Nach dem drohenden Warnstreik bei der Bahn stehen die Zeichen nun wieder auf Verhandlungen. Die Vertreter der Deutschen Bahn und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG wollen in den kommenden Tagen im kleinen Kreis zusammenkommen und mögliche Lösungswege im Tarifkonflikt ausloten. Den genauen Zeit- und Treffpunkt wollten beide Seiten am Freitag nicht nennen. Warnstreiks wird es vor dem geplanten Treffen keine geben.
Die EVG hatte bereits vor einigen Tagen angekündigt, dass sie nicht zu Arbeitsniederlegungen am kommenden Wochenende aufrufen wird. Am Samstag jährt sich das ICE-Unglücks von Eschede zum 25. Mal - und die Gewerkschaft will den Mitgliedern und Bahn-Beschäftigten nicht die Möglichkeit nehmen, zur Gedenkfeier zu reisen.
In den vergangenen Tagen schien es, als hätten sich die Tarifparteien bei ihren Verhandlungen komplett verhakt. Für Donnerstag den 1. Juni oder Freitag den 2. Juni wurde eigentlich ein Warnstreikaufruf der Gewerkschaft erwartet - stattdessen lud sie die Bahn-Vertreter aber zum Gespräch. „Wir sehen durchaus Möglichkeiten, eine Basis für konstruktive Verhandlungen zu finden. Darüber wollen wir in Ruhe reden“, hieß es in einer EVG-Mitteilung.
Die Bahn nahm das Angebot für ein Gespräch der Verhandlungsspitzen noch am Donnerstagabend an. „Wir erhoffen uns von diesem Gespräch, dass die EVG mögliche Kompromisse ihrerseits aufzeigt, die dann endlich zu einem Tarifabschluss führen“, sagte eine Sprecherin.
Die Gewerkschaft verhandelt mit der Bahn und 50 weiteren Unternehmen der Branche über Löhne und Gehälter für insgesamt rund 230.000 Beschäftigte. Der Fokus liegt auf den Verhandlungen mit der Deutschen Bahn, bei der rund 180.000 dieser Beschäftigten arbeiten.
Die Gewerkschaft fordert einen Festbetrag von mindestens 650 Euro im Monat mehr oder zwölf Prozent bei den oberen Lohngruppen. Die Laufzeit soll nach ihren Vorstellungen ein Jahr betragen. Die Bahn hatte bei den Verhandlungen Ende Mai stufenweise zwölf Prozent bei den unteren Lohngruppen in Aussicht gestellt. Insgesamt zehn Prozent mehr sollen die mittleren Gruppen bekommen und acht Prozent die oberen. Die erste Erhöhungsstufe soll noch in diesem Jahr kommen.
Hinzu käme eine ebenfalls stufenweise Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2850 Euro, die steuer- und abgabenfrei ab Juli gezahlt werden könnte. Die Laufzeit soll zwei Jahre betragen.
Die EVG lehnte dieses Arbeitgeberangebot ab. Daraufhin erteilte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler weiteren Verhandlungen vorerst eine Absage. Die entscheidenden Knackpunkte sind aktuell die Laufzeit des Tarifvertrags und die Frage, ob die Löhne und Gehälter prozentual oder mit einem Festbetrag erhöht werden.