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Die Rechte der Gewerkschaft

05.09.2013 12:58 Uhr
Gewerkschaften dürfen nur unter bestimmten Bedingungen im Unternehmen werben

Was Gewerkschaften in Transport- und Logistikunternehmen dürfen und welche Grenzen sie einhalten müssen.

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Wie hängen Betriebsrat und Gewerkschaft eigentlich zusammen?
Betriebsräte und Gewerkschaften werden gern in einen Topf geworfen. „Das hängt damit zusammen, dass Betriebsräte oft gewerkschaftlich organisiert sind“, sagt Jobst Hubertus Bauer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz. „Betriebsräte und Gewerkschaften sind aber selbstständige und voneinander unabhängige Organe mit unterschiedlichen Aufgaben.“ Der Betriebsrat ist die gewählte Vertretung der Arbeitnehmer im Betrieb. Er hat bestimmte Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Eine Gewerkschaft ist eine Arbeitnehmervereinigung zur Durchsetzung sozialer und wirtschaftlicher Interessen. Ein Betriebsratsmitglied kann somit Gewerkschaftsmitglied sein, muss es aber nicht. Das BetrVG regelt aber auch: Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen vertrauensvoll zusammen (§ 2 BetrVG).

 

Darf die Gewerkschaft eine Betriebsratswahl iniziieren?
„Ja, das darf sie“, sagt Fachanwalt Bauer. „Häufig ist die Gewerkschaft sogar die treibende Kraft.“ Laut Paragraf 17, Absatz 3 des BetrVG darf die Gewerkschaft eine Betriebsratswahl anstoßen, wenn sie mit mindestens einem Mitglied im Betrieb vertreten ist. Sogar Wahlvorschläge für die Zusammensetzung des Vorstandes sind erlaubt. Doch nicht jeder Kleinstunternehmer muss sich vor einem Betriebsrat fürchten. „Der Betrieb muss mindestens fünf Mitarbeiter haben, damit ein Betriebsrat gewählt werden darf“, sagt Bauer. Nach seiner Erfahrung gebe es in Betrieben mit bis zu 20 Arbeitnehmern kaum Betriebsräte, weil die Bindung an den Arbeitgeber zu stark sei.

 

Muss es der Arbeitgeber dulden, wenn der Betriebsrat ein betriebsfremdes Gewerkschaftsmitglied in das Unternehmen einlädt?
„Grundsätzlich muss der Arbeitgeber Gewerkschafter in seinem Betrieb nicht dulden, denn er ist der Hausherr und bestimmt, wer den Betrieb betritt“, sagt Hermann Gloistein, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Dr. Gloistein & Partner in Halle. Es gibt aber zwei Ausnahmen:

„Wenn es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt und dieser eine Betriebsversammlung durchführt, kann er einen Gewerkschaftsvertreter hinzuziehen, der dann natürlich Zutritt zum Betriebsgelände haben muss. Und: Auch in Unternehmen, in denen es keinen Betriebsrat gibt, erkennt das Bundesarbeitsgericht ein Zutrittsrecht der Gewerkschaft zum Zweck der Mitgliederwerbung im Grundsatz an.“ Paragraf 2, Absatz 2 des BetrVG regelt aber, dass zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen der Gewerkschaftsbetätigung nicht entgegenstehen dürfen. Auch der Betriebsablauf darf nicht gravierend gestört werden. „Ein freies Zutrittsrecht gibt es daher nicht“, sagt Gloistein. „Vor einer etwaigen Werbeveranstaltung im Betrieb muss sich die Gewerkschaft rechtzeitig beim Arbeitgeber ankündigen und ihr Ansinnen vorbringen. Nur so ist gewährleistet, dass er geeignete Vorkehrungen zum Schutz seiner Rechtspositionen treffen kann.“

 

Darf die Gewerkschaft an Betriebsversammlungen teilnehmen und sich sogar zu Wort melden?
„Ist die Gewerkschaft im Betrieb vertreten, hat sie ein Teilnahmerecht an Betriebsversammlungen“, sagt Gloistein. Die Rede ist in Paragraf 46, Absatz 1 des BetrVG aber von einer „beratenden Teilnahme“. Gloistein: „Das heißt, der Gewerkschaftsvertreter darf das Wort ergreifen, die Betriebsversammlung leitet jedoch der Betriebsrat.“ Damit daraus keine Gewerkschaftsveranstaltung wird, muss die Gewerkschaft gewisse Grenzen beachten. „Gewerkschaftler dürfen sich nur im Rahmen der von Paragraf 45 BetrVG vorgegebenen Themen äußern“, sagt der Arbeitsrechtler.

