ADSp: Spediteure bleiben gelassen

In diesen Tagen ist das Scheitern der Verhandlungen über die ADSp mit den Verladerverbänden bekannt geworden. Was bedeutet das für Ihre Branche? Krage: Für die Spedition ist das eine existenzielle Thematik. Es ist in dieser Situation wichtig, dass unsere Mitgliedsunternehmen weiterhin geschlossen hinter den ADSp stehen. Es ist für Speditionen beispielsweise überhaupt nicht leistbar, sendungsbezogene, individuelle Haftungsvereinbarungen zu treffen. Wer als Verlader das verlangt, muss seine Transporte im Zweifelsfall selber durchführen. Die Verladerverbände haben eine Hinhaltetaktik betrieben. Weshalb sind die Verhandlungen abgebrochen worden? Huster: Es sind vier Punkte, an denen der mehrjährige Verhandlungsprozess gescheitert ist: die uneingeschränkte Forderung nach zertifizierten Qualitätsmanagementsystemen, deutliche Haftungsverschärfungen, für die es so gut wie keinen Versicherungsschutz gibt, das sogenannte ADSp-Deckblatt, also die sendungsbezogene Individualisierung von Leistungsinhalten sowie All-in-Vergütungen. Diese Forderungen waren für Sie nicht hinnehmbar? Krage: Zertifizierungen bedeuten erhebliche Zusatzinvestitionen. Und die Individualisierung ist sachlich und fachlich nicht umsetzbar. Wie wollen Sie im Massengeschäft Stückgutlogistik jede einzelne Sendung haftungsmäßig individuell behandeln? Auch die Allin-Vergütungen sind nicht abbildbar bei den heutigen geringen Entgelten und Margen. Das klingt, als wären praxisferne Forderungen aufgestellt worden. Aber auf der anderen Seite saßen doch keine Laien? Krage: Hier wurde bewusst eine Eskalation in Kauf genommen. Auf der Verladerseite gab es auch keine Expertise aus der Unternehmenspraxis, hier haben Rechtsanwälte die Verladerposition vertreten. Das hat die Verhandlungen zusätzlich erschwert. Zwei Praktiker kommen leichter zu einer einvernehmlichen Lösung. Einzig bei der Haftung hatten wir das Gefühl, dass Spielraum für eine Einigung möglich war. Die Verladerverbände BDI, BGA, HDE und BWVL haben jetzt eigene Geschäftsbedingungen, die DTLB, vorgelegt. Sind die vier Konflikt-Punkte dort aufgenommen worden? Huster: Nein, nur drei. Die "Deckblatt-Idee ist fallen gelassen worden; die Einführung von Standards minimal entschärft. Die DTLB entsprechen aber in weiten Teilen dem von den Verbänden der verladenden Wirtschaft vorgelegten Entwurf zur neuen ADSp. Wie sollen die Spediteure sich verhalten? Huster: Die Durchdringungsrate der ADSp am Markt liegt bei 90 Prozent. Diese ADSp sind weiterhin anwendbar. Wir sehen auch keinen Grund, warum sie jetzt keine Geltung mehr haben sollen. Da jeder Spediteur dieses bewährte Bedingungswerk seinen Geschäften zugrunde legen kann, besteht kein zwingender Handlungsbedarf, solange die DTLB von den Spediteurkunden nicht angewendet werden. Soweit Speditionsunternehmen von ihren Kunden aufgrund der irreführenden Meldungen der Verbände der verladenden Wirtschaft auf die "Gültigkeit" der ADSp angesprochen werden, sollten Sie auf diese Rechtslage hinweisen und auf eine einvernehmliche Klärung hinwirken, dass die ADSp alleinige Vertragsgrundlage bleiben. Sollten Auftraggeber verlangen, die DTLB zu vereinbaren, ist hiervon dringend abzuraten. In den DTLB sind zahlreiche Klauseln enthalten, die das vom Auftragnehmer geschuldete Leistungsspektrum erheblich erweitern und nur mit erheblichem administrativen Aufwand umzusetzen sind. Sie befürchten nicht, dass sich die Bedingungen der Verlader durchsetzen werden? Krage: Das wird das interessante Rennen sein. Aber schauen Sie ins Ausland. Dort haben sich Regelwerke durchgesetzt, die von den Spediteurverbänden alleine und nicht gemeinsam mit den Verladern herausgegeben werden. Beispielsweise die AÖSp in Österreich, in der Schweiz Spedlogswiss, in Skandinavien