Der Lidl-Coup

Lidl, Tochter des Handelsriesen Schwarz Gruppe in Neckarsulm, prescht im Transport- und Logistikmarkt vor. So gründete Lidl vor zwei Jahren seine eigene Container-Reederei Tailorwind, im März erfolgte mit der Gründung von Tailorwind Intermodal der Einstieg in den Hinterlandverkehr. Im Juli nun der nächste Coup: Da übernahm die CE Beteiligungs-GmbH, die neben Lidl und Kaufland ebenfalls zur Schwarz Gruppe gehört, 35 Prozent der Anteile an der Gartner Gruppe in Lambach/Österreich. Und mit diesem Unternehmen, so viel steht fest, sichert sich die Schwarz Gruppe einen dicken Fisch im Transportmarkt. So zählt Gartner über 3700 Mitarbeiter an 23 Standorten in acht Ländern (Österreich, Deutschland, Ungarn, Rumänien, Spanien, Frankreich, Holland, Belgien, Griechenland, Tschechien und Slowakei) und verfügt über einen Lkw-Fuhrpark mit über 2100 ziehenden Einheiten sowie 3200 Aufliegern. Zu den Gründen des Einstiegs befragt, gibt sich eine Sprecherin der Lidl-Stiftung gleichwohl bedeckt. "Effiziente und resiliente Lieferketten sind entscheidend für den Erfolg unseres Geschäfts", äußert sie sich. "Wir arbeiten daher stetig daran, unsere Lieferketten weiter zu optimieren und sie noch zuverlässiger zu machen. Dazu schaffen wir weitere Ressourcen in der Logistik, indem wir uns an der Spedition Gartner mit einer Minderheitsbeteiligung von 35 Prozent beteiligen." Wie sich der Einstieg bei Gartner mittelfristig auf die Zusammenarbeit mit anderen Transport- und Speditionspartnern auswirken wird, sagt sie nicht. Logistik wird wichtiger Pfeiler Für Christoph Tripp, Professor für Handels- und Distributionslogistik an der Technischen Hochschule in Nürnberg, zeigen die jüngsten Aktivitäten des Handelsriesen eines ganz klar: "Die Schwarz Gruppe setzt auch in ihrem Geschäftsbereich ,Logistik' zunehmend auf Vertikalisierung - mit dem Ziel, sich dadurch resilienter und unabhängiger im Markt aufzustellen." (siehe S. 15) Sprich: das Unternehmen versuche in der Wertschöpfungskette zunehmend Aufgaben auch in den vor- und nachgelagerten Prozessen zu übernehmen - bis hin zum Aufbau eines konzern-eigenen Öko-Systems - analog wie dies zum Beispiel auch die digitalen Handelsplattformen Amazon und Alibaba tun, erläutert er. "Die Logistik dürfte dadurch ein sehr wichtiger Pfeiler der Schwarz Gruppe werden." Und dass das Handelsunternehmen "Vertikalisierung" könne, habe es schon in anderen Bereichen wie etwa Recycling, Wasser, Kaffee und Brot durch den Aufbau eigener Produktionsstandorte bewiesen. Das sei wohl auch der Grund, schätzt Tripp, dass die Schwarz Gruppe nun auch in der Logistik versuche, diese selbst stärker in die eigene Hand zu bekommen. Denn dies berge viele Vorteile. Mehr dazu im Kasten auf Seite 15. Klar sei aber auch: "Das kann nicht jeder. Dazu braucht es viel Geld und natürlich auch die Kompetenzen", betont er. "Unterm Strich ist dies aber eine sehr kluge Strategie." Sorge vor Metro-MGL-Effekt Unabhängig davon nimmt Lidl die Beschaffungslogistik, sprich die Beauftragung und Steuerung von Spediteuren, zunehmend selbst in die Hand - bislang war dies Aufgabe der Lieferanten. So hat Lidl, wie erst jetzt bekannt wurde, im vergangenen Jahr die Lidl Road Solutions KG gegründet, die im Juni 2023 ins Handelsregister eingetragen wurde. Das