situationen umgehen muss ", sagt Huster. Er hält es auch für denkbar, dass das eine oder andere Logistikzentrum seinen Sitz auf das Festland verlegt und somit einzelne Regionen profitieren. Doch insgesamt, für die gesamte Volks- und damit auch Speditionswirtschaft, sei der Brexit keine gute Entscheidung: "Spediteure nutzen freie Warenwege. Da ist jede Barriere nur hinderlich", urteilt Huster. Deshalb ist er auch überzeugt: Die Logistikkosten im Handel mit Großbritannien werden steigen. cd BUNDESVERBAND WIRTSCHAFT, VERKEHR UND LOGISTIK Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) und Präsident der IRU Steigende Logistikkosten befürchtet "Die Entscheidung der Briten wird gravierende Auswirkungen auf den gesamten Transport- und Logistiksektor haben", sagt Christian Labrot. Labrot, zugleich auch Präsident des Internationalen Straßentransportverbandes (IRU), sieht die Gefahr einer Einschränkung der Freizügigkeit: "Es könnten nicht nur die Zoll- und Grenzkontrollen umfangreicher werden. Auch der Zugang zum Markt könnte schwieriger werden, wenn nicht mehr einheitliche Marktzugangsregelungen bestehen." Besteht sogar die Möglichkeit, dass ein Carnet-TIR Pflicht wird? "Das halte ich für wenig wahrscheinlich, weil wir ja auch mit anderen Ländern wie zum Beispiel der Türkei das gemeinsame T-Verfahren nutzen", sagt Labrot. Auf jeden Fall werde der Verwaltungsaufwand steigen. "Und mehr Bürokratie führt immer auch zu steigenden Kosten", so seine Prognose. cd HÜTTEMANN GRUPPE Klaus Hüttemann, geschäftsführender Gesellschafter des Duisburger Logistikunternehmens Huettemann Gruppe Der Brexit birgt Chancen und Risiken "Mich persönlich hat die Entscheidung der Briten für den Brexit sehr überrascht", sagt Klaus Hüttemann, geschäftsführender Gesellschafter der Hüttemann Gruppe. Er habe sich sofort gefragt, welche Chancen, welche Risiken der Brexit auf sein Unternehmen haben könnte. Eine Chance könnte sein, sagt er, dass die M + F Spedition in Nordhorn, die Hüttemann vor 20 Jahren gekauft hat, stark auf England fokussiert ist. Wenn durch den Brexit also wieder Verzollungsaufgaben anfallen, hätte das Unternehmen in diesem Bereich Know-how. Andererseits habe M + F Kunden aus der Spielwarenbranche, die auch nach England exportieren. Wie sich diese Nachfrage entwickle, wisse aber noch keiner. eh GÜTERKRAFTVERKEHRSVERBAND BGL Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) Viel Lärm um nichts? Karlheinz Schmidt zeigt sich gelassen angesichts der Brexit-Entscheidung. "Der Austritt Großbritanniens wird kaum spürbare Auswirkungen auf die Transportbranche haben", sagt der Hauptgeschäftsführer des BGL. Seine Begründung: Die EU werde - trotz aller derzeitigen Rachegelüste - die wirtschaftlichen Verbindungen zu Großbritannien nicht kappen. Schmidt glaubt zwar auch, dass mehr Dokumente benötigt werden für den Grenzübertritt. "Es wird anders. Es wird aber nicht so, dass kilometerlange Staus die Regel sein werden", so seine Prognose. Er schließt allerdings nicht aus, dass Unternehmen aus Fernost, die Großbritannien als Standort gewählt haben, um in der EU produzieren zu können, diese Entscheidung überdenken werden. "Aber ob und wann das passiert und welche Folgen das für die Transportströme hat, ist zum heutigen Zeitpunkt pure Spekulation", sagt Schmidt. cd MEYER & MEYER Rolf Meyer, geschäftsführender Gesellschafter des Textillogistikers Meyer & Meyer in Osnabrück Die EU hat in den letzten 71 Jahren den Frieden gesichert "Als politischer Weltbürger halte ich die Entscheidung der Briten für katastrophal", sagt Rolf Meyer, geschäftsführender Gesellschafter von Meyer & Meyer. Denn die EU habe in den letzten 71 Jahren den Frieden gesichert. Meyer: "Wir selbst sind derzeit nicht in England präsent und haben nicht viele direkte Aktivitäten mit englischen Auftraggebern." Etliche Kunden in der Textilbranche, deutsche Markenhersteller, hätten aber in Großbritannien einen großen Markt. Diese Transportströme nach England organisiert Meyer & Meyer- im Regelfall mit seinem holländischen Partner. "Wir müssen sehen, wie sich dieser Markt für unsere Kunden entwickelt", sagt Meyer. eh FRANZ FISCHER SPEDITION Franz Fischer, Geschäftsführer der Franz Fischer Spedition in Nienburg Ein Rückzug ist indiskutabel Seit gut einem Jahr ist die Spedition Franz Fischer in Großbritannien aktiv. Sie transportiert dort chemische Flüssigkeiten und beschäftigt mittlerweile sieben Mitarbeiter. "Welche Folgen der Brexit haben wird, können wir - wie vermutlich niemand - nicht abschließend beurteilen", sagt Franz Fischer. Aber die Entscheidung der Briten hindert ihn nicht, weiterhin auf der Insel aktiv zu sein: "Das Geschäft wird dort weiter betrieben und forciert. Ein übereilter Rückzug aufgrund des Brexit ist für uns indiskutabel." Fischer rechnet jedoch damit, dass die Kosten steigen werden. "Ein großes Thema sind auch steigende Wechselkursrisiken", nennt er eine weitere Folge des Brexit. cd BRITISCHER VERBAND BIFA Robert Keen, Geschäftsführer der British International Freight Association (BIFA) Folgen des Brexit nicht vor 2019/2020 spürbar Robert Keen ist nicht begeistert von dem Abstimmungsergebnis. Aber der Geschäftsführer des Britischen Speditionsverbandes BIFA ist der Ansicht, dass es noch zu früh ist, um konkrete Aussagen zu den Folgen des Brexit zu machen: "Vor 2019 und 2020 wird man die Folgen des Brexit nicht spüren." Vor allem im Lkw-Verkehr befürchtet er Probleme. Hier seien künftig Dokumente notwendig, die den Warenverkehr schwieriger machen. Doch könnten Speditionen sogar davon profitieren, weil ihr Know-how dann stärker gefragt ist? Nein, sagt Keen, es könne zwar einzelne Profiteure geben. "Aber die Wirtschaft und damit auch die Spediteure profitieren vom freien Handel, nicht von möglichst vielen Hürden, sagt der Brite." cd Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Großbritannien www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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