Frankfurt/Berlin. Der dritte Streik im Güterverkehr der Deutschen Bahn stellt die chemische Industrie vor erhebliche Herausforderungen. „Erneut müssen die Unternehmen mit ihren Kunden und Logistikdienstleistern kurzfristig flexible Lösungen entwickeln“, teilte der Verband der Chemischen Industrie mit. „Das zieht einen immensen Personalaufwand und erhebliche zusätzliche Kosten nach sich.“ Der Bundesverband der Deutschen Industrie erneuerte seine Kritik am Vorgehen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).
Neben dem Streik im Personenverkehr hat die GDL zu einem mehr als fünftägigen Streik im Güterverkehr der Bahn aufgerufen. Der Arbeitskampf sollte am Mittwochabend (17 Uhr) beginnen.
Die erneute Unterbrechung der ohnehin äußerst angespannten Lieferketten gefährde die wirtschaftliche Erholung, warnte der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen. „Massenguttransporte, etwa die Rohstoffversorgung der Stahlindustrie, müssen jetzt so weit wie möglich auf die Binnenschifffahrt verlagert werden. Zeitkritische Güter werden trotz knapper Laderaumkapazitäten nur mittels Lkw zu transportieren sein“, erklärte der Verkehrsexperte des Verbands, Carsten Taucke. Der Aufwand treibe die Transportkosten deutlich in die Höhe.
Während wegen Engpässen bei Vorprodukten schon jedes fünfte Unternehmen der Chemieindustrie die Produktion gedrosselt habe, verzögere der Streik nun auch die Auslieferung an Kunden der chemisch-pharmazeutischen Industrie, erläuterte der Verband der Chemischen Industrie. „Für viele Stoffe ist die Bahn das Transportmittel der Wahl, da für einige Chemikalien der Schienenweg üblicherweise vorgeschrieben ist.“
Das gilt etwa für viele Gefahrgüter, die wegen des geringeren Unfallrisikos in Zügen transportiert werden müssen. Zwar hält die Deutsche Bahn nur noch rund 43 Prozent am Güterverkehr auf der Schiene; das übrige Geschäft übernehmen Konkurrenten. Doch die Bahn dominiert den Einzelwagenverkehr, auf den etwa die Chemie-Industrie in vielen Fällen angewiesen ist.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) nannte auch den mittlerweile dritten Streik GDL in der laufenden Tarifrunde unverhältnismäßig und unverantwortlich. Neben der Chemie seien auch die Stahl- und die Autoindustrie stark auf Güterzüge angewiesen. BDI-Präsident Siegfried Russwurm warnte vor Produktionsausfällen. Es sei auch möglich, dass Unternehmen Transporte dauerhaft vom Zug auf die Straße verlagern.
Derweil haben sich mittlerweile auch die nicht zur Deutschen Bahn gehörenden Güterbahnen zum Beginn des dritten GDL-Streiks gegenüber Ihren Kunden in Industrie und Handel zu Wort gemeldet. Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen zeigte sich in einem Schreiben an BDI-Präsident Russwurm erstaunt über Aussagen zur erwarteten Unterbrechung von Lieferketten und Produktionsausfällen. Der NEE-Vorstandsvorsitzende Ludolf Kerkeling wies in Berlin darauf hin, dass nahezu 60 Prozent des deutschen Schienengüterverkehrs schon heute von Güterbahnen außerhalb des DB-Konzerns erbracht würden, die nicht bestreikt werden.
„Unsere Unternehmen haben in den beiden Streiks von planmäßigen, teils auch zuverlässigeren Verkehren für Ihre Kunden berichtet und vereinzelt von DB Cargo, die im Übrigen auch selbst noch viele Verkehre fuhr, Leistungen übernommen“, so Kerkeling. Der NEE-Chef bittet in dem Scheiben "um eine differenzierte und nüchterne Kommunikation zum Streik", um die von Verladern und Bahnen gleichermaßen unerwünschten Imageschäden für den Schienengüterverkehr zu vermeiden. Im Übrigen würde sich der Verband freuen, wenn „die verladende Wirtschaft wieder stärker den Nutzen des Wettbewerbs für die Steigerung der Attraktivität des Schienenverkehrs herausstellen würde.“ (dpa/mh)
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 1.09.2021 um 12:40 aktualisiert (NEE-Statement).