Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt seit Donnerstag (11.00 Uhr) darüber, ob Fahrverbote für Dieselautos in Städten rechtlich zulässig sind. Ein Urteil noch am selben Tag gilt als möglich. Es könnte eine bundesweite Signalwirkung haben.
Denn seit Jahren werden in vielen Städten Schadstoffgrenzwerte nicht eingehalten. Dabei geht es um Stickoxide, die als gesundheitsschädlich gelten. Der Verkehrsbereich, darunter vor allem Dieselautos, trägt nach Angaben des Umweltbundesamts rund 60 Prozent zur Belastung bei. Für die Einhaltung von Grenzwerten laufen seit Jahren Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Auch die EU-Kommission macht Druck, es droht eine Klage am Europäischen Gerichtshof.
Diesel-Fahrverbote als effektivste Maßnahme?
Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt nicht darüber, ob Fahrverbote einzuführen sind – es prüft die Rechtsgrundlage. Es geht in Leipzig um die Frage, ob Städte Fahrverbote nach geltendem Recht und ohne eine bundesweit einheitliche Regelung anordnen können, damit Schadstoffgrenzwerte eingehalten werden können.
Verhandelt wird über eine sogenannte Sprungrevision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf, um Fahrverbote zu vermeiden. Diese Verwaltungsgerichte hatten nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Behörden verpflichtet, ihre Luftreinhaltepläne so zu verschärfen, dass die Schadstoffgrenzwerte möglichst schnell eingehalten werden.
Das Stuttgarter Gericht hatte Fahrverbote für Dieselautos dabei als „effektivste“ Maßnahme bezeichnet. Das Düsseldorfer Gericht urteilte, Fahrverbote müssten „ernstlich geprüft“ werden. Die Bundesländer argumentieren, es gebe Rechtsunsicherheiten und es fehle eine bundesweit einheitliche Regelung.
Gericht könnte vorherige Urteile aufheben
Eine Signalwirkung hätte es vor allem, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Revisionen zurückweist. Damit wären die Urteile der Vorinstanzen rechtskräftig. Ein solches Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wäre das politisch folgenreichste – Leipzig würde damit faktisch den rechtlichen Weg für Fahrverbote ebnen.
Ob es in der Folge zu Fahrverboten kommt, liegt letztlich an den einzelnen Städten und Bezirksregierungen – einen Automatismus gibt es nicht. Für jede Stadt, in der Schadstoffgrenzwerte überschritten werden, wäre es bei einem entsprechenden Leipziger Urteil aber möglich, Fahrverbote für ältere Diesel in den jeweiligen Luftreinhalteplan aufzunehmen. Das könnte dann aber von Stadt zu Stadt noch Wochen oder Monate dauern.
Eine zweite Möglichkeit ist, dass das Bundesverwaltungsgericht den Sprungrevisionen stattgibt – damit wären die Urteile der Verwaltungsgerichte aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht könnte dies aber mit einem Handlungsauftrag an die Bundesregierung verbinden. Denn das Problem, dass Schadstoffgrenzwerte weiter überschritten werden, würde weiter bestehen.
Fahrverbote bräuchten Ausnahmeregelungen
Die dritte Option: Das Bundesverwaltungsgericht sieht noch Aufklärungsbedarf und verweist die Fälle zu einer erneuten Verhandlung an die Verwaltungsgerichte zurück – das Problem wäre damit nur aufgeschoben. Als theoretisch möglich, aber sehr unwahrscheinlich gilt, dass das Leipziger Gericht entscheidet, Fahrverbote wären das einzige Mittel, damit die Grenzwerte eingehalten werden.
Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wird mit großer Spannung erwartet. Kommunale Spitzenverbände sowie Wirtschaftsbranchen warnten, dass Fahrverbote das kommunale Leben lahmlegen könnten – weil dann möglicherweise viele Dieselautos wie zum Beispiel Lieferwagen nicht mehr in Innenstädte kommen. Allerdings wären Ausnahmeregelungen möglich.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte vor der Verhandlung die Bundesregierung. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Dass Gerichte nun darüber entscheiden müssen, wie die Luft in deutschen Städten sauberer wird, ist dem jahrelangen Nichts-Tun der Großen Koalition geschuldet.“ Die Bundesregierung müsse den betroffenen Städten die „blaue Plakette“ als wirksames Instrument für saubere Luft an die Hand geben.
Bundesweit einheitliche Regelung gefordert
Bereits vor der Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht war die Forderung nach Einführung einer „blauen Plakette“ lauter geworden. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, hatte gesagt, er sehe keine Alternative zur „blauen Plakette“, wenn das Gericht Fahrverbote für zulässig erkläre. Die Bundesregierung lehnt die Einführung einer solchen Plakette bisher ab, weil damit Millionen von Dieselfahrern „enteignet“ würden.
Mit einer „blauen Plakette“ könnten zumindest Dieselfahrzeuge mit der neuesten Abgasnorm 6 ausgenommen sein. Andernfalls käme es zu einem „Flickenteppich an Regelungen und Beschränkungen“ in den einzelnen Kommunen, mahnte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Er hofft, dass mit dem anstehenden Gerichtsentscheid zu Diesel-Fahrverboten der Bund in die Pflicht genommen wird, eine „blaue Plakette“ einzuführen. (dpa)