Agenda 2019: Vorsätze fürs neue Jahr

Was steht auf der Agenda für dieses Jahr? Wer diese Frage Unternehmenschefs aus der Transport- und Logistikbranche stellt, bekommt aktuell vor allem drei Antworten: Personal, Digitalisierung, Kosten. Wobei der Punkt Fahrermangel bei den meisten Betrieben nach wie vor die höchste Priorität hat. In vielen Regionen ist der Arbeitsmarkt für Berufskraftfahrer so abgeräumt, dass Aufträge abgelehnt werden müssen - weil Leute fehlen, um sie zu bearbeiten. Allerdings rechnen die Entscheider nicht damit, dass sich an dieser Lage bald etwas ändern wird. Deshalb räumen sie dem Thema Personal Priorität ein. "Wir müssen die Ressource Mensch in den Mittelpunkt rücken, nicht die Technik", sagt Matthias Strehl, Geschäftsführer des Unternehmens Meyer Logistik in Friedrichsdorf. Man müsse Mitarbeitern mehr zuhören und mehr von dem zulassen, was gefordert wird. Neues Entlohnungsmodell für Fahrer Um die Fluktuation zu senken, hat Meyer Logistik ermitteln lassen, aus welchen Gründen Mitarbeiter der Branche den Rücken kehren. Die Top-3-Antworten sind: fehlende Planbarkeit, fehlende Wertschätzung und Löhne. Beim letzten Punkt will die Spedition demnächst ansetzen: "Das alte Modell mit unterschiedlichen Löhnen übers Jahr hinweg ist nicht mehr zeitgemäß", findet Strehl. Die Mitarbeiter hätten immer gleich hohe Kosten und erwarteten entsprechend stabile Löhne. Statt 30 Prozent fixem und 70 Prozent variablem Lohn sollte das Verhältnis eher umgekehrt sein. Es werde allerdings keinen Festlohn bei Meyer Logistik geben, sondern ein völlig neues Entlohnungsmodell, so Strehl. Einzelheiten gibt das Unternehmen aber noch nicht bekannt. Auch Punkt eins auf der Unzufriedenheitsliste will Meyer Logistik angehen: die Planbarkeit. Schon eine kleine Störung an der Kundenrampe reicht, dann ist die Lenkzeit abgelaufen und der Feierabend dahin - das erleben Fahrer oft. Wer den Job hinterm Steuer attraktiver machen will, müsse solche Unwägbarkeiten beseitigen, so Strehl. "Dafür müssen wir ganzheitlich denken, die ganze Branche." Zusammen mit Kunden und Lieferanten will man sich auf die Suche nach Maßnahmen machen, um die Prozesse runder laufen lassen sollen. Ein weiterer Punkt, an dem Strehl Handlungsbedarf sieht, ist die sinkende Produktivität in der Schicht. Sie ist vor allem durch lange Wartezeiten im Stau und an der Rampe bedingt. "Auch dieser Punkt lässt sich nur ganzheitlich angehen." Als Beispiel nennt er die nächtliche Versorgung der Kunden: In Köln haben Rewe und Meyer Logistik schon einen Test mit der Nachtbelieferung von Supermärkten abgeschlossen - mit Erfolg. "Könnten wir die Hauptverkehrszeiten umgehen, würden wir den Straßenverkehr entlasten und wären deutlich produktiver", sagt Strehl. Dennoch sträubten sich die Gemeinden, die nötigen Sondergenehmigungen zu erteilen. "Wir werden 2019 trotzdem weiter Dinge ausprobieren." Die meisten Neuprojekte werden sich in diesem Jahr wohl um die Digitalisierung drehen, nicht nur bei den Großen der Branche. "Wir wollen das Unternehmen weiter transformieren", sagt Christian Faggin, Geschäftsführer der Alpensped, einem mittelständischen Logistikunternehmen mit Sitz in Mannheim. Ein aktuelles Beispiel: Die Firma wirbt schon länger intensiv auf Google (Fachwort: Inbound Marketing), was zu vielen Anfragen führt - bis zu 500 pro Monat. Dieses Volumen konnte der 30-Mitarbeiter-Betrieb in der Vergangenheit manchmal nicht bewältigen, sodass Anfragen liegen blieben. "In Zukunft wollen wir alles beantworten", gibt Faggin als Ziel aus. Um das zu erreichen, setzt Alpensped seit Kurzem ein Filterprogramm ein: Es erkennt zum Beispiel, für welche Relation sich der Absender interessiert, und leitet die Anfrage an den für das Land zuständigen Vertriebler oder Disponenten weiter. Sieht der Algorithmus, dass der Interessent ein größeres Transportvolumen vergeben will, schickt er die Anfrage gleich an die Geschäftsführung. Entwickelt wurde das Sortierprogramm von der eigenen IT-Abteilung (drei Mitarbeiter), die Alpensped in den letzten zwei Jahren aufgebaut hat. Ein System-Administrator, der zuvor als Freelancer für den Betrieb tätig war, wurde dafür eingestellt. Außerdem wechselte ein Disponent, der sich selbst das Programmieren beigebracht hat, dauerhaft in die IT. "Wir haben gelernt, dass wir hier eigene Kompetenzen brauchen", erklärt Faggin. Aufträge nur mehr per Mail oder per EDI 2019 will Alpensped einen wichtigen Meilenstein erreichen: komplett papierlose Abläufe. Aufträge sollen nur noch per E-Mail oder