Bangen und hoffen

Wir müssen Transportaufträge ablehnen, weil wir nicht wissen, wie wir sie fahren sollen. Selbst deutlich höhere Fahrerentgelte helfen nicht mehr", sagte Jochen Eschborn, Vorstand des Transportverbundes Elvis AG, auf den Priener Logistikgesprächen 2018 vergangene Woche. Der Fahrermangel sei sogar so groß, dass etliche Transportbetriebe inzwischen erhebliche Umsatzeinbußen zu verkraften haben. Ressource ausländischer Fahrer versiegt Problem ist: An dieser Situation wird sich auf absehbare Zeit wohl wenig ändern. Das zeigten Zahlen von Wolfgang Inninger, Leiter des Projektzentrums Verkehr, Mobilität und Umwelt in Prien, der die Veranstaltung moderierte. So fehlen in Deutschland derzeit rund 45.000 Lkw-Fahrer im Jahr. Zudem ist laut Inninger heute schon eine Million Lkw-Fahrer älter als 45 . Und davon gehen jedes Jahr etwa 50.000 in den Ruhestand - Tendenz steigend, während nur etwa 10.000 Neuanfänger nachrücken. Selbst die Ressource ausländischer Fahrer versiege, ergänzte Eschborn, weil diese verstärkt in ihre Heimatländer zurückkehren. Was also hilft, den Fahrermangel in den Griff zu bekommen? Was können Arbeitgeber dafür tun, welches Lösungspotenzial bergen technische Neuerungen wie etwa automatisierte Lkw? Alles das wurde auf den Priener Logistikgesprächen diskutiert. Ein Fazit war: Bis tatsächlich autonome Lkw fahrerlos auf deutschen Straßen fahren, wird es noch sehr lange dauern. Auch Christoph Schuler, Public Affairs Referent von MAN Truck & Bus, betonte, dass Lkw-Fahrer noch lange nicht komplett ersetzt werden könnten, dafür seien sie zu intelligent. Die Frage sei überdies, so Elvis-Vorstand Eschborn, was mache ein Fahrer in Zeiten autonom fahrender Lkw? "Ich sitze ja auch nicht sechs Stunden vor meinem Computer und beobachte ihn", meinte er. Dies könne man daher auch von keinem Fahrer erwarten, und dass sich dieser zwischenzeitlich in die Kabine schlafen lege, könne er sich auch nicht vorstellen. Im innerbetrieblichen Verkehr auf dem Betriebsgelände von Unternehmen ist der Einsatz solcher Lösungen vorstellbar. Das ist das Resümee einer Studie, die Holger Schulz, Projektleiter Informations- und Sicherheitslogistik vom Fraunhofer IML in Prien, vorstellte. Im Auftrag des Verbands der Automobilindustrie (VDA) hatte er diese Frage untersucht. Vor allem die Werksgelände von Systemlogistikern sowie die Umschlagsterminals des Kombinierten Verkehrs und des Handels bieten hier, so Schulz, aufgrund ihrer guten Organisation, etwa vorgegebene Verkehrswege und einheitliche Ladeeinheiten, gute Voraussetzungen für den Einsatz automatisierter Lkw - mit entsprechenden Prozessverbesserungen durch die Automatisierung. In anderen Branchen sei dies dagegen noch ungleich schwieriger. Bis der fahrerlose Lkw kommt, müssen sich die Unternehmen also andere Lösungen einfallen lassen, um Fahrer zu finden und zu binden. Toppriorität bei alledem ist, darin waren sich alle Experten einig: Das Image des Fahrerberufs muss besser werden. Denn noch immer sei das Image dieses Berufsbildes zu schlecht. Zum Teil weil Kindern schon in der Schule ein zu negatives Bild davon vermittelt werde, teils weil die Medien fallweise zu negativ darüber berichten, monierte Günther Splitter, Geschäftsführer der Spedition Splitter Logistik. "Zum Teil ist das Gewerbe an diesem schlechten Image aber auch selbst schuld", räumte Eschborn ein. "Wir haben uns