Auferstanden aus Ruinen

Für Jan Dietrich Hempel ist es nahezu ein tägliches Problem. "In der Logistikbranche ist die Flächenknappheit ein Dauerthema", sagt der Geschäftsführer der Garbe Industrial Real Estate. Flächenverbrauch und Bürgerproteste ließen viele Kommunen davor zurückschrecken, Grundstücke für logistische Aktivitäten auszuweisen. Deshalb rücke die Konversion ehemaliger Industrie- oder Militärflächen verstärkt in den Fokus. Im Fachjargon: Brownfield-Development. Während bei klassischem Lagerhallenneubau auf einem bis dahin ungenutzten und unbebauten Grundstück gebaut wird (Greenfield), ist das beim Brownfield anders. Hier entstehen die Logistikimmobilien quasi auf den Ruinen der ursprünglichen Grundstücksbebauung. Das sind zum Beispiel Fabriken oder Kasernen, die erst abgerissen werden müssen, bevor der Neubau startet. Je nach Vornutzung müssen die Bauherren noch den Boden von ungesunden Altlasten befreien. Gerade in den Ballungsgebieten seien Greenfields zu einer Seltenheit geworden, weiß Thomas Karmann vom Gewerbeimmobilienentwickler Prologis. Da Kommunen ihre verbliebenen unbebauten Flächen nur ungern für industrielle Nutzungen zur Verfügung stellten, gebe es nutzbare Greenfields fast nur noch in ländlichen Gebieten. Dort herrsche aber oft Fachkräftemangel. So seien Brownfields eine Chance, Logistikimmobilien dort zu bauen, wo sie gut an die Infrastruktur angebunden und ausreichend Arbeitskräfte vorhanden seien. Auch sei der Widerstand in den Kommunen geringer. "Je nachdem wie ein Areal vorher genutzt wurde, ist die Akzeptanz seitens der Politik und Kommunen recht groß", ergänzt Georg Starck, Geschäftsführer beim Projektentwickler Alpha Industrial. Online-Händler lieben City-Lagen Nicht nur, dass Arbeitsplätze gehalten oder geschaffen werden, die Gemeinden bekommen oft noch eine Grundstückssanierung und es werden keine neuen Flächen versiegelt. So können Nachnutzungen eine günstigere Ökobilanz haben als der Neubau auf der grünen Wiese. Nicht nur der Flächenmangel befeuert die Nachfrage nach revitalisierungsfähigen Objekten. "Bestand die bisherige Strategie der meisten Onlinehändler darin, von riesigen, zentral gelegenen Logistikzentren aus ihre Kunden zu beliefern, geht der Trend jetzt zu kleineren Logistikimmobilien in Metropolregionen", beobachtet Garbe-Geschäftsführer Hempel. Hier könnten Brownfields durch ihre Lage in den Ballungsräumen punkten. Im Zuge von kurzfristigeren Lieferterminen suchen einige Logistikunternehmen verstärkt Flächen in den Städten. So hat etwa Amazon für seinen Lieferdienst Prime Now in München 2700 Quadratmeter in bester Citylage gemietet. Zwar werden ausgediente Bürohäuser vor allem in Wohnimmobilien umgebaut, im Erdgeschoss könnten aber durchaus logistische Nutzungskonzepte wie innerstädtische Hubs für die letzte Meile oder für Self-Storage umgesetzt werden, meint Oliver Stenzel, Geschäftsführer der Realogis Immobilien Stuttgart. Kleine Flächen sind gefragt Der Projektentwickler Alpha Industrial hat im Frankfurter Römerhof ein 20.000 Quadratmeter großes Grundstück entwickelt. Die Liegenschaft grenzt an das neue Europaviertel im Stadtteil Gallus. Ab 2019 sollen dort rund 30.000 Menschen arbeiten und bis zu 10.000 wohnen. Für die Versorgung würden derzeit verschiedene Ansätze wie die Lieferung zu Fuß, per Fahrrad oder per Roboter erprobt, erklärt Geschäftsführer Ulrich Wörner. "Wir denken