Ladeinfrastruktur: Der Weg zur eigenen Ladesäule

So langsam tut sich etwas in Sachen Elektromobilität bei Lkw, immer mehr Hersteller bringen auch schwerere Nutzfahrzeuge mit Batterieelektrik auf den Markt. Eine öffentliche Ladeinfrastruktur muss derweil erst noch geschaffen werden. Die drei Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck, Traton Group und Volvo Group haben sich zwar zu einem Joint Venture für den Aufbau einer europäischen Ladeinfrastruktur für E-Lkw im Fernverkehr zusammengeschlossen. Bis die mindestens 1700 angekündigten Hochleistungs-Ladepunkte an und in der Nähe von Autobahnen sowie an Logistik-Hubs stehen, wird aber wohl noch einige Zeit ins Land gehen. Ähnliches lässt der Masterplan Ladeinfrastruktur II erahnen, den das Bundesverkehrsministerium im Juli vorgestellt hat und der auch den Ladeinfrastrukturausbau für batterieelektrische Lkw beinhaltet (siehe Kasten). Momentan müssen sich Elektropioniere also vor allem mit der Schaffung von Lademöglichkeiten auf dem eigenen Betriebshof beziehungsweise an der Logistikimmobilie beschäftigen, wenn ihre neuen Stromer über die Straßen rollen sollen. Der Staat fördert mit seinem KsNI-Programm denn auch diejenigen, die zum Zug kommen, nicht nur mit Zuschüssen zur Fahrzeuganschaffung, sondern auch zur Ladeinfrastruktur (siehe VR 13/2022). Noch dominieren Pkw-Ladepunkte Auch für Logistikimmobilienentwickler rückt das Thema Elektromobilität verstärkt aufs Tableau. "Im Außenbereich etablieren sich Ladesäulen für Pkw, insbesondere bei modernen Logistikimmobilien, immer mehr", weiß Michael Starre, der als Chief Sales Officer das Vermietungsgeschäft der Logivest-Gruppe in Deutschland verantwortet. Gerade KEP-Dienstleister elektrifizieren demnach immer häufiger ihre Fahrzeugflotte und laden die Transporter über Ladepunkte direkt am Standort. "Bei 100 Prozent unserer Neubauprojekte setzen wir inzwischen auf eigene Initiative E-Ladeinfrastruktur als Pflichtkriterium in den Spezifikationen ein", bestätigt Sönke Kewitz, Geschäftsführer des Entwicklers P3 Logistic Parks Deutschland, den Trend zur E-Mobilität. Noch handele es sich dabei aber hauptsächlich um Ladesäulen für Pkw auf den Parkplätzen, räumt er ein. Die Realisierung der Ladeinfrastruktur für Lkw ist laut Logivest-CSO Starre denn auch nicht so einfach. Hier müsse man sich fragen, ob und in welchem Umfang E-Ladestationen am jeweiligen Standort Sinn machten und wie diese überhaupt technisch umsetzbar seien. Energiebedarf klären Logistikern beim Aufbau und Betrieb einer individuellen Ladeinfrastruktur zu helfen, gehört derweil zum Geschäft von The Mobility House mit Standorten in München, Zürich sowie den USA. Das 2009 gegründete Technologieunternehmen arbeitet als neutraler Anbieter mit Partnern wie Ladeinfrastrukturherstellern, Installationsbetrieben und Energieversorgern zusammen und optimiert mit seinem Lade- und Energiemanagementsystem ChargePilot die Ladevorgänge. Auch für Logistikunternehmen wurden schon größere Projekte umgesetzt, etwa mit der österreichischen Post. Logistikern, die ganz am Anfang ihrer Planung stehen, rät Christian Müller, General Manager Schweiz von The Mobility House: "Zuallererst ist zu klären, welchen Verbrauch die Fahrzeuge aufweisen, wie lange sie fahren, wann sie fahren und vor allem, wie