Hannover. Ähnlich dem Autopiloten eines Flugzeugs, so beschreibt der NFZ-Hersteller Daimler die Steuerungstechnik des neuen Future Truck 2015, die den Sattelzug autonom fahren lässt. Um dies zu ermöglichen, steckt unter der Haube des futuristischen Trucks eine Menge an moderner Technik.
Im unteren Bereich der Frontpartie scannt ein Radarsensor den Fern- und Nahbereich nach vorne. Der Frontradarsensor erfasst eine Reichweite von 250 Meter und deckt einen Öffnungswinkel von 18 Grad ab. Der Nahbereichssensor hat eine Reichweite von 70 Meter und bestreicht einen Winkel von 130 Grad. Der Radarsensor ist die Basis für die heute schon verfügbaren Sicherheitssysteme Abstandhalte-Assistent und Notbrems-Assistent.
Den Bereich vor dem Fahrzeug hat außerdem eine Stereokamera im Blick, sie ist oberhalb der Brüstung hinter der Windschutzscheibe montiert. Heute ist an dieser Stelle bei der Option Spurhalte-Assistent eine Monokamera montiert. Die Reichweite der Stereokamera beläuft sich auf 100 m, sie bestreicht einen Bereich von horizontal 45 Grad und vertikal 27 Grad.
Stereokamera identifiziert Fußgänger und Gegenstände
Die Stereokamera des Mercedes-Benz Future Truck 2025 identifiziert ein- und zweispurige Fahrbahnen, Fußgänger, bewegliche und unbewegliche Gegenstände, sämtliche Objekte innerhalb des überwachten Raums. Die Kamera erkennt alles, was sich vom Hintergrund abhebt und kann somit auch den Freiraum präzise ermitteln. Die Front-Stereokamera nimmt außerdem die Informationen von Verkehrsschildern auf. Neben der Objekt- und Freiraumerkennung dient die Stereokamera der Spurerkennung, die eine wesentliche Funktion für die autonome Spur-führung darstellt.
Blind Spot Assist: mehr Sicherheit beim Abbiegen und Spurwechsel
Die Überwachung der Fahrbahn links und rechts des LKW übernehmen seitlich angebrachte Radarsensoren. Sie sind links und rechts vor der Hinterachse der Zugmaschine montiert. Die Reichweite beträgt 60 m, die Sensoren decken einen Winkel von 170 Grad in Längsrichtung ab. Diese Sensoren sind das Herzstück des neuen Blind Spot Assist von Mercedes-Benz. Die Radarsensormodule sind so angeordnet, dass sie den Bereich parallel zum LKW über die komplette Länge eines Sattel- oder Gliederzugs abdecken. Darüber hinaus wird der Streifen auf zwei Meter nach vorne vor den LKW ausgedehnt. Der Blind Spot Assist soll den LKW-Fahrer nicht nur beim Abbiegen vor anderen Verkehrsteilnehmern warnen, es warnt auch vor drohenden Kollisionen mit stationären Hindernissen – zum Beispiel Schildern oder Laternen – und dient als Assistenzsystem beim Spurwechsel.
Das Verkehrssystem von morgen ist vernetzt und autonom
Alle Sensoren an Bord des Future Truck 2025 sind miteinander vernetzt (Multisensorfusion) und ergeben ein komplettes Bild der Umgebung. Erfasst werden sämtliche bewegte und stationäre Objekte im Umfeld des LKW. Durch die Fusionierung der Daten in einem Hochleistungs-Multikernprozessor des Zentralrechners werden die Daten aller Sensoren im gesamten Bereich vor und neben dem LKW miteinander verknüpft.
Die Sensor- und Kameratechnik ist vom Stand bis zur gesetzlich erlaubten Höchstgeschwindigkeit für LKW wirksam. Sie hält den LKW durch Lenkeingriffe vollautomatisch sicher in der Mitte seiner Fahrspur. Hinterlegt ist außerdem eine digitale dreidimensionale Karte, wie sie bereits jetzt für das Assistenzsystem Predictive Powertrain Control (PPC) verwendet wird. Der LKW ist also über den Streckenverlauf und die Topografie jederzeit perfekt informiert.
