Analog, digital, in Echtzeit

Selten waren die Macher der Automobilindustrie und -logistik so nervös wie aktuell. Das zeigte sich auch auf dem Forum Automobillogistik 2019 des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) und der Bundesvereinigung Logistik (BVL) in München. Ob drohender Brexit, mögliche Handelshemmnisse außerhalb Europas, aber auch der steigende Druck in puncto Klimaschutz: Alles das sorgt für Unsicherheit in den Unternehmen. Eines steht für Joachim Damasky, VDA-Geschäftsführer Technik und Umwelt, aber fest: Um die Klimaschutzziele und die damit verbundenen CO2-Einsparziele der Bundesregierung bis zum Jahr 2030 erreichen zu können, werden die Logistikkosten wohl steigen - Stichwort CO2-Bepreisung. Darauf verwies der VDA-Geschäftsführer auf der Eröffnungssequenz der Veranstaltung. Und dies werde auch Folgen für die globalen Transportströme und die Produktionsstandorte haben. "Heute ist die Logistikwelt preiswert. Es kann aber sein, dass es künftig keinen Sinn mehr ergibt, große schwere Teile aus Rumänien irgendwohin zu befördern", sagte Damasky. Das werde also spannend werden, insbesondere für die Transportbranche. Thomas Wimmer, Vorsitzender der BVL-Geschäftsführung, griff den Ball von VDA-Mann Damasky elegant auf und meinte dazu augenzwinkernd: "Es ist also an uns, an der Logistik, dass die Prozesse effizient bleiben." Und dass hier insbesondere der Megatrend Digitalisierung maßgeblicher "Enabler" (Befähiger) ist, zeigte das Forum Automobillogistik eindrucksvoll. Die Botschaft war eindeutig: In der Automobilbranche wird über Digitalisierung nicht mehr nebulös debattiert, sondern es gibt in den Unternehmen mittlerweile konkrete Lösungen. Nicht umsonst stand der diesjährige Kongress unter dem Motto "Analog, digital, in Echtzeit". "Und als Herzstück und Verbindungsglied der Produktion hält die Logistik das globale und fein abgestimmte Netzwerk der BMW Group am Laufen", hob Oliver Zipse, Vorstandsmitglied des Münchener Automobilbauers, gleich zu Beginn seiner Rede die Bedeutung der Logistik für die Automobiler hervor. Denn mehr denn je müsse die Logistik heute auf volatile Randbedingungen und Unwägbarkeiten reagieren. "Die Logistik wird daher zunehmend zum Befähiger und Antwortgeber auf Fragen, die die Transformation der Märkte an uns stellt", so der BMW-Manager. Transformationsschub zur rechten Zeit "Und mit der Digitalisierung und der intelligenten Automatisierungstechnik kommt jetzt der nächste große Schritt", betonte Zipse. Denn viele sogenannte Befähiger-Technologien wie die Sensorik, Rechner, Blockchain, künstliche Intelligenz und Bilderkennung hätten enorme Fortschritte gemacht. "Der aktuelle Transformationsschub kommt also genau zum rechten Zeitpunkt", unterstrich Zipse. Wie rasant die Entwicklungen voranschreiten, zeige ein Beispiel: Alle Visionen, die BMW in einem Film vor drei Jahren auf dem Forum Automobillogistik gezeigt habe, erzählte der BMW-Manager, seien bereits vollumfänglich im Unternehmen umgesetzt. Weil aber Stillstand Rückschritt ist, arbeitet BMW mittlerweile an neuen Themen. So werde derzeit eruiert, führte Zipse aus, wie sich die neuen intelligenten Technologien zum Beispiel dazu nutzen lassen, in den Inboundprozess noch mehr Transparenz und Steuerungsmöglichkeiten einzubeziehen; um die Effizienz in der Inhouse-Logistik zu erhöhen und die Auslieferung der Fahrzeuge an Kunden weiter zu optimieren. Entscheidend bei alledem sei, betont der BMW-Vorstand: "Der Fokus muss auf den Technologien liegen, die messbaren Fortschritt, schnelle Wirksamkeit und hohe Kundenwirkung haben." Sprich: Die neuen Technologien rein um der Technik willen einzusetzen, bringt gar nichts. Dass aber auch und gerade Zuliefer- und Logistikunternehmen von diesen technologischen Neuerungen profitieren können, zeigte auch Continental mit seiner Lösung "Supply Chain Riskmanagement 4.0", die nun mit dem VDA Logistik Award 2019 ausgezeichnet wurde (siehe Kasten unten). Die technologischen Neuerungen können möglicherweise sogar eine Antwort auf den Fachkräftemangel in der Logistik sein, ohne aber auf die Mitarbeiter zu verzichten. "Mitarbeiter sind nach wie vor unser wichtigstes Kapital, auch als Ideengeber auf unserem Weg in die Digitalisierung." Das betonten Lars Otte, Vice-President Business Development, und Karsten Keil, Vice President IT, beide Schnellecke Group. Abgesehen davon könnten Lösungen wie Datenbrillen und Wearables helfen, Mitarbeiter leichter und schneller für Tätigkeiten in der Logistik anzulernen. So setzt Schnellecke Google Glass in der Kommissionierung (Pick by Vision) etwa an seinem Standort in Mexiko ein. Diese habe man erfolgreich eingeführt. Die Fehlerquote sei so reduziert worden, zudem seien die Mitarbeiter effizienter geworden, sagt Otte. Aber auch Robotik werde Schnellecke stärker in der Intralogistik nutzen, gerade in Märkten, in denen man nur schwer Mitarbeiter findet. Ausgezeichnete Lösung Continental ist Gewinner des VDA Logistik Awards 2019Continental ist Gewinner des VDA Logistik Awards 2019. Das Technologieunternehmen überzeugte die Jury mit einem ganzheitlichen und modernen Supply-Chain-Konzept für das Risiko- und Allokationsmanagement, das jetzt auf dem Forum Automobillogistik 2019 in München ausgezeichnet wurde."Mit ,Supply Risk Management 4.0' hat Continental ein Konzept entwickelt, mit dem das Versorgungsrisiko deutlich reduziert wird. Dafür setzt das Unternehmen auf eine Cloudlösung mit intelligenten Algorithmen, mit der die Experten für Risikomanagement in kürzester Zeit erkennen können, ob Engpässe durch den Ausfall von Materiallieferungen drohen. Gegenmaßnahmen wie die Neuverteilung von Lagerbeständen oder Produktionsprogrammen können so laut Continental rechtzeitig ergriffen und Lieferausfälle zum Kunden vermieden werden. Zudem werde die Vorlaufzeit bis zur Information bei möglichen Lieferausfällen deutlich verkürzt - von Tagen auf Stunden. Abgesehen davon ermöglicht die Lösung den Aufbau eines ganzheitlichen Risikomanagements für die Bauteileversorgung und dient als voll integrierte Schnittstelle zwischen Continental und seinen Lieferanten. Unterstützt wird die Risikoprävention durch Ansätze aus dem Bereich Data Analytics sowie den Einsatz von Big-Data- und Cloud-Technologien. "Mit dem vorgestellten Konzept sind wir in der Lage, Versorgungsengpässe frühzeitig zu erkennen, um entsprechend proaktiv einzugreifen sowie in kurzer Zeit globale Aussagen zur Liefersituation zu treffen", erklärt Petra Becker, Vice President Supply Network & Supply Chain Risk Management bei Continental. Auch die Nachhaltigkeit der Wertschöpfungskette steige: So würden Sonderfrachten, Produktionsausfälle und Kapazitätsanpassungskosten vermieden. eh

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