lange sie stehen. Je mehr Energie ich brauche und je kürzer die Ladezeiten sind, desto mehr Ladeleistung brauche ich", bringt der Experte die Faustformel auf den Punkt. Im Gegensatz zur Wallbox für das einfache Wechselstromladen (AC) bis 22 kW sei beim Gleichstromladen (DC) zum heutigen Zeitpunkt eine Spitzenleistung von 350 kW und mehr möglich. "Aktuell setzen viele Logistiker mit E-Lkw auf DC-Schnellladeinfrastruktur, weil sie damit die Standzeiten der Fahrzeuge möglichst gering halten können", erläutert Müller. Lastspitzen vermeiden Wenn Fahrzeuge - wie vor allem im KEP-Bereich - über einen längeren Zeitraum, etwa nachts, laden, müsse dagegen nicht jedes mit voller Leistung geladen werden, ergänzt Sebastian Karrer, Leiter Key Account Management bei The Mobility House. "Genau das macht ein intelligentes Lade- und Energiemanagementsystem wie ChargePilot, das Parameter wie Ladestand, Standzeit und Priorisierung für jedes einzelne Fahrzeug berücksichtigt und die Ladevorgänge so steuert, dass Lastspitzen vermieden werden." Geht es um das schnelle Laden von E-Lkw, ist ein ganz zentraler Punkt der Montageort. Wo sich dieser befindet, entscheide hauptsächlich der betriebliche Ablauf, so Müller: "Es gibt Fahrzeuge, die nur während der Be- und Entladung an den Rampen zwischenladen können, es gibt Fahrzeuge, die auch länger an den Rampen stehen können". Scheide das Laden an der Rampe aus, müssten Stellplätze gefunden werden, wo Schnellladesäulen oder - je nach Energiebedarf - auch Wallboxen installiert werden. Als weitere Lösung führt Müller das Praxisbeispiel eines Logistikers an, der mehrmals in der Woche die gleiche Route bedient: Er hat in seinem Depot zwar einen DC-Schnelllader, muss aber unterwegs nachladen können. Gemeinsam mit Partnern installiert er sich daher gerade einen privaten Ladepunkt auf der Strecke. Laden an der Rampe schwer realisierbar Für Logivest-Experte Starre wirft die Frage nach dem Montageort noch viele Fragezeichen auf. "Viele denken, dass der Lkw einfach während des Be- und Entladens an der Rampe geladen werden kann. Doch hier sind die Zeiten eng getaktet", gibt er zu bedenken. Gerade im Onlinehandel habe der Verlader oft weniger als eine Stunde für den gesamten Prozess. In dieser kurzen Zeit könne - zumindest aktuell - kein Lkw geladen werden. "Das bedeutet, es müssen Ladesäulen in der Vorstauzone geschaffen werden, was wiederum Auswirkungen auf den gesamten Logistikprozess und die Lieferkette hat", so Starre. Um einen Lkw zu laden, benötige man derzeit circa zwei Stunden und mehr. In dieser Zeit müsse der Lkw auf dem Gelände abgestellt werden. E-Mobilität erhöhe also den Flächenbedarf um ein Vielfaches. "Aufgrund der dichten Besiedelung der Gewerbe- und Industriegebiete, aber auch durch die optimale Ausnutzung der Grundstücke, ist dieser zusätzliche Platzbedarf im Bestandsbereich oft nur schwer oder gar nicht realisierbar", konstatiert Starre. "Ziel muss es sein, die Fahrzeuge entweder innerhalb der gesetzlichen Pausenzeiten von 45 Minuten zwischen zwei Fahreinsätzen ausreichend zu laden oder während des Be- und Entladens an den Toren ans Netz zu schließen", meint Kewitz. Dafür sei der Aufbau eines Hochleistungs-Ladesystems nötig. "Bei aller Euphorie für die Elektromobilität müssen Logistikunternehmen die Effizienz