Die Technische Universität München (TUM) und der Lkw-Hersteller MAN haben im bayerischen Plattling auf dem Technologie Campus den Prototypen einer 1000-Kilowatt-Ladesäule vorgestellt und dabei einen E-Lkw aufgeladen.
Laut Hersteller habe damit zum ersten Mal überhaupt ein Elektro-Lkw öffentlich mit über 1000 Kilowatt und 1500 Ampere seine Batterien geladen. Der Ladevorgang dauert etwa 30 Minuten. Die Aufladung reiche um einem 40-Tonner des Herstellers etwa 400 Kilometer Reichweite zu verleihen.
Ergebnis bei Nefton: Kernrouten des Autobahnnetzes mit Megawatt-Ladesäulen ausrüsten
Der Prototyp wurde im Rahmen des Forschungsvorhaben Nefton entwickelt, an dem weitere Partner aus Industrie und Wissenschaft beteiligt sind. Dieses startete 2021. Die Partner haben nun die Ergebnisse präsentiert.
Das Projekt hat das System aus vollelektrischem Lkw, Ladesäule und Netzanbindung analysiert und für verschiedene Einsatzszenarien ausgelegt. Dabei im Fokus: Das Megawatt Charging System (MCS) für ultraschnelles Stromtanken von E-Lkw in der Lenkzeitpause des Fahrers oder beim Be- und Entladen an der Rampe.
Das Konsortium unter der Leitung der Münchner Universität arbeitete mit vier Speditionen zusammen, um verschiedene Anwendungsbereiche – vom Verteilverkehr bis zum Fernverkehr – zu analysieren. Die Ergebnisse zeigen laut der TUM, dass im Verteil- und Regionalverkehr das Laden größtenteils am Standort der Spedition erfolgen kann. Der Fernverkehr ist hingegen auf ein Netz von besonders leistungsfähigen Lkw-Ladestationen an Raststätten und Autobahnparkplätzen angewiesen.
Den Ergebnissen zufolge sollten an den Kernrouten des Autobahnnetzes alle 50 km Ladesäulen installiert werden, die in der Spitze ein Megawatt an Leistung bereitstellen können. So könnten Zeitverluste durch Laden vollständig vermieden werden.
„Für den tatsächlichen effektiven Einsatz von Elektro-Lkw fehlt noch die Infrastruktur an den Hauptverkehrsrouten. Hierfür ist die Technologie des Megawatt-Ladens ein gewaltiger Schritt nach vorne“, erläutert Professor Markus Lienkamp von der Technischen Universität München. Er hat dort den Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik inne und leitete das Projekt federführend.
Bidirektionales Laden Teil der Forschung
Ladeleistungen mit bis zu 3000 kW, wie sie das Projekt ebenfalls untersucht hat, können Einsatzeffizienz und Flexibilität von Elektro-Lkw für den Fernverkehrseinsatz dabei perspektivisch sogar weiter steigern, ergänzt Lkw-Hersteller MAN. Auch das bidirektionale Laden für eine mögliche Einbindung des Lkw als Speicher ins Stromnetz zur tageszeitlich effizienteren Nutzung des Stromangebotes habe man bereits mitbetrachtet.
„Wir haben es mit Nefton geschafft, Technologien zu entwickeln, um E-Lkw innerhalb kürzester Zeit und mit einer Leistung von über 1000 kW zu laden“, hebt Frederik Zohm, Vorstand für Forschung und Entwicklung bei MAN Truck & Bus hervor.
„Die Technologie ist da, nun gilt es, den Ausbau der Ladeinfrastruktur im Markt in engem Schulterschluss von Politik, Energiewirtschaft und Fahrzeugherstellern voranzutreiben.“ Laut MAN sind Branchen-Schätzungen zufolge bis 2030 rund 50.000 Hochleistungs- und Megawattladesäulen notwendig, um die Mobilitätswende bei Lkw in Europa nachhaltig voranzutreiben.
Bayern fördert MCS
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger war bei der Ergebnispräsentation auch vor Ort. „Gerade das Megawatt Charging System (MCS) beschleunigt die Ladezeiten der Lastkraftwagen massiv und ist deshalb ein Meilenstein für die Elektromobilität“, erklärte der Minister.
Er kündigte an, dass die MCS-Technologie auch im aktuellen Förderprogramm berücksichtigt werden. „In der ersten Runde finanzieren wir damit 86 Ladepunkte für den Straßengüterverkehr.“ Im Spätherbst soll der nächste Förderaufruf starten.
Ladesäule weiter öffentlich zugänglich, aber umständlich
Die Ladesäule, die einem MAN-Sprecher zufolge noch kein Serienmodell ist und unter anderem über besonders dicke und damit leistungsfähige Kabel verfügt, soll weiter öffentlich zugänglich sein. Großer Andrang ist allerdings unwahrscheinlich: Zum einen liegt sie rund zwei Kilometer abseits der Autobahn in einem Technologie-Campus.
Zum anderen hat sie kein eigenes Bezahlsystem. Wer dort laden will, muss bei der Technischen Hochschule Deggendorf nachfragen. Diese war ebenfalls Teil des Projekts Nefton, zu dessen Ergebnissen auch der jetzt gezeigte Ladevorgang zählt.
Das Thema Megawattladen beschäftigt zurzeit verschiedene Akteure. So hatte Daimler Truck bereits im April gemeldet, diese Leistung erreicht zu haben, allerdings im unternehmenseigenen Entwicklungs- und Versuchszentrum.