Das Ende der Zettelwirtschaft?

Palettentausch ohne Papierkrieg und Wartezeiten? Der digitale Palettenschein ist zweifellos ein Segen für alle Beteiligten im Tauschzyklus - vor allem für Spediteure. Wer die Gelegenheit zur digitalen Palettenkontoführung ergreift, spart sowohl Ressourcen als auch Zeit. Gutschriften in Echtzeit Die Logistikgruppe Rigterink mit Stammsitz in Nordhorn etwa bewegt neben Chep-Paletten hauptsächlich Europaletten. Seit 2014 arbeitet man mit dem Poolingdienstleister InterPal zusammen, über den insbesondere das Palettenmanagement mit dem Kunden Rossmann abgewickelt wird. Der Vorteil von InterPal, den das Unternehmen auch als Alleinstellungsmerkmal für sich beansprucht: Ein InterPal-Konto bei den Tauschpartnern vorausgesetzt, können Palettengutschriften mit wenigen Klicks digital eingereicht werden. Eine entsprechende Guthabenbuchung findet demnach in Echtzeit mit Abschluss des digitalen Einreichungsprozesses statt. So kann auch Rigterink den Tausch von rund 20 Prozent seiner Europaletten mit digitalen Palettenkonten abbilden. "Wir können Ladungsträger direkt vor Ort verbuchen und ersparen uns so Fahrten, um Leerpaletten von A nach B zu bringen. Der aktuelle Saldo erscheint in Echtzeit auf unserem Konto, wir können sofort darüber verfügen", sagt Friedhelm Egbers, bei Rigterink für Fuhrpark- und Palettencontrolling verantwortlich. "Für den Fahrer entfallen lästige Standzeiten an der Entladestelle, und für uns in der Palettenabteilung ist die digitale Buchung in Echtzeit natürlich eine große Erleichterung, weil wir viel weniger manuell einbuchen müssen", freut sich Egbers. Auch Poolingdienstleister Paki sagt der Zettelwirtschaft den Kampf an und hat Ende 2019 seinen E-Voucher europaweit ausgerollt. Ein Anwender ist beispielsweise die BTK Logistik aus Rosenheim, die von Paki Dienstleistungen wie Gutscheinverwaltung und Lieferung oder Abholung von Paletten bezieht. Die E-Voucher erhält der Logistiker von Handelsunternehmen, die er im Auftrag seiner Kunden beliefert. Sie sind mit einem Barcode versehen, die entsprechende Lademittelanzahl wird per Scan auf das Paki-Konto gebucht. Vorher wurden die Palettenscheine entweder im Original zu Paki geschickt oder Abholungen beauftragt beziehungsweise die Paletten 1:1 vor Ort getauscht. "Zum einen erleichtert uns der E-Voucher die Verwaltung und Kontrolle der Palettenscheine im Büro, und zum anderen werden die bisher langen Wartezeiten an der Rampe verkürzt", sagt Barbara Grote, Abteilungsleiterin Service/Lademittel bei BTK. Neutrale Lösungen gesucht Die digitalen Palettenscheine der Dienstleister sind jedoch einem exklusiven Zirkel vorbehalten: Sie beziehen sich auf die Palettenkonten der jeweiligen Poolingdienstleister. Neutrale Lösungen dagegen sind rar. Das Start-up Poolynk etwa bietet seinen Nutzern die cloudbasierte Erfassung und Verwaltung des Ladungsträgertauschs: Die mittels App von Versender, Frachtführer und Empfänger erfassten Lademittel-Bewegungen werden im Poolynk-Webportal in Echtzeit abgebildet, ein digitaler Abliefernachweis mit allen relevanten Informationen wird generiert. Die App ist gratis, für die Echtzeit-Buchung werden 0,25 Cent pro Ladungsträger fällig. Die Blockchain soll's richten Hoffnungen, dass eines Tages ein einheitlicher Standard für den digitalen Palettenschein kommt, weckt derweil ein neues Projekt unter der Steuerung von GS1. Innerhalb von zwei Jahren wollen die Projektpartner, darunter handelsseitig Edeka und Lidl, die Hersteller