Workforce-Management im Lager: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

In Kürze Workforce-Management-Tools optimieren nicht nur den Personaleinsatz im Logistikzentrum oder Lager, sondern können auch die Zufriedenheit in der Belegschaft steigern. An welchen Stellen Unternehmen die digitalen Lösungen bereits einsetzen und welche Rolle KI-Methoden und Machine Learning dabei spielen. Wie viele Mitarbeitende brauche ich zur Black-Friday-Saison? Wer in der Schicht sollte einen Staplerschein haben, wer fit an der Pick-by-Voice-Station sein oder beides? Und wer ist noch mal beim Jahres-urlaub auf die Ferien angewiesen? Je größer ein Logistikbetrieb, desto komplexer kann die Beantwortung solcher Fragen werden und das Ziel - nämlich den guten Schichtplan - schnell verfehlen. Dabei wird eine effiziente Personaleinsatz-Planung in Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel sowie Kostendruck in der Logistik immer wichtiger. Ab einer gewissen Größe kommen Lagerleiter, die hier noch mit Excel-Listen und/oder ausgedrucktem Dienstplan hantieren, an ihre Grenzen - oder treffen irgendwann auf frustrierte Mitarbeitende, deren Schichtwünsche schon wieder nicht berücksichtigt worden sind. Sogenannte Workforce-Management-Software (WMS) kann nicht nur Organisatorisches vereinfachen, sondern basierend auf Forecasts tatsächlich vorliegende Bedarfe im Voraus ermitteln und so den Personaleinsatz deutlich effizienter machen. Forecasts zu geplanten Pick-Mengen Die Vorteile einer solchen Software hat zum Beispiel Fressnapf entdeckt. Der Heimtierbedarf-Spezialist nutzte zur Personaleinsatz-Planung in drei deutschen Logistikzentren früher eine abteilungs-basierte Planung. Ob die Mitarbeitenden bezogen auf die tatsächlich vorliegenden Bedarfe optimal eingesetzt wurden, konnte nur mit erhöhtem Aufwand nachvollzogen werden. Um den Personaleinsatz effizienter zu gestalten und auf das manuelle Nachtragen des Bedarfs zu verzichten, wollte Fressnapf eine WMS in den Logistik-Alltag integrieren, die alle relevanten prozessbezogenen Daten abteilungsübergreifend und in Echtzeit zur Verfügung stellt. Fündig wurde das Unternehmen bei dem WMS-Anbieter EPG, der ein Workforce-Management-Modul im Portfolio hat und dies direkt an das Lagerführungssystem andocken kann. So weiß die Software, in welchen Bereichen des Lagers welche Mengen in welchem Zeitraum zu bearbeiten sind. Auf Basis von Forecasts zu geplanten Pick-Mengen sowie tatsächlich im Lagerführungssystem vorliegenden Ist-Mengen soll so eine bedarfsorientierte lang- sowie kurzfristige Personaleinsatz-Planung realisiert werden. Ressourcen-Verfügbarkeiten werden dabei dynamisch abgebildet, das aktuelle Auftragsvolumen, Schichtpläne und Qualifikationen der einsatzbereiten Mitarbeitenden miteinbezogen. Auch kurzfristige operative Änderungen wie Auftragsspitzen werden berücksichtigt. Diese Informationen gleicht das Workforce Management mit personal-spezifischen Faktoren wie dem Mitarbeiterplan, Anwesenheiten, Qualifikationen, Leistungskennzahlen und vertraglichen Regelungen ab. Die Prognose von Bedarfsmengen bildet auch bei anderen Workforce-Management-Tools das Herzstück. "Machine-Learning-Algorithmen ermöglichen die Berechnung der erwarteten Mengen auf der Grundlage von historischen Daten, Wachstumsfaktoren und Referenzmengen. Schwankungen können vorhergesagt und Ressourcen genauer geplant werden", heißt es etwa seitens Redpilot, einem zur Knapp-Gruppe gehörenden Software-Spezialisten für Betriebsplanung. Die Lösung kommt beispielsweise bei Edeka Rhein-Ruhr zur Optimierung der Abläufe in Distributions-Centern zum Einsatz. Zielgerichteter Einsatz nach Präferenzen Wie insbesondere Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) bei der Prognose der zu erwartenden Kapazitätsauslastung und damit bei der Personalplanung im Lager und in Logistikzentren helfen können, weiß auch Mathias Thomas, Geschäftsführer von TUP (siehe Interview Seite 30). KI deckt seiner Meinung nach komplexe Zusammenhänge auf, die andernfalls verborgen bleiben. "Diese in die Zukunft zeigende Transparenz bringt für die Personalplanung in der Intralogistik enorme Vorteile mit sich", sagt Thomas. So könnten etwa Mitarbeitende im Lager anhand der so gewonnenen Informationen zielgerichtet da eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden - anhand ihrer individuellen Stärken und Präferenzen. "Neben vorausschauender Planung externer und interner Ressourcen ermöglicht die KI in Zeiten eines sich verstärkenden Fachkräftemangels die Identifizierung von riskanten Lücken in den Fähigkeiten des Teams sowie gezielte Personalentwicklung", so Thomas weiter. WMS-Anbieter TUP ist für die Realisierung von KI-Anwendungen - unter anderem auch für die Personal- und Ressourcenplanung - eine strategische Partnerschaft mit dem auf hochautomatisierte KI- und Analyselösungen spezialisierten IT-Unternehmen AIM eingegangen. "Perspektivisch werden datengetriebene Erkenntnisse und Prognosen