die NSAB. Dass wir in Deutschland mit den Verladern abgestimmte Bedingungen hatten, war einzigartig in Europa. Huster: Die ADSp bieten auch mittelständischen Verladern Vorteile. Man kann hier nicht generell von einem Gegensatz Spediteur-Verlader ausgehen. Deshalb unterstellen wir, dass auch dort die Akzeptanz weiterhin vorhanden sein wird. Wir versuchen durch die neue Ausgestaltung auch die Marktgegenseite zu überzeugen, dass die ADSp beispielsweise auch für den Mittelstand im Handel passen. Wir wissen ja auch nicht, ob die gesamte verladende Wirtschaft - von der Großindustrie bis zum Kleinhandel - tatsächlich hinter dem jetzt vorgelegten Regelwerk steht. Im Extremfall wird es auf den Grundsatz "Meine, deine, keine" hinauslaufen. Wenn es gegenläufige Bedingungen gibt, gilt keine von beiden, sondern die gesetzliche Regelung. Das ist nicht der Zustand, den wir anstreben. Kann der Spediteur sich durchsetzen, falls der Auftraggeber die ADSp nicht möchte? Krage: Die Verladerverbände stehen mit ihren Bedingungen ganz am Anfang. Die müssen jedes einzelne Unternehmen argumentativ überzeugen, diese zu ihrer Geschäftsgrundlage zu machen. Ich glaube, die Verlader werden sich in den eigenen Reihen sehr schwer tun, die DTLB zu etablieren. Wir haben mit den ADSp ein anerkanntes und praxiserprobtes Produkt. Wenn ich als Verlader sehr marktstark bin, habe ich in der Regel sowieso individuelle Bedingungen und keine von der Stange. Und nochmals: Wenn es keinen Versicherungsschutz mehr gibt, ist auch dem Interesse des Kunden nicht gedient. Der DSLV plant, die ADSp im Alleingang zu reformieren? Huster: Die Weiterentwicklung der ADSp ist für uns alternativlos. Was sollte der DSLV denn sonst machen? Klaglos die DTLB akzeptieren? Wir müssen durch die Qualität unseres Bedingungswerks überzeugen. Wir sind der Auffassung, dass es in dem jetzigen Stadium besser ist, gut gemachte eigene Geschäftsbedingungen herauszubringen, als einen wachsweichen Kompromiss mit der Gegenseite, von dem niemand etwas hat, zu akzeptieren. Das hätten auch unsere Mitglieder nicht verstanden. Da ist es uns lieber, wir überzeugen durch die Qualität der neuen ADSp und hoffen auf eine hohe Marktakzeptanz. Welche Punkte müssen aktualisiert werden? Krage: Die letzte Fassung der ADSp ist von 2003. Sicher gibt es ein Reformbedürfnis, keine Frage. Ansonsten hätten wir die Verhandlungen erst gar nicht initiiert. Zum einen die Bedingungen, die von der Reform des Seehandelsrechts betroffen sind. Dann hat sich die Rechtsprechung in bestimmten Punkten geändert. Wir müssen bestimmte Dinge an die praktischen Abläufe heute anpassen - Stichwort elektronischer Datenaustausch. Außerdem werden wir den Brennpunkt Rampe diskutieren. Hier brauchen wir andere Ansätze. Es gibt noch andere Vertragsbedingungen am Markt, zum Beispiel die bereits reformierten VBGL. Werden die aufgrund der Situation stärker werden? Huster: Nur, weil sie einen aktuelleren Rechtsstand abbilden, sind sie für die Anwendung in der Spedition inhaltlich nicht besser geeignet. Krage: Im Stückgut- und Logistikbereich habe ich aus dem Markt noch keine Forderung nach den VBGL wahrgenommen. Im Speditionsgeschäft haben sie keinerlei Akzeptanz. Der DSLV wird in den Nachrichten dergestalt zitiert, dass die Grenzkontrollen innerhalb Europas keinen Einfluss auf die Lieferkette und die Transportkosten hätten. Der BGL hat ein gegenläufiges Statement abgegeben. Krage: Zum Zeitpunkt der Anfrage gingen wir davon aus - und gehen es noch - dass es temporäre Maßnahmen sind. Wenn das nicht so bleiben sollte, ist es logisch, dass die Transportkette aufgrund des steigenden Zeit- und Umlauffaktors teurer wird. Zeit kostet Geld. Huster: Ich würde infrage stellen, dass es gegenläufige Auffassungen sind. Wir sind nicht zum selben Zeitpunkt