VR-Fahrbericht Ford Transit: Solider E-Start

Man hat sich im Hause Ford Zeit gelassen, bis man den ersten vollelektrisch angetriebenen Transporter präsentiert hat. Im Frühjahr lud der Hersteller schließlich ein, den E-Transit kennenzulernen. Damals machte der Transporter einen guten Ersteindruck. Nun ging es aber ans Eingemachte - der Neuankömmling musste sich im Test der VerkehrsRundschau beweisen. Etliche hundert Kilometer spulten wir in den vergangenen Wochen mit dem E-Transit ab. Er bekam diverse Fahraufgaben gestellt - von Autobahnen bis hin zu Waldwegen war alles mit dabei. Ein Antrieb für alle Fälle Zunächst die nackten Fakten: Ford bietet seinen Kunden die Batterie und den Antrieb betreffend wenig Möglichkeiten für Konfigurationswünsche. Der E-Transit kommt immer mit einem Akku mit 68 Kilowattstunden Nettokapazität daher. Zudem stehen zwei Motorleistungen (135/198 Kilowatt) zur Wahl. Der Onboard-Lader schafft im AC-Modus die gewohnten 11,3 Kilowatt Leistung, wird via CCS-Stecker und Gleichstrom geladen, sind maximal 115 Kilowatt möglich. Etwas mehr Auswahl gibt es bei den Kabinenvarianten: Der E-Transit kann als Kastenwagen, Doppelkabine oder Fahrgestell konfiguriert werden. Die bei der Verkehrs-Rundschau getestete Kastenwagen-Version (L2H2) ist in zwei Höhen und drei Längen bestellbar. Ein Blick in den Laderaum: Das Volumen beträgt in der größten Version 15,1 Kubikmeter; die größte Nutzlast von 1685 Kilogramm wird in der L3H2-Konfiguration erreicht. Alles, was es braucht Schon bei dem ersten kurzen Test im Frühjahr hatte sich gezeigt, dass das Fahrverhalten des E-Transit wenig Raum für Kritik lässt. Bedenkt man, dass man in einem Transporter sitzt, darf man gerne auf den Begriff "komfortabel" zurückgreifen. Eine Erklärung für die auffällig gute Abstimmung ist, dass Ford an der angetriebenen Hinterachse seines E-Transits auf eine Einzelradaufhängung mit Schraubfedern setzt. Auch das Lenkverhalten weiß dank elektrisch unterstützter Servotechnik zu überzeugen. Mit den drei verschiedenen Fahrmodi (normal, eco, rutschig) hat Mann oder Frau hinter dem Lenkrad gewissen Spielraum, was das Ansprechverhalten des Motors angeht. Einen Unterschied bei der Reichweite zeigt der E-Transit allerdings nicht an, egal in welchem Modus man sich befindet. Apropos: Der Transporter gab uns eine maximale Fahrtstrecke von 249 Kilometern zu Protokoll - ein Wert, den wir nach den Tests als realistisch einstufen können. Maximale Reichweite fordert allerdings auch stets eine vorausschauende Fahrweise. Ford greift an diesem Punkt etwas vor: Mehr als 100 km/h sind in keinem Modus drin, zudem wird mit Tritt auf die Bremse automatisch die Rekuperation, also die Energierückgewinnung, ausgelöst. Wer allerdings maximale Verzögerung wünscht, muss das Bremspedal ein zweites Mal betätigen oder drückt auf den "L"-Knopf am Drehrad für die Gangwahl. Auch beim Verlassen des Gaspedals greift bereits eine leichte Rekuperation; es gibt in der Summe also drei Stufen. Test im Überlandverkehr Entscheidend ist aber natürlich, was der E-Transit auf der Straße verbraucht. Unsere 50 Kilometer lange Testrunde führt zum Teil durch Ortschaften, einen Großteil machen aber Überlandanteile auf Landstraßen mit Geschwindigkeiten zwischen 60 und 100 Kilometern pro Stunde aus. Am Ende der Runde ermittelten wir mit 800 Kilogramm Beladung einen Verbrauch von 26,52 Kilowatt auf 100 Kilometer. Für Überlandverhältnisse ist das ein guter Wert, wobei der E-Transit erst im Stadtverkehr seine ganzen Stärken ausspielen kann: Hier zeigte uns der