Das gilt an der Rampe

Neue Praktiken bei der Lkw-Be- und Entladung verunsichern aktuell Spediteure und Frachtführer. Zum Beispiel die kostenpflichtigen Zeitfenster-Services für Expressrampen, die der Discounter Lidl derzeit an sechs Logistikzentren in Deutschland testet. Auch andere Industrie- und Handelsunternehmen versuchen derzeit, ihre eigenen Prozesse an den Laderampen zu optimieren. Mitunter gehen diese Maßnahmen aber zulasten der Speditionen oder der von ihnen beauftragten Frachtführer. Und nicht immer reicht das Handelsgesetzbuch (HGB) aus, um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die mit diesem Vorgehen verbundenen sind. Welche Geschäftspraktiken sind rechtlich zulässig, welche Pflichten haben Absender und Empfänger der Waren, und auf worauf müssen Speditions- und Transportunternehmen achten? In einem Merkblatt erläutert der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) jetzt die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen Zeitfensterbuchungen abgewickelt, Expressrampenbuchungen in Anspruch genommen und Standgeldansprüche geltend gemacht werden können. Zeitfenster-Buchungssysteme Zunächst beantwortet der DSLV in dem Merkblatt die Frage: Was ist bei Zeitfenster-Buchungssystemen von Handelsunternehmen zulässig und zu beachten? Der Abschluss eines Speditions- oder Frachtvertrages verpflichtet den Spediteur aus Sicht des Verbandes an sich nicht, solche Systeme zu nutzen. Auch wenn dies im Interesse seines Auftraggebers liegt, weil so die Transportabwicklung beschleunigt werden kann. Der Warenempfänger kann es ihm auch nicht vorschreiben, weil dafür die gesetzliche Grundlage fehlt. Sollte der Warenempfänger die in seinem Zeitfenster-Buchungssystem angemeldeten Fahrzeuge bevorzugt abfertigen, kann der Spediteur dies zwar nicht verhindern. Jedoch kann er dann bei einer Überschreitung der Entladezeit seine Rechte aus Paragraf 419 HGB wahrnehmen oder Standgeld verlangen, erklärt der DSLV. Weitergehende Schadenersatzansprüche seien in der Regel ausgeschlossen. Es sei denn, der Spediteur könne die ihm nach Paragraf 419 HGB zustehenden Maßnahmen (beispielsweise die Entladung des Guts) nicht oder nicht rechtzeitig ergreifen, um Folgeaufträge durchzuführen. Sofern eine Avisierung über ein Zeitfenster-Buchungssystem erfolgt, schließt der Spediteur mit einem IT-Dienstleister des Handelsunternehmens einen Software-Nutzungsvertrag. Damit verpflichtet er sich, für jede Buchung eine Gebühr zu zahlen. Mangels anderweitiger Vereinbarung im Vertrag mit seinem Auftraggeber kann der Spediteur keine Erstattung dieser Gebühren von seinem Auftraggeber verlangen - ebenso wenig wie den erhöhten Personalaufwand in seiner Disposition. Hier handelt es sich nicht um Aufwendungen für das Gut. Ziffer 17.1 der ADSp 2017 findet also keine Anwendung. Gelingt es einem Spediteur nicht, im Buchungssystem des Warenempfängers ein Zeitfenster zu buchen, liegt aus DSLV-Sicht ein Ablieferungshindernis im Sinne von Paragraf 419 HGB vor. Denn der Spediteur muss davon ausgehen, dass an der Ablieferungsstelle alle Entladeplätze belegt sind. Er habe in diesem Fall die Weisung seines Auftraggebers einzuholen. Anders ist die Rechtslage, wenn das Gut schon an der Ablieferungsstelle angekommen ist. Ab diesem Zeitpunkt darf der Empfänger eine entsprechende Weisung geben. Dasselbe gilt, wenn es im Rahmen der ihm obliegenden Transportorganisation nicht gelingt, ein seiner Tourenplanung Rechnung tragendes Zeitfenster zu buchen, de facto aber frühere oder spätere Zeitfenster zur Verfügung stehen. Zwar führe nicht jede Leistungserschwerung zu einem Ablieferungshindernis, so der DSLV. Doch sei dem Spediteur die Buchung eines anderen zur Verfügung stehenden Zeitfensters