bestätigte jetzt ein Sprecher des Handelsunternehmens gegenüber der VerkehrsRundschau: "Effiziente und resiliente Lieferketten sind für den Erfolg unseres Geschäfts entscheidend. Daher haben wir die Lidl Road Solutions KG gegründet." Seit Anfang August beauftrage Lidl, erläutert der Sprecher, durch die Lidl Road Solutions KG Speditionen für einen Teil der Transporte selbst und übernehme die Abrechnung mit den Lieferanten und Spediteuren. "Parallel führen wir derzeit ein einheitliches System für die Beauftragung und Abrechnung ein." Für die Lieferanten werde Lidl Road Solutions also eine große Verbesserung der Abläufe ergeben, sagt er. "Auch für unsere Spediteure ändert sich lediglich der Abrechnungsprozess, der dadurch vereinfacht wird. Auf die Ausschreibung hat dies also keinen Einfluss", so der Sprecher. "Wir werden also weiterhin intensiv mit unterschiedlichen Spediteuren aus ganz Europa zusammenarbeiten", betont er. "Unsere Lieferanten haben nach wie vor die Möglichkeit, ihre Ware direkt an die Lidl Landesgesellschaften zu liefern." Müssen Dienstleister in Zukunft also mit erhöhtem Preisdruck rechnen oder gar um Aufträge bangen, weil Lidl seine Beschaffungslogistik stärker in die Hand nimmt? Dazu befragt, wiegelt Handelslogistik-Experte Tripp ab: "Es muss dadurch nicht automatisch zum Metro-Effekt' kommen, sprich dass Lidl dann nur noch mit wenigen großen Speditions- und Logistikpartnern zusammenarbeitet, wie dies seinerzeit nach der Gründung der Metro MGL der Fall war." Lidl und Kaufland gehe es in der Logistik nun mal aktuell vorrangig eher um Kapazitäten-Sicherung, betont er, und weniger um Kostenvorteile. Droht jetzt im Handel der Domino-Effekt? Der Handelsriese Schwarz Gruppe, zu der Lidl, Kaufland & Co gehören, baut durch gezielte Neugründungen und Beteiligungen in der Logistik immer mehr eigene Kapazitäten auf, anstelle auf externe Dienstleister zu setzen. Welche Vorteile bringt das für das Handelsunternehmen? Ein wichtiger Grund ist, dass sich die Schwarz Gruppe dadurch den Zugriff auf Transport- und Logistikkapazitäten sichert. Sicherlich auch als Reaktion auf die stark schwankenden Frachtraten im Transport- und Speditionsmarkt der vergangenen Jahre, insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie. Außerdem lassen sich im eigenen Unternehmen Entscheidungen, vor allem auch Innovationen, sehr viel schneller umsetzen als mit externen Partnern. Das war wohl auch der Grund dafür, warum die Schwarz Gruppe aktuell bei dem österreichischen Transportunternehmen Gartner eingestiegen ist. Wie wahrscheinlich ist es, dass andere Handelskonzerne hierzulande nun dem Beispiel der Schwarz Gruppe folgen? Möglich ist das. Aber ich halte dies für eher unwahrscheinlich. Dafür braucht es ja eine übergeordnete Strategie, die den Wert der Logistik quantifiziert. Das hat man wohl bei der Schwarz Gruppe bereits vor Jahren gemacht und setzt man nun um. Tatsache ist aber auch: Dafür braucht es Investitionsmittel, und die kann sich nicht jedes Unternehmen leisten. Und natürlich braucht es dafür auch die richtigen Köpfe. Das kann und will nicht jeder. So gesehen denke ich nicht, dass dies einen Domino-Effekt auslöst und nun Händler verstärkt in Speditionen investieren.

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