Frankfurt/Main. Stellenstreichungen, Zwangsurlaub für die Crews, stillgelegte Flugzeuge und ein erneuter Flugstopp für Südafrikas Airline: Die Krise der internationalen Luftfahrtindustrie im Zeichen der Corona-Pandemie spitzt sich zu.
Während bei Inlandsflügen in China, Brasilien oder Russland wieder mehr Menschen mit dem Flugzeug unterwegs sind, schwächeln die internationalen Verbindungen umso deutlicher. Für den August meldet der Airlineverband IATA global nur noch ein knappes Viertel der Nachfrage aus dem Vorjahr und senkt erneut seine Verkehrsprognose für das Gesamtjahr 2020.
Vor allem auf der Langstrecke leiden die Airlines und mit ihnen die Beschäftigten unter den Reisebeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie. Die Lufthansa wollte zum Jahresende eigentlich bereits wieder 50 Prozent ihres üblichen Programms fliegen, hat nun aber wegen fehlender Nachfrage den Flugplan auf rund 30 Prozent zusammengestrichen, die Fernflüge erreichen keine 10 Prozent. „Derzeit gibt es ein Bündel an unterschiedlichen Reisebeschränkungen, Quarantäneregeln und Teststrategien, die den Airlines eine Wiederaufnahme des normalen Flugbetriebs unmöglich machen“, analysiert der Chef der Deutschen Flugsicherung, Klaus-Dieter Scheurle.
Zwangsbeurlaubung von 32.000 Beschäftigten bei American Airlines
In den USA gipfelte an diesem Donnerstag der Streit um weitere milliardenschwere Staatshilfen in der Zwangsbeurlaubung von 32.000 Beschäftigten bei den Branchenriesen American Airlines und United. Diese erhöhen damit den Druck auf Republikaner und Demokraten, die sich bislang nicht einigen konnten. Beide Airlines erklärten jedoch, betroffene Mitarbeiter könnten zurückgerufen werden, sollten die Verhandlungen über weitere Hilfen in den nächsten Tagen zu einer Einigung führen.
In Europa sieht es nicht besser aus. Wenn die Flugsicherung erwartet, bei den Flugbewegungen im deutschen Luftraum im Jahr 2025 das Niveau vor Corona wieder zu erreichen, gehört sie damit bereits zu den Optimisten. Air France, British Airways und Lufthansa - alle großen Gesellschaften wollen trotz Staatshilfen tausende Jobs streichen und rechnen mittelfristig mit deutlich verkleinerten Flotten. Auch die finanzstarken und kostengünstig aufgestellten Billigflieger wie Ryanair oder Easyjet reduzieren flächendeckend Angebot und Crews mit ungewisser Perspektive.
1100 Piloten zu viel bei Lufthansa
Statt rund 800 Flugzeugen sollen in der „neuen Normalität“ des Lufthansa-Konzerns nur noch rund 650 Jets unterwegs sein, mit entsprechend weniger Personal. Ihren rund 700 Flugschülern hat das Unternehmen bereits geraten, sich möglichst umgehend einen anderen Job zu suchen. Auf Jahre hinaus gebe es bei den Konzern-Airlines keinen zusätzlichen Pilotenbedarf, hieß es zum Ende der Karriereträume vieler hoffnungsvoller Jungflieger. Allein bei der Lufthansa-Kerngesellschaft sind nach Aussagen von Vorstandschef Carsten Spohr rund 1100 von 5000 Piloten zu viel an Bord.
In dem Konzern mit zuletzt rund 128.000 Beschäftigten treten die grundsätzlichen Konflikte mit der Belegschaft immer deutlicher zu Tage. Eine in der Krise dringend benötigte gemeinsame Linie etwa zu übergreifenden Teilzeit- oder Vorruhestandsregelungen ist in weite Ferne gerückt. Stattdessen machen Gewerkschaften und Personalvertretungen gemeinsam Front gegen Pläne, Teile des Lufthansa-Verkehrs auf der neuen, nicht tarifgebundenen Plattform „Ocean“ zu organisieren. Die Ausschreibung von mehreren hundert schmal dotierten Ocean-Jobs kommt bei der Belegschaft gar nicht gut an, wenn gleichzeitig rund 27.000 Stellen gestrichen werden sollen. Weil zudem neun Milliarden Euro Staatshilfe an den Konzern fließen, lautet der Vorwurf „Tarifflucht auf Steuerkosten“.
Spohr will sich mit den neu entwickelten Corona-Gentests aus der Quarantäne-Falle befreien. Mit ihren schnell verfügbaren Ergebnissen könnten sie zum Schlüssel zu Wiedereröffnung zahlreicher Strecken insbesondere auf dem wichtigen Nordatlantik-Markt werden. Die Zustimmung der beteiligten Staaten vorausgesetzt, soll bis zum zweiten Quartal 2021 ein kleines testbasiertes Streckennetz etabliert werden. (dpa/sn)