von der selben Stelle zum selben Thema befragt worden. Wir bewerten die Situation wie der BGL. Es gibt Friktionen an den Grenzen. Die Beherrschbarkeit wird sich danach richten, wie lange diese Friktionen anhalten. Momentan erwarten wir nicht, dass es riesige Probleme geben wird. Es betrifft einzelne Unternehmen sehr stark, andere gar nicht. Es ist ein punktuelles Thema, kein Flächenbrand. Herr Krage, Sie sagten, "Wenn wir jagen, sollten wir das im Rudel tun", Sie meinten, als Verbände gemeinsam bei der Politik vorstellig werden. Beim Thema Mindestlohn lässt sich jedoch mit dem Transportunternehmerverband BGL kein gemeinsamer Standpunkt beim grenzüberschreitenden Verkehr finden. Krage: Eigentlich sind wir als DSLV schon ein sehr großes Rudel. Dass wir zu dem einen Punkt mit dem BGL keinen gemeinsamen Standpunkt finden, bedauern wir. Wir betrachten, was europäisch richtig und praktikabel ist. Den grenzüberschreitenden und Transitverkehr mindestlohnpflichtig zu machen, wird sich niemand in Europa gefallen lassen. Huster: Das, was die die vier Verbände DSLV, BGL, den Möbelverband AMÖ und den Verladerverband BWVL inhaltlich verbindet, hat einen größeren Anteil als das, was uns trennt. Wir haben auch beim Mindestlohngesetz MiLoG einheitliche Standpunkte, zum Beispiel bei der Bewertung der Auftraggeberhaftung und bei den Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten. Es trennt uns vor allem die Rechtsauffassung zum Anwendungsbereich des MiLoG auf internationale Beförderungsdienstleistungen. Und die Bewertung dessen, was hier die Folgen des MiLoG sind, ist unterschiedlich. Bei dem Thema gibt es zwar Dissens, aber keinen, der den Auftritt der gesamten Branche gegenüber der Politik zerreißen müsste. Was die europäischen Beförderungsdienstleistungen betrifft, teilt die europäische Kommission unsere Bedenken. Wir hoffen, dass sie auch in unserem Sinne entscheidet. Sie haben eine Studie vorgestellt, die von einer Kostensteigerung aufgrund der Maut-Änderungen zum 1. Oktober ausgeht. Krage: Das wird sich in den Regionen unterschiedlich entwickeln. In einigen werden mehr Straßen und kleinere Fahrzeuge bemautet als zuvor. Wir haben mehrere Modelle gerechnet. Wie es tatsächlich kommen wird, wissen wir im November, wenn die ersten Mautabrechnungen auf dem Tisch liegen. In den Stückgutkooperationen müssen wir uns dann zum Jahresende zusammensetzen und die internen Verrechnungen überprüfen. Dann wissen wir auch, wie sich der Kostenindex in der Spedition entwickelt. Bisher sind das alles Annahmen und Prognosen. Mit wie viel Prozent Kostenerhöhung rechnen Sie im Durchschnitt im Stückgutbereich? Huster: Die Mautmehrbelastung auf einzelne Strecken kann bis zu 60 Prozent betragen. In der Sendungsbetrachtung kann allein die Mautausweitung eine Kostensteigerung von bis zu 2,6 Prozent bedeuten. Welche Entwicklungen gibt es beim Mautharmonisierungsprogramm? Huster: Wir bestehen auf seiner Erfüllung. Da sind wir uns mit der AMÖ, dem BGL und dem BWVL einig. Die deutsche Politik stützt sich momentan auf Aussagen aus Brüssel und des Bundesrechnungshofes, dass sie bestimmte Dinge streichen müsste. Das ist für unser Empfinden zu einseitig gedacht. Die Politik sollte hier innovativ weiterdenken und sich überlegen, wie das gesamte Mautharmonisierungsprogramm erhalten werden kann. Da müssen der Minister und sein Haus schon mal in Vorleistung und nicht allein auf Ideen aus den Verbänden warten. Wie ist Ihre Bilanz der bisherigen Amtszeit des Bundesverkehrsministers Dobrindt? Krage: Herr Dobrindt hat sich hervorragend eingearbeitet. Wir haben gute und etablierte Kontakte zu ihm, nicht zuletzt auch wegen unserer gemeinsamen Standortvermarktungsinitiative Logistics Alliance Germany. Wir spüren, dass er uns anhört und ernst nimmt. Es ist ein