Dazu zählten unter anderem tarif-, sozial- und umweltpolitische Themen sowie Fragen der Gleichstellung. Überschreitet die Gewerkschaft die Grenzen ihrer Mitwirkungsrechte, sollte der Arbeitgeber reagieren: „Erster Ansprechpartner ist dabei der Betriebsrat selbst“, betont Gloistein. „Er muss darauf achten, dass sich die Teilnahme der Gewerkschaft im gesetzlichen Rahmen bewegt. Tut er das nicht, begeht er unter Umständen eine Pflichtverletzung, die in letzter Konsequenz bis zur Auflösung des Betriebsrates führen kann.“ Darüber hinaus könne der Arbeitgeber den Betriebsrat auch auf künftige Unterlassung in Anspruch nehmen, so der Fachanwalt.

 

Darf die Gewerkschaft E-Mails an Mitarbeiter eines Unternehmens verschicken, Werbematerial verteilen oder Aushänge am Schwarzen Brett machen?

Bei diesen Aktivitäten muss sie sich an gewisse Spielregeln halten: „Das Bundesarbeitsgericht hat 2009 entschieden, dass die Gewerkschaft sich an Arbeitnehmer über deren betriebliche E-Mail-Adresse mit Werbung und Informationen wenden darf“, erklärt Fachanwalt Bauer. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber den Gebrauch der E-Mail-Adresse zu privaten Zwecken untersagt habe.

Gewerkschaften sind auch berechtigt, im Betrieb Werbeplakate aufzuhängen oder Werbematerial zu verteilen. „Betriebsfremde Gewerkschaftsvertreter dürfen zu Pausenzeiten auch das Firmengelände betreten, um mit Arbeitnehmern zu sprechen und für die Gewerkschaft zu werben“, erklärt Bauer. „Allerdings müssen die Interessen des Arbeitgebers angemessen berücksichtigt werden. Ihm darf kein unzumutbarer organisatorischer Aufwand entstehen, der Betriebsfrieden und die Arbeit dürfen nicht gestört werden und nicht zuletzt dürfen Sicherheit und Geheimhaltungsinteressen durch den Zutritt von Betriebsfremden nicht beeinträchtigt werden.“

Auch die Häufigkeit der Besuche spielt laut Bauer eine Rolle. „Wöchentliche Besuche kann die Gewerkschaft sicherlich nicht verlangen. Halbjährliche Gewerkschaftsbesuche hält das Bundesarbeitsgericht aber in der Regel für zumutbar“, so der Experte. Selbst das Tragen von Gewerkschaftsansteckern an der Kleidung kann der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern nicht verbieten. Doch dürfen etwa Fahrer einen Gewerkschaftsaufkleber an den LKW kleben?

„Inwieweit Eigentum des Unternehmens in Anspruch genommen werden darf, ist heiß umstritten“, sagt Bauer. So habe noch 1979 das Bundesarbeitsgericht in einer aufsehenerregenden Entscheidung das Ankleben eines Gewerkschaftsaufklebers auf einen Schutzhelm untersagt. „Ob das Gericht heute noch so entscheiden würde, ist fraglich, die Rechtsprechung ist bei diesem Thema insgesamt gewerkschaftsfreundlicher geworden“, so der Arbeitsrechtler.

 

Welche Gewerkschaften können in der Transport- und Logistikbranche überhaupt Abschlüsse erwirken?
„Ob eine Gewerkschaft zuständig ist, regelt ihre jeweilige Satzung, es kommt hier auf den Geltungsbereich an“, erklärt Thomas Röll, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Spedition und Logistik (ASL). In der Transport- und Logistikbranche ist das in erster Linie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi). Ob Arbeitgeber sich auch mit anderen Gewerkschaften auseinandersetzen müssen, hängt vor allem davon ab, ob die Gewerkschaft, die zu einem Tarifvertrag auffordert, im Betrieb mächtig genug ist, den Arbeitgeber zu Verhandlungen zu bewegen.

 

Wann muss der Arbeitgeber einen Tariflohn zahlen?
„Den Tariflohn muss der Arbeitgeber dann zahlen, wenn er Mitglied im Arbeitgeberverband ist und der Arbeitnehmer Mitglied in der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft“, erklärt Röll. Außerdem ist der Arbeitgeber an einen Tarifvertrag gebunden, wenn er selbst mit der Gewerkschaft einen Tarifvertrag schließt. Man spricht dann von einem Haustarifvertrag. Ist der Arbeitgeber tarifgebunden, muss er aber nur den Arbeitnehmern den Tariflohn zahlen, die auch Mitglied in der Gewerkschaft sind. „Aus Gründen der Gleichbehandlung entlohnen viele Arbeitgeber aber auch Nichtgewerkschaftsmitglieder mittels Gleichstellungsabrede im Arbeitsvertrag nach Tarif“, sagt Röll. (ir)

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