ihrer Abläufe und den schnellen Güterumschlag im Blick behalten", meint auch der P3-Geschäftsführer. Sowohl Kewitz als auch Starre weisen darüber hinaus auf den Umstand hin, dass nicht jedes Netz für das gleichzeitige schnelle Laden von mehreren Lkw geeignet sei. Dass der Netzanschluss gerade bei Bestandsimmobilien oft nicht aufs Hochleistungsladen ausgelegt ist, weiß auch Müller von The Mobility House. "So mancher Logistiker mit einem hohen Leistungsbedarf wird um eine Erweiterung des Netzanschlusses daher kaum herumkommen", räumt er ein. Ein übergeordnetes Lade- und Energiemanagementsystem mit dynamischer Lastmanagement-Funktion ist für Müller dennoch von zentraler Bedeutung, um den Ladeprozess zu steuern, teure Lastspitzen zu minimieren und den Netzausbau nicht unnötig hoch ausfallen zu lassen. Auch Verlader sind gefragt "Der Druck auf Logistiker, künftig CO2-neutral unterwegs zu sein, wird unwiderruflich steigen", betont derweil Müllers deutscher Kollege Karrer. Hier könnten aber auch die Verlader ihren Beitrag leisten: "Wer von seinen Transporteuren erwartet, mehr alternative Antriebe zu nutzen, sollte an seinem Standort auch das Laden ermöglichen." In Kürze Eine öffentliche Ladeinfrastruktur für schwere Elektro-Lkw muss erst noch geschaffen werden - wer schon jetzt auf Stromer setzt, muss also auf dem eigenen Betriebshof Lademöglichkeiten schaffen. Vor allem bei so mancher Bestandslogistikimmobilie dürfte sich das aber alles andere als einfach gestalten. Masterplan für E-Lkw-Ladenetz Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat im Juli 2022 seinen neuen "Masterplan Ladeinfrastruktur II" vorgestellt, in dem auch Elektro-Lkw eine zentrale Rolle spielen. Dies sind die anvisierten Meilensteine (Auswahl):Ende 2022: BMDV ermittelt den langfristigen und standortspezifischen Bedarf bis mindestens 2035 für den Aufbau von Ladeinfrastruktur und Strombedarf Ende 2022: BMDV etabliert kontinuierliches Monitoring und Prüfung der Standardisierung Ende 2022: BMDV und Autobahn GmbH erstellen Konzept für den Aufbau eines initialen Ladenetzes für Lkw entlang des Fernverkehrsnetzes Q1/2023: BMDV und BMWK entwickeln Finanzierungs- und Fördermaßnahmen für die Ladeinfrastruktur auf Betriebsgeländen, an Umschlagpunkten, in Gewerbegebieten und an Lade-Hubs Q2/2023: Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur (NLL) erarbeitet eine "User Journey E-Lkw" Q2/2023: BMDV und NLL erstellen gemeinsam mit Autobahn GmbH und Stakeholdern Muster-Layouts über die Anordnung der Ladepunkte Stellplätze und Trafos an den Standorten Q4/2023: Erste Ausschreibung zur Errichtung des initialen Ladenetzes durch BMDV und Autobahn GmbH Ende 2023: Akteure wie OEM, CPO und Logistikbetreiber einigen sich auf ein einheitliches Bezahlsystem Ende 2023: OEMs entwickeln gemeinsam mit den Normungsinstanzen einheitliche Standards für alle wesentlichen Schritte entlang des Ladeprozesse mh VR plus Online Checkliste Ob Ladeleistung oder Ladekonzept, Auswahl des Montageorts oder Netzanschlussleistung – von der Vorbereitung bis zur Installation der eigenen Ladeinfrastruktur sind viele Fragen zu klären. Aunf unserem Premium-Portal VR plus finden Sie dazu eine Checkliste. mh www.verkehrsrundschau.de/plus/checkliste-laden

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