grundsätzliches Verständnis für die Branche da. Allerdings entwickeln die Haushälter oft ihre eigene Dynamik. Dobrindt hätte sich am Anfang mehr aus dem Fenster lehnen sollen. Und das Thema Pkw-Maut hat eine viel zu hohe Priorität im BMVI erhalten. Insgesamt können wir uns aber nicht beschweren. Huster: Der Minister ist sehr aktenkundig, er steckt tief in den Themen und ist an unserer Meinung interessiert. Sie würden ihn in der nächsten Legislaturperiode als Minister behalten wollen? Krage: Ja, das wäre besser als ein Wechsel. Die Konjunktur läuft, der Spediteurbranche geht es gut? Krage: Der Branche geht es umsatzmäßig sehr gut. Und sie ist derzeit auch optimistisch. Das sehen Sie auch am Ifo-Konjunkturbarometer. Die Margensituation ist allerdings nach wie vor angespannt. Es wird nicht das gezahlt, was gezahlt werden müsste. Das führt dazu, dass wir standardisieren und automatisieren, um pro Sendung eine höhere Effizienz zu erzielen. Es gibt darüber hinaus starke Umwälzungen durch den Fachkräftemangel. Huster: 2014 haben wir die Umsatzgrenze in der Gesamtbetrachtung Spedition, Lagerei und Transport in Europa von 90 Milliarden Euro geknackt. Vor drei Jahren lagen wir noch bei 80 Milliarden. Das ist ein gigantischer Sprung. Die Beschäftigung ist sehr hoch. Das merken wir an den Zahlen, die uns als Verband gemeldet werden, dies ist die Bemessungsgrundlage für unsere Beiträge. Dadurch entwickelt sich die wirtschaftliche Situation des Verbands sehr zufriedenstellend. Unser Haushalt ist ausgeglichen, wir können uns aus den Beiträgen momentan gut finanzieren. Sie hatten angekündigt, aufgrund des Fachkräftemangels würden die Löhne und die Vergütung für die Frachtführer überproportional steigen. Das ist so nicht gekommen. Krage: Das sehe ich anders. Speziell bei den Frachtführern im Nahverkehr. Hier hat es in den letzten zwölf Monaten Erhöhungen bis zu 15 Prozent gegeben. Das war allerdings auch stark vom Mindestlohn getrieben. Ich gehe davon aus, dass es sich im Fernverkehr ähnlich entwickelt hat. Ob das bereits auskömmlich ist, ist ein anderes Thema. Außerdem schlägt der günstige Dieselpreis zu Buche, von dem die Frachtführer profitieren, ebenso die Kostenvorteile aufgrund der Kostenvorteile für Euro 6. Was, wenn der Diesel wieder teurer wird? Krage: Dann muss der Markt reagieren und jeder selber entscheiden, wie er agiert. Vita Mathias Krage Der 58-jährige Niedersachse ist seit 2009 Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbands DSLV. Die Mitgliederversammlung in Düsseldorf hat ihn jetzt in seinem Amt bestätigt. Krage ist von Kindesbeinen an im familiengeführten Transport- und Logistik-Unternehmen zu Hause. Gemeinsam mit seinem Bruder führt er die Unternehmen Krage Speditions-Gesellschaft, Hannover, Krage Potsdam und die Beteiligung Krage & Gerloff Logistik-Schwanebeck. In der Stückgutkooperation IDS ist Krage einer der starken mittelständischen Partner. Krage ist auch Gesellschafter von Kombiverkehr. Außerdem ist er Vorsitzender des Fördervereins der Vermarktungsiniative Logistics Alliance Germany. bb Vita Frank Huster Seit Anfang 2013 führt der gebürtige Hamburger die Geschäfte des DSLV. Der 50-Jährige ist gelernter Speditionskaufmann und hat Volkswirtschaft studiert. Er arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren für den Speditionsverband. In dieser Zeit hat er unter anderem das Referat "Gefahrgutlogistik, Logistiksicherheit und Umwelt" im DSLV geleitet. Huster war in seiner Funktion als Chairman des Dangerous Goods Boards der globalen Spediteursorganisation Leiter der Fiata-Verhandlungsdelegation in den Gefahrgutausschüssen der Vereinten Nationen, Genf, und mehrere Jahre Mitglied des Präsidiums des Europäischen Speditionsverbands Clecat. bb

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