Auf der Suche nach Kapazitäten

Es ist wie eine Seuche, die vor keinem Verkehrsträger Halt macht: Alle leiden unter Engpässen. Ob nun beim Personal oder bei den Verkehrswegen, die Kapazitäten werden zunehmend knapp. Darunter leiden auch die Seehäfen. Im Fall von Antwerpen machen den Hafenverantwortlichen vor allem die verfügbaren Schienentrassen große Sorgen. Denn der Chef des Hafen Antwerpen, Jacques Vandermeiren, hatte gegenüber der Verkehrs-Rundschau angekündigt, dass er den Anteil der Bahn am Container-Hinterlandverkehr von derzeit sechs Prozent auf 20 Prozent steigern will (siehe VR 7/2018, Seite 18, 19). Das entspricht einer Verdreifachung - bei einem gleichzeitig kräftig steigenden Aufkommen im Hafen. Täglich 120 Güterzüge nach Deutschland Womöglich hat der Hafen-Chef jedoch auch deshalb kein Jahr für die Verlagerung genannt, weil die große Frage lautet, über welche Gleise dieser Mehrverkehr laufen soll. Schon heute herrscht auf den Trassen zum Hafen reger Betrieb. Zurzeit fahren laut Hans Königs, Deutschland-Repräsentant der Antwerp Port Authority, 250 Güterzüge pro Tag ab dem Hafen oder nach Antwerpen, davon mit 120 Zügen mehr als die Hälfte Richtung Deutschland. "Aufgrund der Wachstumsraten der vergangenen Jahre und durch die angestrebte Verlagerung von der Straße auf die Schiene muss damit gerechnet werden, dass sich bis zum Jahr 2030 die auf Deutschland bezogenen 120 Güterzüge pro Tag verdoppeln werden", lautet seine Prognose. Derzeit fahren laut Königs die Züge zu 90 Prozent über die südliche Montzen-Route von Antwerpen über Lier nach Aachen (siehe Grafik rechts). Das Problem bei dieser Strecke: Um ins Ruhrgebiet zu gelangen, ist ein Umweg und damit mehr Zeit einzuplanen als beispielsweise über die Brabant-Strecke. Zudem ist das Gewicht der Züge auf 1550 Tonnen beschränkt. Für Züge im Kombinierten Verkehr (KV) keine wesentliche Einschränkung, für Züge beladen mit Stahl hingegen schon. Und da Antwerpen auch ein wichtiger Umschlagplatz für Stahlprodukte ist, spielt das Gewicht von Zügen durchaus eine Rolle. Neben der schon heute starken Auslastung kommt bei der Montzen-Route erschwerend hinzu, dass im weiteren Verlauf ab Aachen auf den Strecken viele getaktete Nahverkehrszüge fahren, die die Trassen zum Teil blockieren. Die Brabant-Route über Roosendaal und Eindhoven, die heute schon von Antwerpen aus genutzt wird, ist bereits stark beansprucht und bietet nur noch wenig freie Kapazitäten. Drei Varianten für den Eisernen Rhein Nutzen also immer mehr Güter die Bahn, laufen die Züge in einem Flaschenhals hinein, bei dem Verstopfungen programmiert sind. Deshalb plädiert der Hafen Antwerpen für eine neue Trasse, den sogenannten Eisernen Rhein. Dabei handelt es sich um eine in Teilen stillgelegte Schienentrasse zwischen dem Hafen Antwerpen und Mönchengladbach, die jetzt erst noch reaktiviert werden müsste. Unklar ist zudem der Streckenverlauf auf dem Teilstück zwischen Deutschland und Roermond. Hier gibt es drei Alternativen: - die historische Variante von Roermond nach Mönchengladbach: Hier gibt es jedoch Widerstand, weil die Trasse durch ein niederländisches Naturreservat führt. - die A-52-Strecke: Sie folgt zwischen Roermond und Mönchengladbach dem Verlauf der Autobahn A 52 in Deutschland, müsste aber erst noch gebaut werden. - die 3RX-Route: Hier würden die Züge über Venlo und Viersen geführt. Dabei würde so weit wie möglich die bestehende Infrastruktur genutzt werden. Ein Konsortium