Wiesbaden. Die deutsche Industrie hat im Juli dank großer Bestellungen aus dem Ausland neue Aufträge auf Rekordniveau erhalten. Gegenüber Juni erhöhten sich die Bestellungen um 3,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte. Analysten hatten hingegen mit einem Rückgang um im Schnitt 0,7 Prozent gerechnet. Nach Angaben der Statistiker ist der Auftragseingang damit auf den höchsten Stand seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1991 gestiegen.
Ökonomen verweisen allerdings darauf, dass es schwierig werden könnte, angesichts der Lieferengpässe den Auftragsschub auch fristgerecht abzuarbeiten und letztlich in höhere Produktionszahlen umzusetzen. „Man könnte sagen: Alle Welt braucht deutsche Waren, aber Deutschland kann nicht liefern“, erklärte Jens-Oliver Niklasch, Ökonom von der Landesbank Baden-Württemberg. Hintergrund ist die Kombination aus starker Nachfrage wegen der konjunkturellen Erholung vom Corona-Einbruch und anhaltenden Lieferschwierigkeiten im Welthandel, die zu erheblichem Materialmangel führen.
Viele Aufträge aus dem Schiffsbau
Der deutliche Orderzuwachs im Juli kam vor allem durch Großaufträge zustande. Ohne diese Komponente gingen die Bestellungen im Monatsvergleich um 0,2 Prozent zurück. Besonders stark stiegen mit 15,7 Prozent die Aufträge von außerhalb der Eurozone und dort im Bereich Schiffsbau. Aus dem Inland und der Eurozone kamen dagegen weniger Aufträge als einen Monat zuvor. Die Bestellungen von Investitions- und Konsumgütern legten insgesamt deutlich zu, Vorleistungsgüter wurden etwas weniger bestellt.
Trotz der auf den ersten Blick robusten Zahlen kommentierten Volkswirte die Entwicklung eher vorsichtig. Commerzbank-Experte Ralph Solveen sprach sogar von einem „abflauenden Auftragsboom“. Sein Argument: Ohne die Bestellungen von sonstigen Fahrzeugen wie Flugzeugen oder Schiffen wären die Aufträge im Juli klar zurückgegangen. Selbst von außerhalb der Eurozone komme die Bewegung zum Stillstand, was zu einem beträchtlichen Teil an der weniger dynamischen Nachfrage aus China liegen dürfte.
Für die weitere Entwicklung der Industrieproduktion und des Wirtschaftswachstums dürfte nach Auffassung von Solveen der Auftragseingang eher von zweitrangiger Bedeutung sein. „Wichtiger wird sein, ob die Lieferengpässe bei Vorprodukten überwunden werden oder ob sie sich weiter verschärfen werden.“ Gründe für diese Engpässe gibt es zurzeit viele, die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind jedoch ein wichtiger Bremsklotz. (dpa/sn)