Bericht aus Berlin: Mehr Verstöße

Nach wie vor verstoßen zunehmend Lkw-Fahrer gegen das Fahrpersonalrecht. Das geht aus einer Antwort des parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Florian Toncar, auf eine Anfrage des Abgeordneten Victor Perli von der Partei Die Linke hervor. Das Schreiben von Toncar mit einigen überraschenden Ergebnissen liegt der VerkehrsRundschau vor. Verstoßquote steigt auf 15,75 Prozent Bei den Verstößen gegen das Fahrpersonalrecht beruft sich Toncar auf Zahlen des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG). Die Daten liegen für 2020 und für das erste Halbjahr 2021 vor. 2020 hatte das BAG 93.654 Fahrzeuge hinsichtlich der Einhaltung von Fahrpersonalvorschriften kontrolliert. 11.938 Beanstandungen wurden erfasst (eine Beanstandung kann mehrere Verstöße beinhalten). Das entspricht einer Quote von 12,75 Prozent. Im ersten Halbjahr 2021 prüften die Beamten 49.748 Lkw. Bei 7.837 Fahrern stellten sie mindestens einen Verstoß gegen das Fahrpersonalrecht fest. Das entspricht einer Quote von 15,75 Prozent. Somit hat also im ersten Halbjahr 2021 der Anteil der Fahrer, die die Bestimmungen des Fahrpersonalrechts nicht einhalten, im Vergleich zu 2020 zugenommen. Zwar sind die Zeiträume nicht identisch. Doch ist nicht davon auszugehen, dass dies Einfluss auf den Anteil der Verstöße hat. Erfasst wurden zudem auch die Verstöße nach gebietsansässigen Fahrzeugen und gebietsfremden Fahrzeugen. Zwar ist die absolute Zahl der beanstandeten Fahrzeuge bei den gebietsfremden Lkw mehr als doppelt so hoch wie bei den gebietsansässigen Lkw. Aber es wurden auch mehr als doppelt so viele Lkw mit ausländischen Kennzeichen kontrolliert als mit einem Kennzeichen "D". Berechnet man wieder die Quote der Beanstandungen gegen das Fahrpersonalrecht, dann schneiden gebietsfremde Fahrzeuge sogar besser ab als die deutschen Lkw: Bei Gebietsfremden lag dieser Wert 2020 bei 12,35 Prozent und stieg im ersten Halbjahr 2021 auf 15,5 Prozent. Bei gebietsansässigen Lkw hingegen wurden 2020 bei 13,59 Prozent aller Fahrzeuge eine Beanstandung gegen das Fahrpersonalrecht festgestellt und im ersten Halbjahr 2021 bei 16,48 Prozent. Aus den Zahlen im Schreiben von Toncar lässt sich auch entnehmen, gegen welche Regeln im Personalrecht Lkw-Fahrer am häufigsten verstoßen: Mehr als 50 Prozent aller Verstöße registrieren die Kontrolleure bei der Nichteinhaltung der Ruhezeit. Die Nichtbeachtung der Regeln zur Lenkzeit ist zu etwa 27 Prozent der Grund für eine Beanstandung. Auf die Rubrik "Unterbrechungen" entfallen rund 20 Prozent der Verstöße. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung hat in der Branche Transport-, Spedition- und Logistikgewerbe auch zahlreiche Verstöße bei ihren Arbeitgeberprüfungen festgestellt. Im Jahr 2021 waren es 779 Verstöße gegen das Mindestlohngesetz, gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und die Lohnuntergrenzenregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Ein Jahr später waren es bei mehr Kontrollen mit 774 aber weniger Verstöße. Dieser sinkende Trend zeichnet sich auch in den ersten beiden Monaten des Jahres 2022 ab. Hingegen nehmen die Verstöße gegen die sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten und wegen leichtfertigen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt leicht zu, bei allerdings auch mehr Kontrollen. Daher liegt die Verstoßquote nahezu konstant bei knapp unter neun Prozent. Der Abgeordnete der Linken Perli hatte in seiner Anfrage auch die Frage gestellt, bis wann ein Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie für Lkw-Fahrer vorliegt. "Ein Kabinettstermin steht noch nicht fest", heißt es in dem Schreiben. Der Bundestagsabgeordnete der Linken kritisierte die Gesetzesverstöße mit den Worten: "Bei jeder zweiten Kontrolle im Transportgewerbe wurden Verstöße gegen das Arbeitsrecht festgestellt. Das darf nicht hingenommen werden." Perli fordert eine Anhebung der Bußgelder. Neben dem Zoll solle auch das BAG Verstöße gegen das Arbeitsrecht ahnden dürfen. "Wenn die Politik nichts gegen die Dumpinglöhne unternimmt, laufen wir auf eine Situation wie in Großbritannien zu, wo die Supermarktregale leer bleiben, weil Fahrer fehlen", so seine Befürchtung. Mit Blick auf die Verfehlungen der Unternehmen mahnte er: "Mindestlohnbetrug ist kein Bagatelldelikt, sondern Wirtschaftskriminalität." Mehr zum Thema unter #LenkundRuhezeiten www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Zahl der Verstöße von Lkw-Fahrern gegen das Personalrecht ist zwischen dem Jahr 2020 und dem ersten Halbjahr 2021 gestiegen. Der Bundestagsabgeordnete Victor Perli fordert daher eine Anhebung der Bußgelder. Zudem kritisiert er die Verstöße der Unternehmen gegen das Mindestlohngesetz. Statement - Kontrollstatistik: Zahlen alleine nicht aussagefähig! Markus Olligschläger, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) Der Blick auf die Kontrollstatistik soll Erkenntnisse über die (Nicht-)Einhaltung von Regelungen bringen. Zahlen können dabei nur die Basis sein und Schlussfolgerungen sollten nur unter Zuhilfenahme der jeweiligen Hintergrundfaktoren erfolgen. Bevor mit Forderungen nach höheren Bußgeldern scharf geschossen wird, hilft ein Blick auf die Besonderheiten zum Berichtszeitraum 2020 und 2021 (1. Halbjahr); dieser liegt im Schlagschatten der Coronapandemie. Damit verbundene Regeländerungen erfüllten zwar ihren Zweck zur Sicherung der Versorgung von Wirtschaft und Bevölkerung, haben aber deren Umsetzung um ein erhebliches Maß komplexer gestaltet und damit fehleranfälliger gemacht. Hinzu kam das konstante Jonglieren von Zeitfenstern an den Rampen mit Coronaschutzmaßnahmen, die für zusätzliche Herausforderungen im Zeitmanagement der Fahrer, Disponenten und Unternehmen gesorgt haben. Fast schon vergessen scheint für manche, dass die Organisation von Transporten in den beiden Kontrollzeiträumen einer nie dagewesenen Herausforderung unterlag. Ständig mussten neue Fahrer, Fahrzeuge und Unternehmen in die Lieferketten integriert, diese umgebaut oder neu entwickelt werden. Einfach mal höhere Bußgelder fordern, klingt fast schon so, als ob man die Branche fester an die Kandare legen wollte, dem tradierten Negativimage folgend. Die Leistung besteht gerade darin, dass die Beanstandungsquote vor dem skizzierten Hintergrund nicht noch höher lag, Transport und Logistik haben doch eine Erfolgsstory erster Güte abgeliefert - Zahlen alleine reichen eben nicht! Wie wären die Kontrollergebnisse wohl ausgefallen bei mehr Planungssicherheit und weniger Bürokratie? Mehr unter: www.bwvl.de

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