lange knebeln lassen; die Preise sind immer nach unten gegangen, und das wurde letztlich auf dem Rücken der Fahrer ausgetragen." Wobei das Image auch durch vereinzelte schwarze Schafe geprägt werde, die zum Beispiel ihre digitalen Tachographen manipulieren, um so die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten zu umgehen. Darauf verwies Sebastian Lechner, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied vom Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT). Deshalb versuche sein Verband das Bundesamt für Güterverkehr für dieses Thema zu sensibilisieren. "Solche Digi-Tacho-Manipulationen sind nun einmal keine Schuljungen-Streiche", so Lechner. "Dahinter steckt kriminelle Energie." Mehr Ruheräume, geregelte Arbeitszeit Unabhängig davon müssen die Arbeitgeber selbst nachbessern, um den Fahrerberuf attraktiver zu gestalten. Zum Beispiel bei den Ruhezeiten: Hier müssen den Fahrern ausreichend Möglichkeiten für Ruhepausen zur Verfügung gestellt werden, forderte Lechner und verwies auf das gemeinsame Projekt "Shared Parking Space" des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Kravag Logistic und SVG. Ziel sei es, dass Transport- und Industrieunternehmen ihre Betriebshöfe für Kooperationspartner öffnen und dort Container aufstellen, damit deren Fahrer zum Beispiel übernachten können. "Entspannen lässt sich der Fahrermangel aber nur durch eine Entkoppelung von Fahrzeug und Fahrer." Davon zeigte sich Eschborn überzeugt. So fahre bislang ein Lkw von München nach Bremen und einer von Bremen nach München. Besser sei es aber, schlug er vor, wenn sich die Fahrer in der Mitte treffen und ihre Ladung dort tauschen. So mache man es zum Beispiel auf sogenannten Traileryards in den USA. "Ziel muss ein industrialisierter Ladungsverkehr sein. Dann hat der Fahrer auch geregeltere Arbeitszeiten." Automatisierte Lager helfen Fahrern Und dass solche geregelten Arbeitszeiten gerade der jüngeren Generation wichtig sind, zeigte auch eine Befragung unter 1000 Lkw-Fahrern, die die Elvis soeben mit dem betriebswirtschaftlichen Institut der Universität Stuttgart durchgeführt hat. Die Studie kam zu einem interessanten Ergebnis: Neben mehr Wertschätzung seitens der Arbeitgeber wünschen sich die dafür befragten Fahrer laut Eschborn vor allem ein stärkeres Engagement der Transportfirmen in puncto Öffentlichkeitsarbeit: "Die Mehrheit fordert, dass der eigene Arbeitgeber die Bedeutung des Fahrerberufs deutlicher hervorhebt", betonte der Elvis-Vorstand. Bleiben schlussendlich die nach wie vor unzureichenden Bedingungen an den Lade-Rampen der Verlader. Sie sind einer der maßgeblichen Gründe dafür, warum sich Touren nicht fahrerfreundlicher planen lassen. Hier hilft laut Eschborn nur eines: "Speditionen müssen mit ihren Kunden die Be- und Entladesituation an den Rampen analysieren und so die Belastungen für die Fahrer minimieren", appellierte er. Und hier könnte die Digitalisierung der Transportbranche ein wenig in die Hände spielen. "Das automatisierte Lager würde uns helfen. Dann müsste der Fahrer nicht mehr be- und entladen. Wir würden uns dadurch Stunden an den Rampen sparen", betonte Lechner. Das Gleiche gelte auch für den Palettentausch. "Hier könnte uns die Digitalisierung früher helfen als das automatisierte Lkw-Fahren", ist sich der LBT-Mann sicher. Mehr zum Thema im Dossier "Berufskraftfahrer" www.verkehrsrundschau.de/dossiers