Österreich hat die Maßnahmen zur Beschränkung des Lkw-Verkehrs auf der Brenner-Autobahn bei einer Anhörung vor der EU-Kommission am Montag, 8. April, in Brüssel verteidigt. Die Anhörung war von der EU-Kommission angesetzt worden, weil Italien die Kommission darum gebeten hatte, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten. Bei dem nicht öffentlichen Treffen zwischen hohen Beamten der beteiligten Parteien hörten sich Vertreter der Kommission sowohl die österreichischen als auch die italienischen Positionen an. Über den genauen Inhalt der Gespräche wurde nach der Sitzung nichts bekannt. Die EU-Kommission hatte schon vorher angekündigt, sich nicht dazu zu äußern. Das wolle sie erst tun, wenn sie eine Entscheidung zu Italiens Bitte nach der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens getroffen habe, meldet die österreichische Nachrichtenagentur APA.
Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen
Aus „sicherer Quelle“ will APA allerdings erfahren haben, dass im Lauf der Anhörung keine grundsätzlichen Fragen bezüglich der österreichischen beziehungsweise Tiroler Maßnahmen gestellt wurden, sondern nur Fragen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die österreichische Seite habe das als positives Zeichen gewertet. Italien soll auch kein neues „Dossier“ vorgelegt haben, wie das zuvor der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) als Möglichkeit angekündigt haben soll.
Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) ließ sich nach dem Treffen mit folgenden Worten von APA zitieren: „Die Tiroler Notmaßnahmen sind rechtskonform - und ordentlich umgesetzt. Wir haben heute unsere umfangreichen Argumente auch in der mündlichen Verhandlung in Brüssel dargelegt. Ich bin überzeugt, dass unsere Expertinnen und Experten die österreichische Position gut vertreten haben. Und ich bin zuversichtlich, dass die Kommission die Menschen in Tirol versteht.“ Die Fakten seien auf der Seite Österreichs. „Das Leben und die Gesundheit der Tirolerinnen und Tiroler sind nicht verhandelbar“, fügte Gewessler hinzu.
Verstoß des freien Warenhandels?
Die EU-Kommission muss bis Mitte Mai auf die Aufforderung Italiens reagieren, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich zu eröffnen. Sollte sie ein Verfahren eröffnen, würde Österreich zweimal die Gelegenheit bekommen, die aktuellen Maßnahmen zu ändern. Österreich müsste dann die Maßnahmen zurücknehmen, durch die die EU-Kommission die EU-Verträge verletzt sieht. Sollte Österreich den Aufforderungen nicht nachkommen, könnte die Kommission in einem letzten Schritt Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagen.
Italien wirft Österreich vor allem vor, gegen das EU-Recht des freien Warenhandels zu verstoßen und will Österreich deshalb auf jeden Fall vor dem EuGH anklagen. Um das machen zu können, muss Italien zunächst die EU-Kommission darum bitten, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Sollte die EU-Kommission das nicht machen, kann Italien Österreich vor dem EuGH verklagen. EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean hatte vergangene Woche auf einer Pressekonferenz gesagt, dass die EU-Kommission kein Verfahren gegen Österreich eröffnen werde. Eine direkte Klage Italiens gegen Österreich sei der schnellere Weg, um rechtliche Klarheit beim Brenner-Streit zu erhalten. Die Anhörung der österreichischen und italienischen Beamten fand trotzdem statt.