V2V und V2I – Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der Umwelt
Ergänzt wird der „Highway Pilot“ durch Vernetzung V2V und V2I. Jedes damit in naher Zukunft ausgerüstete Fahrzeug gibt fortlaufend Informationen an seine Umgebung ab. Dazu gehören Fahrzeugposition und Fahrzeugtyp sowie Abmessungen, Fahrtrichtung und Geschwindigkeit, eventuelle Beschleunigungs-, Bremsmanöver und die gefahrenen Kurven-krümmungen. Die Häufigkeit der Informationsvermittlung ist abhängig von der Geschwindigkeit des Fahrzeugs und von der Intensität seiner Bewegungsänderungen. Sie pendelt zwischen einer Nachricht pro Sekunde bei ruhiger Fahrt bis zum zehnfachen Intervall bei deutlichen Änderungen.
Kommunikation via WLAN
Die Übermittlung erfolgt mit WLAN-Technologie über die europaweit einheitliche Frequenz G5 bei 5,9 Gigahertz. Basis ist die ITS Vehicle Station (Intelligent Transport Systems and Services) an Bord des Fahrzeugs.Die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen ist ebenfalls standardisiert. Die Reichweite der fortlaufend gesendeten Nachrichten beträgt etwa 500 m im Umkreis. Damit informieren sich die Fahrzeuge gegenseitig über ihre Bewegungen und können sofort darauf vorausschauend reagieren. Das betrifft zum Beispiel Reaktionen auf das Einfädeln von Fahrzeugen auf die Autobahn oder ein nahendes Stauende. Je mehr Fahrzeuge auf diesem Wege miteinander kommunizieren, desto dynamischer und flexibler können sie aufeinander und miteinander reagieren.
Im Idealfall entsteht laut Daimler daraus entlang der Strecke eine ununterbrochene Kommunikationskette, die Fahrer und Fahrzeug bei Bedarf exakt selbst über die Verkehrssituationen weit voraus auf seiner Strecke informiert. V2I bedeutet, dass alle diese Nachrichten und Signale ebenfalls an externe Adressaten geschickt werden, etwa Verkehrsleitstationen. Sie können da-rauf flexibel reagieren, zum Beispiel mit Änderungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit oder Freigabe zusätzlicher Fahrspuren. Umgekehrt können auch Nachrichten zu den Fahrzeugen gesendet werden, zum Beispiel über Tagesbaustellen.
Alle diese Daten sollen den Fahrer und den Fahrzeugrechner rechtzeitig über Geschehnisse außerhalb seiner Sichtweite informieren. Damit wissen er und sein Fahrzeug zum Beispiel vorausschauend von Hindernissen, bevor eine Gefahrensituation eintreten kann.
Aktiv gegen Stau: Straßenverkehr als selbstlernendes System
Der Mercedes-Benz Future Truck 2025 soll auf seiner Route also nicht als Solitär unterwegs sein, sondern automatisch ständig und unmerklich für seinen Fahrer mit seiner Umgebung kommunizieren, Daimler. Auf diese Weise würden Verkehrsinformationen untereinander weitergegeben, die Daten sollen dabei jedem Verkehrsteilnehmer zur Verfügung stehen. Da die vernetzten Fahrzeuge darauf automatisch reagieren, sei ein homogener Verkehrsfluss und eine perfekte Ausnutzung der begrenzten Infrastruktur Straße gewährleistet. Zusammen mit dem autonomen Fahren entwickele sich der Straßenverkehr zu einem selbstlernenden System, sagt Daimler,
Nach dem Einfädeln in die Autobahn ordnet sich der Fahrer des Mercedes-Benz Future Truck 2025 in den fließenden Verkehr auf seiner Spur ein. Das System bietet ihm dann den „Highway Pilot“ an. Diesen aktiviert der Fahrer und das Fahrzeug wechselt in den autonomen Modus. Der Future Truck 2025 ist je nach Verkehrssituation losgelöst unterwegs, denn zu seiner Führung durch den Verkehr wird kein vorausfahrendes Fahrzeug benötigt. Er agiert in seiner Fahrspur autonom. Fährt ein anderes Fahrzeug voraus, kann sich der LKW im Rahmen der erlaubten Geschwindigkeit an dessen Tempo orientieren und den vorgegebenen Sicherheitsabstand halten. Das Einscheren weiterer Fahrzeuge ist laut Daimler deshalb jederzeit gefahrlos möglich. Auch ist der Sicherheitsabstand gewährleistet – der Mercedes-Benz Future Truck 2025 passe sich seiner Umgebung perfekt an. Der Future Truck 2025 funktioniere unabhängig von anderen Verkehrsteilnehmern durch die Vernetzung. Um allerdings den vollen Nutzen im Sinne der Logistik-Effizienz und optimalen Ausnutzung der Infrastruktur ausschöpfen zu können, sei eine übergreifende Vernetzung wünschenswert, so Daimler. (ak)