Henkel und Vitakraft und aus der Logistik die Nagel-Group, Paki und Thermotraffic, eine Blockchain-basierte, marktreife Lösung zum digitalen Tausch von unterschiedlichen Ladungsträgern entwickeln. Dass dies rein technisch möglich ist, hatte bereits ein Pilotprojekt vor zwei Jahren gezeigt. Als Krux stellten sich vielmehr die noch zu entwickelnden Governance-Strukturen heraus: Wie Synergien zwischen Tauschpartnern geschaffen werden können, ohne dass zu viel über sensible Geschäftsaktivitäten verraten wird, und wie der digitale Ladungsträgertausch konkret aussehen könnte, erläutert Dirk Freda von GS1 im Interview. Mehr zum Thema finden Sie unter #Paletten www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Wie kann der Austausch von Ladungsträgern mit digitalen Mitteln vereinfacht werden? Während manche Poolingdienstleister bereits digitale Palettenscheine eingeführt haben, fehlt für die neutrale Lösung für alle Anwender nach wie vor ein Standard. Dieser könnte mittels Blockchain gesetzt werden. "Der digitale Fußabdruck muss möglichst klein sein" Wie können Spediteure konkret vom Lademitteltausch per Blockchain profitieren?Der Spediteur als Botengänger im Kreislauf spart Ressourcen und letztendlich auch Geld, wenn manuelle Abgleiche von Palettenscheinen entfallen und Palettenschulden digital beglichen werden können, anstatt Ladungsträger hin und her zu fahren. Vor allem aber könnte die Diskussion an der Rampe entschärft werden: Zwischen Sender und Empfänger sowie der Transportebene werden nicht selten unterschiedliche Absprachen getroffen, was Qualität der Tauschpaletten oder deren Rückführung angeht. Durch die digitale Verknüpfung aller Partner und die Transparenz, die dadurch entsteht, kann man diese Prozesse optimieren.Stichwort Transparenz: Was müssen Bedenkenträger wissen?Der digitale Fußabdruck soll möglichst gering gehalten werden und auf die notwendigsten Informationen beschränkt bleiben. Der Nutzer muss die Hoheit über seine Daten behalten, könnte aber valide Daten sukzessive freigegeben. Das schafft Synergien ohne komplette Transparenz über die eigenen Geschäftsaktivitäten, die ja viele Beteiligte abschrecken würde. Ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen möchte, dass jemand zehn Paletten einer bestimmten Qualitätsstufe bei ihm abholt, sieht niemand, wo die Paletten vorher waren. Auch für Ringtausche wäre das Verfahren absolut sinnvoll, denn dann müsste physisch nichts mehr bewegt werden. Es bleibt aber dabei: Wenn ich Prozesse optimieren und nicht länger durch Administration und unnötige Transporte Geld verbrennen will, muss ich eben ein wenig von mir preisgeben.Wie soll das marktreife Produkt am Ende aussehen?Es gibt bereits diverse Insellösungen. Nun braucht es ein einheitliches Regelwerk, um diese und kommende Lösungen interoperabel zu machen. Es wird eine Referenzimplementierung angestrebt - jedes Unternehmen wird diese aber in die eigene Systemumgebung und für seine eigenen Zwecke anpassen. Des Weiteren könnten sich Palettenverwaltungs-Module von Transport-Management-Systemen andocken, auch Lademittel-Apps für die Rampe sind denkbar. Wir als GS1 wollen zusammen mit den Projektpartnern eine digitale Lösung entwickeln, die auf Basis von Standards dezentral angelegt und damit für alle offen ist - für ein zukunftsfähiges, kollaboratives Ladungsträgermanagement. mhDirk Freda, Lead Competence Center Supply Chain Management bei GS1 Germany

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