verschiedener Beratungsunternehmen hat nun eine Machbarkeitsstudie zur 3RX-Route erstellt und kommt zu dem Ergebnis, dass diese Strecke wesentlich günstiger zu realisieren ist als die Wiederbelebung der historischen Strecke oder der Bau der A-52-Alternative. Im Jahr 2030 könnten der Studie zufolge 17 bis 20 Güterzüge pro Tag auf dieser Trasse fahren und ab 2040 19 bis 23 Züge. Damit würden die beiden anderen Routen (Montzen und Brabant) entlastet werden. Doch es gibt zwei gravierende Probleme beim Eisernen Rhein: Zum einen führt die Strecke beim Grenzübergang Belgien-Niederlande durch ein Vogelschutzgebiet. Der niederländische Staatsrat hat daher festgelegt, dass dort höchstens 51 Güterzüge pro Woche zulässig sind. Diese Einschränkung könnte nur abgemildert werden, indem eine Schallschutzwand in Höhe von fünf bis sechs Meter errichtet wird. Eine zweite Hürde, die womöglich viel entscheidender ist: Die Trasse führt durch die Niederlande. Und der Hafen Antwerpen ist ein großer Konkurrent des Hafen Rotterdam. Zudem sind in den Niederlanden die mit dem Eisernen Rhein verbundenen Lärmbelastungen für die Bevölkerung und die Kosten für die Ertüchtigung der Strecke am höchsten. Alles keine großen Anreize für die Holländer, einer Reaktivierung dieser Trasse zuzustimmen. Königs geht davon aus, dass die Niederlande ebenfalls ein Interesse an der Verbindung haben, da auch zwischen Rotterdam und Deutschland Engpässe zu befürchten seien. Um eine Anbindung der Zeeland-Häfen bei Vlissingen zu gewährleisten, sei die Entlastung der Brabant-Route - eine Folge der Inbetriebnahme des Eisernen Rheins - auch im Interesse der Niederlande. Erst 2030 ist es so weit - frühestens Doch bis es so weit kommt, wird einige Zeit vergehen. "In Antwerpen gehen wir von einem Realisierungszeitpunkt für den Eisernen Rhein nach 2030 aus", sagt Königs. Und was, wenn der Eiserne Rhein doch nicht kommt? Eine Alternative dazu sei auf der Schiene kaum zu finden, so Königs. Dann müsse man mit einer starken Zunahme des Straßengüterverkehrs rechnen, und es müsse eine deutliche Verlagerung der Güter auf die Wasserstraße erfolgen. Ob es dort aber die dafür notwendigen Kapazitäten geben wird, ist zumindest fraglich. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Railcargo" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Container-Binnenschiffe Aktionsplan gegen lange Wartezeiten im Hafen In Rotterdam und Antwerpen klagen die Binnenschiffsreedereien über lange Wartezeiten bei der Abfertigung von Containerschiffen. Der Logistikdienstleister Contargo hat daraus erste Konsequenzen gezogen und fährt mit seinen Schiffen ab sofort weniger Terminals an. Die Antwerpener Hafengemeinschaft hat nun einen "Aktionsplan für den Container-Binnenschiffsverkehr" unterzeichnet. Darin finden sich Maßnahmen wie:- Verpflichtung der Terminals zur Bereitstellung einer Mindestumschlagkapazität für Container-Binnenschiffe,- ein Großversuch zur hafenweiten Disposition von Binnenschiffen durch die drei großen Terminals (PSA, MPET und DP World) ab September, der den gesamten Dispositionsprozess für alle Beteiligten vereinfachen und rationalisieren soll,- eine Konsolidierung des Frachtaufkommens, die zu größeren Umschlagmengen pro Binnenschiffsanlauf an den Terminals führen soll. Hierzu wird es ab Oktober eine Testphase geben, während der eine Mindestumschlagmenge von 30 Containern pro Anlauf festgelegt ist. cd

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