Bonn/Frankfurt am Main. Der Vorschlag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die Einnahmen aus der Lkw-Maut vermehrt für eine Verlagerung des Gütertransports auf die Schiene umzuverteilen, stößt bei den Verbänden der Transport- und Logistikbranche auf Kritik. Bis 2022 will der Bund durch die Lkw-Maut durchschnittlich rund 7,2 Milliarden Euro pro Jahr einnehmen. Der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) fordert, dass der geschlossene Finanzierungskreislauf beibehalten wird.
Umverteilung kontraproduktiv für die Umwelt
„Die Zustimmung der Wirtschaft zu den vielen Mautausweitungen und Mauterhöhungen der vergangenen Jahre war immer strikt mit dem Prinzip der Zweckbindung verbunden“, betonte BWVL-Hauptgeschäftsführer Christian Labrot gegenüber der VerkehrsRundschau. Er bewertet Schulzes Vorstoß von Anfang dieser Woche als nicht zielführend und hofft, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zu seinen Versprechen „Straße finanziert Straße“ steht.
Scheuer steht unter Druck, weil vor allem der Verkehrssektor mehr tun muss, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Geringere Investitionen in den Erhalt der Straßeninfrastruktur hätten allerdings weniger Leistungsfähigkeit des Verkehrsnetzes und damit mehr Staus zur Folge, erklärte Labrot. Dies würde sich wiederum negativ auf die Umweltbilanz auswirken, da sich ein Großteil der Güter nicht vom Lkw auf andere Verkehrsträger verlagern ließe.
Mehr Geld bedeutet nicht gleich mehr Leistung
Unter Berücksichtigung der ambitionierten Klimaschutzziele könnten Mauteinnahmen aus Sicht von Labrot daher viel sinnvoller für eine langfristig angelegte Förderstrategie für energieeffiziente Nutzfahrzeuge eingesetzt werden, wie der BWVL bereits mit anderen Verbänden der Transport- und Logistiknbranche in einem kürzlich veröffentlichten Strategiepapier forderte.
Darüber hinaus seien Qualitätsverbesserungen bei der Schiene nicht allein von der finanziellen Ausstattung abhängig. In der Vergangenheit blieben oftmals hohe Summen bereitgestellter Investitionsmittel ungenutzt. Eine Umschichtung von Mauteinnahmen hätte daher nicht automatisch auch einen stärkeren Mittelabfluss zur Folge, so Labrot. Zwar bekenne sich der BWVL weiterhin zu einer Nutzerfinanzierung aller Verkehrsteilnehmer, dennoch müsse die Zweckbindung bestehen bleiben.
Verteilungsstreit zwischen Verkehrsträgern droht
Auch Adolf Zobel, Vorstandsmitglied beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), hält nichts von der Idee der Bundesumweltministerin. „An der Diskussion stört uns, dass nach dem aus unserer Sicht unvermeidlichen Investitionshochlauf im Verkehrssektor wieder ein Verteilungskampf zwischen den Verkehrsträgern um die Bundesmittel provoziert wird“, sagt er. Die Einnahmen aus der Lkw-Maut werden seit 2011 ausschließlich für die Bundesfernstraßen verwendet. Zobel wünscht sich, dass es dabei bleibt.
Angesichts des schlechten Zustands vieler Straßen und Brücken in Deutschland sei die Zweckbindung der Gelder weiter dringend nötig, um die Infrastruktur zu erhalten – und auszubauen, sagt er. Der Logistikstandort Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit der Straßentransportunternehmen dürften nicht geschwächt werden. „Andernfalls drohen Versorgungsengpässe etwa wegen Sperrungen.“
Alle Verkehrsträger sollen leistungsfähig sein
Zobel hat Verständnis, dass auch die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße auf mehr finanzielle Unterstützung von Staat angewiesen sind, um ihre Leistung zu verbessern. „Allerdings muss man bedenken, dass 80 Prozent der Güter heute auf der Straße befördert werden.“ Er rechnet damit, dass die Güterverkehrsnachfrage weiter zunimmt. „Um dieses Wachstum zu bewältigen, brauche die Wirtschaft sowohl eine hohe Leistungsfähigkeit der Straße als auch der Schiene und Wasserstraße.
Das BGL-Vorstandsmitglied hob zudem hervor, dass Diesel-Lkw Jahr für Jahr weniger Schadstoffe ausstoßen. Um darüber hinaus einen höheren Beitrag zu geringeren CO2-Emissionen leisten zu können, müssten Transportunternehmen auf marktreife Antriebsalternativen zugreifen können, sagt er. „Dazu bedarf es auch der erforderliche Versorgungsinfrastruktur für alternative Antriebstechnologien“, sagte Zobel in Richtung der Bundesregierung. (ag)
Kurt Senger