EDI vergeben werden, das Archiv soll ebenfalls komplett digitalisiert werden. "Eine große Rolle werden im kommenden Jahr außerdem Apps spielen", erwartet Faggin. Alpensped plant, die Mobilprogramme vor allem für die Zusammenarbeit mit den Frachtführern einzusetzen. Sie sollen künftig per App ihren Standort oder den aktuellen Dieselverbrauch melden. Denn immer mehr Kunden fordern ein CO2-Reporting mit realen ökologischen Kennzahlen. "Wir arbeiten derzeit mit 30 Prozent Echtwerten, das soll mehr werden", so Faggin. Das zweite große Thema auf der Agenda 2019 ist bei Alpensped - wie bei vielen anderen Transportbetrieben - die Spezialisierung. "Wir werden versuchen, mehr Produkte in der Nische zu finden", kündigt Faggin an. Das Komplett- und Teilladungsgeschäft läuft zunehmend über Plattformen und Börsen ab, wo die Konkurrenz größer wird. Daher wolle man langfristig das Geschäft mit der Projektlogistik intensivieren, sagt er. Er sieht die Zukunft seiner Spedition überall da, wo Abläufe komplex sind und der Kunde eine hohe Beratungsleistung erwartet, etwa im Bereich der Sonder- und Schwerlasttransporte, in dem man Erfahrung aufgebaut hat. Einen Großkunden in diesem Bereich konnte Alpensped schon 2018 dazugewinnen. Für einen großen Maschinenbauer hat man den Transport von Produktionsmaschinen aus ganze Europa zum Hamburger Hafen organisiert, von wo aus sie nach China verschifft wurden. Insgesamt sieht Faggin seine Spedition gut gerüstet für die kommenden Jahre. "Ich habe das Gefühl, dass große Verlader zunehmend auf kleine Dienstleister abfahren, weil die sich schneller andocken können. Ein kleines Schiff lässt sich eben leichter umsteuern." Man wird auch im Jahr 2019 nicht umhinkönnen, an den betriebswirtschaftlichen Stellschrauben zu drehen. "Ich habe selten so einen Kostendruck in meinem Spediteursleben gesehen", sagt Micha Lege, Geschäftsführer der Geislinger Spedition Wiedmann & Winz. Er zählt auf: plus zehn Prozent in den vergangenen zwei Jahren allein bei Diesel- und Personalkosten, dazu 38,5 Prozent Mauterhöhung plus Bundesstraßen-Mautausweitung, immer weniger Stopps wegen der Überlastung vieler Straßen - und das bei Margen zwischen einem und drei Prozent. "Ich gehe davon aus, dass wir die Kostensteigerungen zu einem Großteil weiterreichen müssen", sagt Lege. "Wir werden, wo es möglich ist, hart daran arbeiten, Leerkilometer zu senken und die Auslastung zu erhöhen." Beides gehe oft nur mit den Kunden: "Wir müssen den Informationsfluss verbessern und neue Schnittstellen schaffen." Ziel sei, mehr Informationen über die Fertigstellung von Produkten und die Verladesituation vor Ort zu bekommen. "Die Bereitschaft der Kunden, Informationen zu teilen, wächst. Optimal wäre die Ankopplung an deren ERP-System." Ein weiterer Punkt, der Lege umtreibt: Lkw, Trailer und Produktionsstätten verfügen über viele Daten, aber kommunizieren nicht miteinander. Frachtenplattformen werden künftig diese Aufgabe teilweise übernehmen. Mit der Weiterentwicklung des eigenen, telematikgetriebenen TMS bereite man sich darauf vor, diesen Daten ständig aktualisiert zur Verfügung zu stellen, so Lege. "Über diese Plattformen läuft ein signifikanter Teil des Geschäfts der Zukunft." Mehr zum Thema im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Erfolgstipps Das könnte auf Ihrer Agenda stehen- Setzen Sie bei allen anstehenden Kundengesprächen die Situation an der Rampe auf die Agenda. Versuchen Sie, in einer gemeinsamen Anstrengung Wartezeiten zu reduzieren und damit die Planbarkeit für die Fahrer zu verbessern. Diese Mitarbeiter zu halten, sollten im Interesse aller sein.- Denken Sie darüber nach, die fixen Lohnbestandteile im gewerblichen Bereich zu erhöhen. Ein planbares Einkommen erhöht die Attraktivität eines Unternehmens und damit auch den Rekrutierungserfolg auf dem Arbeitsmarkt.- Verbessern Sie den Informationsaustausch mit den Kunden. Versuchen Sie, mehr Daten über künftige Transportvolumina zu erhalten; schaffen Sie EDV-Schnittstellen, um Daten automatisch zu übertragen. .. Automatisieren Sie möglichst viele Abläufe. Mögliche Einsatzgebiete für digitale Werkzeuge sind zum Beispiel Preissetzung, Rechnungsstellung, Forderungsmanagement, Kundenverwaltung, Ladungsträgermanagement.- Sorgen Sie für mehr Transparenz. Wie läuft das Geschäft? Welche Aufträge stehen an? Solche Informationen sollten in Zukunft per Knopfdruck zur Verfügung stehen, über eine Art von Armaturenbrett für die Geschäftsführung. cg

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