Der Kampf um das Netz

Aus den Koalitionsverhandlungen der künftigen Ampelregierung drang bis zur letzten Woche nur wenig nach außen. Über verkehrspolitische Themen war so gut wie nichts zu vernehmen, sieht man mal davon ab, dass es ein generelles Tempolimit auf Autobahnen auch in den kommenden vier Jahren nicht geben soll. SPD hält am Status quo fest Dafür wurde über ein weiteres Thema zumindest in Fachkreisen ziemlich kontrovers diskutiert - allerdings vor allem von den Branchen- und Verbandsvertretern und weniger von den Koalitionären: eine stärkere Trennung von Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn (DB). Anlass waren dann aber doch Aussagen aus den Verhandlungen zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Während die FDP und die Grünen eine solche Loslösung des Netzes befürworteten oder ihr zumindest nicht abgeneigt waren, soll es aus der SPD ein klares Veto gegeben haben. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses war noch unklar, wann der neue Koalitionsvertrag erscheint und ob es darin eine Aussage zu dem Thema geben wird. Doch eines scheint gesichert: Wie auch immer die Entscheidung ausfällt, das Thema ist damit noch längst nicht vom Tisch, köchelt es doch schon einige Jahrzehnte vor sich hin und wird sicher auch von einer neuen Regierung nicht endgültig gelöst werden. Daher stellt sich die Frage, warum überhaupt eine stärkere Separierung bis hin zur Aufspaltung des Bahnkonzerns gefordert wird, wo doch das bisherige Konstrukt schon seit Bestehen der DB existiert: Die DB Netz als Tochter der DB ist fast für das komplette Schienennetz in Deutschland verantwortlich, sieht man von einigen Gleisen auf Werksgeländen und wenigen anderen Strecken ab. Daher werden auf dem DB-Netz gut 95 Prozent des Personen- und Güterverkehrs abgewickelt. "Es wird Zeit, die Infrastruktur ausschließlich nach Qualitätskriterien und Kundenzentrierung zu führen", sagt Tobias Heinemann, Präsident von Mofair, einer Interessenvertretung von Unternehmen für fairen Personenfernverkehr. Gemeinsam mit anderen Verbänden wie dem Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), dem etwa 90 Güterbahnen angehören, spricht sich das Bündnis für eine stärkere Separierung von Infrastruktur- und Transportgesellschaften des DB-Konzerns aus. Nicht ohne Grund ist allerdings nicht von einer Trennung von Netz und Betrieb die Rede. Vermutlich sind sich die Bündnisvertreter bewusst, dass auf dem Weg zu einer Trennung enorm hohe Hürden stehen, die kaum zu überspringen sind. Fokus auf Qualität, nicht auf Gewinn Das Bündnis im Mofair argumentiert, dass DB Netz im jetzigen Konzernverbund zu sehr dem Ziel der Gewinnerzielung unterliegt. Maßnahmen, die der Verbesserung der Qualität im Netz dienen, aber auf den ersten Blick oder kurzfristig sehr teuer und damit nicht rentabel erscheinen, werden daher unterlassen. Zudem unterstellen die Befürworter einer Separierung, dass dem Konzern Gelder vom Eigentümer Bund zur Verfügung gestellt werden und dann nicht eindeutig nachweisbar ist, ob denn die für das Netz eingeplanten Gelder auch tatsächlich dort in vollem Umfang verbleiben. Sie befürchten Wettbewerbsverzerrungen, weil Privatbahnen nicht in den Genuss eines solchen staatlichen Mittelflusses kommen. Das Bündnis befürwortet die Erhöhung der Mittel für das Schienennetz - fordert aber eine stärkere Separierung von den anderen Gesellschaften. Der Vorteil: Der Eigentümer - der Bund - könne dann aufgrund der größeren Transparenz genau erkennen, was mit dem Geld gemacht werde, und auch stärker darauf Einfluss nehmen, wo in das Netz investiert wird - beispielsweise in die Elektrifizierung bestimmter Streckenabschnitte. Der Bund müsse dann nicht auf einen DB-Vorstand einwirken, der auf seine Eigenständigkeit pocht, die Interessen seiner Transporttöchter im Blick hat und daher Entscheidungen über den Netzausbau anders trifft, als der Bund es möchte. Integriertes System nicht zerschlagen Als Gegner der Separierung hat sich in der Debatte vor allem die Gewerkschaft EVG hervorgetan. Sie hat letzte Woche vor der Parteizentrale von Bündnis 90/Die Grünen gegen die "Zerschlagung der Bahn" der DB demonstriert. Vor allem befürchtet sie, dass mit einer solchen Separierung der Verlust von Arbeitsplätzen einhergeht. Aber das ist nicht das einzige Argument und wäre sicher auch nicht ausreichend. Die Befürworter einer Einheit von Netz und Betrieb sehen den Bahnverkehr als ein integriertes System an, bei dem Schiene (Netz) und Rad (Bahnunternehmen) eng miteinander verbunden sind. Eine Trennung würde zu Debatten über Verantwortung, Schnittstellen und Kommunikation führen und damit das System enorm schwächen. Und sie führen ins Feld, dass erfolgreiche Bahnen wie die SBB in der Schweiz als integrierter Konzern agieren, während die Trennung von Netz und Betrieb in Frankreich oder Großbritannien gescheitert sei. Dem hält jedoch das Bündnis um Mofair entgegen, dass es im Falle von Frankreich keine klare Trennung zwischen den beiden Bereichen gegeben habe und es daher zu Kompetenzstreitigkeiten gekommen sei. Und man strebe auch keine Privatisierung des Schienennetzes wie in Großbritannien an, sondern eine gemeinnützige Orientierung im Bundeseigentum. Letztlich kann keine der beiden Parteien mit Sicherheit für sich reklamieren, die beste Lösung zu haben. Daher scheint eines gewiss: Die Debatte um Netz und Betrieb bei der DB wird anhalten - wie auch immer die neue Regierung sich dazu entscheidet. Mehr zum Thema finden Sie unter #DeutscheBahn www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Groß-Demo der Gewerkschaft EVB in Berlin zur Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn: Das war eines der ganz wenigen Güterverkehrsthemen, über die aus den Koalitionsverhandlungen etwas nach außen drang. Wird die neue Regierung hier womöglich die Weichen neu stellen? Fakten zum Schienennetz Schienennetz der Deutschen Bahn (DB): 33.000 Kilometer (km) Kein Land in der EU hat ein längeres Bahnnetz als Deutschland (38.416 km; 2018). Frankreich folgt auf Platz zwei (27.593 km). Das Netz von Polen (Platz drei) ist nicht mal halb so lang (18.536 km). Das "Bahnland" Schweiz verfügt über 4032 km Schienen. Auf dem Schienennetz erbringt im Güterverkehr DB Cargo mit 43 bis 45 Prozent die meisten Verkehrsleistungen. Tendenz: sinkend. Den Rest wickeln Privatbahnen ab.

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