darüber nach, ein kleinteiliges Konzept zu verfolgen", sagt Wörner. Für KEP-Dienste, Onlinehändler und Nahversorger stünden Flächen zwischen 1000 und 2000 Quadratmeter zur Verfügung. Nicht nur für Projektentwickler seien Brownfields interessant, meint Bülent Alemdag, Geschäftsführer der Realogis Immobilien in Düsseldorf. "Es gibt viele mittelständische Unternehmen sowie Speditionen und Transportunternehmen, die nicht anmieten wollen, sondern vor dem Hintergrund des Zinsniveaus kaufen und selbst bauen". Diese würden sich für 3000 bis 5000 Quadratmeter große Grundstücke interessieren. "Die Konversion und Nutzung ehemaliger Industrieflächen bietet Logistikern viele Vorteile", bestätigt Yeliz Kavak-Küstner von Pfenning Logistics. Die Infrastruktur sei da, es gebe weder Nutzungseinschränkungen noch langwierige Genehmigungsphasen. Darum seien die Brownfields gerade bei Handelslogistikern beliebt. "Der Markt liegt direkt vor der Tür und Konzepte wie Same-Day-Delivery können einfacher umgesetzt werden", sagt Kavak-Küstner. Außerdem sei bei stadtnahen Standorten die Personalsuche leichter. Prologis-Manager Karmann warnt allerdings: "Die Investition in ein Brownfield will gut überlegt sein". Längst nicht jede ehemalige Kaserne, frühere Industrieflächen oder gar die Lagerräume einer Büroimmobilie lassen sich logistisch nutzen. Gerade in innerstädtischen Lagen sind die Flächen oft zu klein, lassen sich kaum erweitern oder sind nur schwer mit dem Lkw zu erreichen. "Bevor ein Brownfield-Projekt angegangen wird, sollte vorab genau abgewogen werden, ob dieses sich wirtschaftlich rechnet", erklärt Kuno Neumeier, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Logivest. Die Kostenschwelle für die Rentabilität solcher Hallen liege je nach Standort zwischen 100 und 300 zusätzlichen Euro pro Quadratmeter im Vergleich zum Neubau auf der grünen Wiese. Überstiegen die Kosten beispielsweise für Abriss und Grundstücksaufbereitung diese Größenordnung, sei die Fläche für eine Logistiknutzung eher ungeeignet. Aufpreise von 10 bis 15 Prozent Alpha-Industrial-Geschäftsführer Wörner sieht das ähnlich. "Grundsätzlich müssen Unternehmen bei Revitalisierungen mehr Geld in die Hand nehmen", so Wörner. Er plant für Brownfield-Entwicklungen in der Regel 10 bis 15 Prozent mehr an Entwicklungskosten ein. Brownfield-Development lohne sich daher nur für langfristig orientierte Investoren. Für Speditionen und Transportunternehmen, die in der Regel auftrags- und standortbezogen nur kurz- oder mittelfristige Kontrakte schließen, kommt das höchstens für die Errichtung eines modernen eigenen Firmenhauptsitzes infrage. Nicht nur bei den Kosten stoßen Brownfield-Developments an ihre Grenzen. Ausschlusskriterien gebe es, wenn "ein Areal unmittelbar an die Wohnbebauung heranreicht und Themen wie Emission und Schallschutz eine logistische Nutzung ausschließen", weiß Realogis-Mann Alemdag. "Einer der größten Fehler, der Investoren immer wieder unterläuft, ist der fahrlässige Umgang mit dem existierenden Baurecht", mahnt Neumeier von Logivest. Wer hier nicht aufpasse, könne schnell die Genehmigung zum Bau der vorgesehenen Logistikflächen verlieren. "Das Gleiche gilt für bestehende Bestandsschutzregelungen", warnt Neumeier. Mehr zum Thema im Dossier Logistikimmobilien www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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