typisch für das Lagerverwaltungssystem TUP.WMS werden", kündigte AIM-Geschäftsführer Arvin Arora auf der diesjährigen LogiMAT an. Die smarte Erstellung von Schichtplänen ist das eine - die Kommunikation mit den Mitarbeitenden das andere. "Ein ausgedruckter Dienstplan ist unter Umständen in dem Moment schon wieder veraltet, in dem er vor Ort aufgehängt wird", so Moritz Adlhoch, Head of Inhouse Consulting bei GLS Germany. Der Paketdienstleister hat sich in Sachen Personaleinsatz-Planung ebenfalls für die Digitalisierung entschieden und nutzt seit letztem Jahr eine Workforce-Management-Lösung von Quinyx. Im Einsatz ist unter anderem eine Dienstplan-App, um Schichten schneller und transparenter an die Mitarbeitenden zu kommunizieren. Laut der von Quinyx in Auftrag gegebenen Studie "The State of Frontline Workforce 2023" müssen 35 Prozent der Befragten immer noch auf einen ausgedruckten Dienstplan zugreifen. Für die Studie wurden im März dieses Jahres 2000 sogenannte Frontline-Mitarbeitende in Deutschland befragt, also Beschäftigte, die im Dienstleistungssektor wie Einzelhandel, Logistik und Gastgewerbe arbeiten. Ebenso kommuniziere der Großteil über private Chats wie WhatsApp, in der Logistik liege der Wert sogar bei 50 Prozent. Dieser Einsatz sogenannter Schatten-IT sei schwierig, da unzuverlässig: 72 Prozent der Frontline-Mitarbeitenden berichten in der Studie, dass sie schon einmal eine Schicht verpasst haben, wobei 18 Prozent als Grund dafür eine fehlerhafte Kommunikation angeben. Der Einsatz einer App könne daher die Kommunikationswege vereinfachen sowie Auswertungen zulassen, die mit Schatten-IT nicht ohne Weiteres möglich seien, führt denn auch Adlhoch von GLS in dem Studienbericht als Argument pro Workforce-Management-App an. Individuelle Wünsche berücksichtigen Auch Fressnapf hat eine Mitarbeiter-App eingeführt, um die Belegschaft stärker in die Planung miteinzubeziehen und eine schnelle Aufgabenverteilung zu ermöglichen. Die App wird mit Informationen aus der WFM-Lösung von EPG gespeist und enthält beispielsweise Dienstzeiten und Schichtpläne der Abteilungen. Alle WFM-Lösungen haben ein Ziel gemein: der Lagerleitung zu ermöglichen, jederzeit die passend qualifizierten Mitarbeitenden zur richtigen Zeit am richtigen Ort einzusetzen. Und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, mit ihren individuellen Wünschen zur Schichtplanung gehört zu werden. Ansonsten leidet erst eine Seite, nämlich die Mitarbeitenden - und irgendwann mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das Unternehmen: nämlich dann, wenn unzufriedenes Personal nicht gehalten werden kann. „Die Qualität der verfügbaren Daten bestimmt die Ergebnisse“: Mathias Thomas ist Geschäftsführer des WMS-Anbieters TUP Welche Parameter sind für die vorausschauende Personalplanung relevant und welche können KI-getriebene Lösungen schon heute zuverlässig prognostizieren? Relevante Informationsbereiche sind Geschäftsprognosen, externe Einflussfaktoren wie beispielsweise wirtschaftliche Bedingungen, demografische Trends oder Arbeitsmarktdaten, und nicht zuletzt mitarbeiterspezifische Informationen wie Leistung, Entwicklung oder auch individuelle Präferenzen. Bezogen auf die Thematik Personalbedarf und -planung können KI-getriebene Lösungen verschiedene zuverlässige Prognosen liefern. Von ZeitreihenAnalysen, die saisonale Schwankungen oder regelmäßige Muster in der Personal-Nachfrage aufzeigen, über Skill-Analysen, die über Mitarbeiter-Fähigkeiten und -kompetenzen zukünftige Anforderungen an die Personal-Entwicklung ableiten, bis hin zu Fluktuations-Erkennung, mit der Muster und Faktoren identifiziert, Kündigungen und Risiken vorgebeugt und gezielte Maßnahmen zur Mitarbeiter-Bindung eingeleitet werden können. Welche Grundvoraussetzungen braucht ein Logistiker, um eine solche Lösung einzuführen? KI kann infinit viele Daten verarbeiten. Die Qualität der verfügbaren Daten aber bestimmt dabei maßgeblich die Ergebnisse eines KI-Systems. Je genauer und umfangreicher die Datenstruktur, desto hochwertiger werden die Prognosen. Die Aufbereitung von Informationen als fachspezifische Smart Data ist der Schlüssel. Wo sind arbeits- und datenschutzrechtliche Grenzen, um in Deutschland solche KI-Methoden, die ja vermutlich auch auf den Leistungsdaten der Mitarbeitenden basieren, rechtssicher zu betreiben? Konformität zu arbeits- und datenschutzrechtlichen Grenzen muss selbstverständlich stets gegeben sein - zumal das Erheben von Daten im Lager mit dem Einsatz von KI-Technologie nicht unmittelbar verknüpft ist. Es geht keinesfalls um die Überwachung von Mitarbeitern, sondern um den zielgerichteten, optimalen Einsatz der vorhandenen Ressourcen. Der Ansatz folgt der Philosophie, dass der Unternehmenserfolg einerseits sowie der überlastungsfreie und langfristige Einsatz der Mitarbeiter andererseits auch im komplexen Lagerumfeld stets miteinander in Einklang stehen sollen.

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