dann nicht zuzumuten, wenn mit demselben Lkw die Durchführung nachfolgender Touren oder die weitere termingerechte Be- und Entladung nicht mehr gewährleistet und damit die vertragsgemäße Abwicklung anderer Aufträge gefährdet ist. Kann der Spediteur innerhalb angemessener Zeit keine bindenden Weisungen erhalten, muss er das tun, was im Interesse des Verfügungsberechtigten (Auftraggeber oder Empfänger) das Beste zu sein scheint. Er wird nach Einschätzung des DSLV insbesondere prüfen müssen, ob er ohne gebuchtes Zeitfenster zur Entladestelle fährt. Gegebenenfalls könne er auch von seinen rechtlichen Möglichkeiten gemäß Paragraf 419 HGB Gebrauch machen, vor allem der Entladung und Verwahrung der Güter. Nutzt der Spediteur nicht das vom Warenempfänger angebotene Zeitfenster-Buchungssystem, liegt laut dem DSLV nur dann eine Vertragsverletzung vor, wenn dies gegen eine zuvor dazu abgeschlossene Vereinbarung verstößt. Nur dann hat der Spediteur gegebenenfalls die Kosten für eine zweite Anfahrt zu tragen, und er kann bei überlangen Wartezeiten kein Standgeld verlangen. Zudem läuft er Gefahr, dem Auftraggeber und/oder Warenempfänger einen Schaden ersetzen zu müssen, wenn dadurch keine angemessene Lieferfrist eingehalten werden konnte. Expressservice an der Laderampe In dem Merkblatt gibt der DSLV darüber hinaus eine rechtliche Bewertung zu kostenpflichtigen Entladeservices ab, die einige Warenempfängern anbieten. Deren Nutzung ist demnach losgelöst von dem zugrunde liegenden Speditions- und Frachtvertrag zu betrachten. Dafür schließen der Spediteur und der Warenempfänger einen separaten Vertrag. Der Spediteur könne in der Regel keine Erstattung der Kosten für den Express-Rampen-Service verlangen, wenn er keine entsprechende Vereinbarung mit seinem Auftraggeber hat. Damit liegt nach Verbandsauskunft die Ursache für die Inanspruchnahme eines Express-Services in seiner Betriebsrisikosphäre (siehe auch Ziffer 17.1 ADSp 2017). Obwohl es nach den Paragrafen 412 und 421 HGB bei palettierter Ware an sich zu den Pflichten des Empfängers gehört, die Ware bei der Anlieferung zu entladen - sofern nichts anderes vereinbart ist. Nur wenn ein Auftraggeber für die verspätete Anlieferung beim Warenempfänger verantwortlich ist, kann der Spediteur laut dem DSLV verlangen, dass dieser ihm die Kosten für den Expressservice ersetzt. Dies setze aber voraus, dass der Spediteur den Produzenten oder Lieferanten der Ware um entsprechende Weisung bittet, diese Dienstleistung zu nutzen, und der Auftraggeber ihm diese erteilt hat. Trifft der Spediteur mit dem Warenempfänger eine Absprache über die Nutzung der Expressrampe, wird aber nicht innerhalb des versprochenen Zeitraums entladen, macht der Warenempfänger sich nach DSLV-Angaben übrigens schadenersatzpflichtig. Der Spediteur könne dann von ihm verlangen, dass er den entstandenen Schaden erstattet. Recht auf Standgeld Der Gesetzgeber schreibt eine angemessene Entladezeit vorDer Spediteur habe nur dann Anspruch auf Standgeldanspruch, so der DSLV, wenn die laut Paragraf 412 HGB "angemessene" Entladezeit unverschuldet überschritten ist. Die abstrakte gesetzliche Vorgabe lässt die Bestimmung einer angemessenen Frist unter Berücksichtigung der Art des Guts, der Ladehilfsmittel, der Fahrzeugart, der Ladetechnik, der Anzahl der Be- und Entladestellen und anderer Begleitumstände zu. Für diese Entladezeit kann der Spediteur keine besondere Vergütung verlangen.Die Zeitspanne, in der er das Fahrzeug bereithalten muss, wird also durch die vereinbarte Fracht vergütet und ist in diese einzukalkulieren. Aufgrund des schwammigen Gesetzestextes empfiehlt der DSLV, dass Auftraggeber und Spediteur diese durch eine Vertragsklausel konkretisieren. ag