Bordcomputer zwischenzeitlich Werte von unter 20 kW an. Anschließend haben wir den E-Transporter für eine zweite Ausfahrt auf die Testrunde gebeten. Denn zuvor musste die Klimaanlage für ein möglichst neutrales Bild ausgeschaltet bleiben. Nun ging es bei anfänglich gemessenen 28 Grad in der Kabine mit Klima auf nahezu Vollleistung auf die Straße. Das Ergebnis erstaunt: Der Verbrauch stieg um gerade einmal 0,46 Kilowatt auf 100 Kilometer. Das ist, in einem Wort gesagt, vernachlässigbar. Ein Zusatz noch zur Klimaanlage: Diese stellt interessanterweise das mit Abstand lauteste Gerät an Bord des E-Transits dar. Zu Beginn der Fahrt spürt und hört man ein ordentliches Brummen unter dem Fahrersitz, welches mit sinkender Temperatur in der Kabine ebenfalls immer leiser wird. Der Ford E-Transit macht auch nach einem längeren Hands-on einen wirklich guten Eindruck. Der Fahrkomfort ist gegeben, die Leistung mehr als ausreichend und der Onboard-Lader brachte übrigens die Ladeleistung, die Ford ihm bescheinigte - auch das ist leider keine Selbstverständlichkeit. Zudem überzeugt das Bedienkonzept; die Menüführung ist plausibel und man findet sich schnell zurecht. Meckern auf hohem Niveau Wenn man etwas kritisieren möchte, dann sind es allemal Kleinigkeiten: Eine Auto-Hold-Funktion wäre insbesondere im Stadtverkehr wünschenswert. Auf was man sich nicht verlassen kann, ist die Ladezeit-Prognose, die der E-Transit auf seinem Bildschirm anzeigt. Abgesehen davon, dass sich die Zeit gefühlt jede Minute ändert, stimmte die Voraussage quasi nie mit dem tatsächlichen Ende des Ladevorgangs überein. Und: Ein paar Kilometer mehr Reichweite wären schon noch ganz nett. Im Stadtverkehr fällt das dank des niedrigen Verbrauches und der kurzen Strecken natürlich nicht so stark ins Gewicht. Doch sobald es mehrere Kilometer über die Autobahn oder Landstraße geht, kann man der Tanknadel beim Sinken zusehen. Diese Kritik ist mehr als Entwicklungspotenzial zu verstehen. Denn sieht man sich in der Landschaft der E-Transporter so um, erreicht kaum ein Marktbegleiter die Reichweiten des E-Transits. Und Ford holt bereits zu einem weiteren Streich aus: Auf der IAA wird das nächste Elektro-Modell des Herstellers präsentiert. Der E-Transit Custom erweitert das Portfolio im Bereich der Ein-Tonnen-Nutzlast-Vans. Technisch gesehen baut er auf der Plattform des großen Geschwisterchens auf, wobei Ford angibt, dass fast alle Komponenten nochmals in die Hand genommen und verfeinert wurden. Bessere Batterie? Eine Änderung ist auf jeden Fall der Akku des neuen Transit: Dieser wird aus Pouch-Zellen - also handyakkuähnlichen Batterien - bestehen und soll insgesamt 74 Kilowattstunden nutzbarer Energie speichern können. In Reichweite umgerechnet: Bis zu 380 Kilometer traut Ford seinem E-Transit Custom auf einer Strecke zu. Möglich macht es unter anderem ein neues aerodynamisches Konzept, das zehn Prozent Stromersparnis nur durch den geringeren Luftwiderstand garantieren soll. Zudem versucht Ford eine generelle Trendwende herbeizuführen. Das Fahrzeug soll den Nutzern künftig auch als Büroplatz dienen. Dafür hat man sich einige interessante Kniffe überlegt: Nicht weit hergeholt ist die 5G-Anbindung, die der Transit Custom künftig haben wird. Bemerkenswerter ist dafür das Lenkrad des Transporters, welches sich den Namenszusatz "Multifunktions-" wirklich verdient. Denn mit einem Handgriff verwandelt sich das Volant wahlweise in eine Laptophalterung oder in einen kleinen, aber zumindest auf den ersten Blick brauchbaren Esstisch. Wie das Konzept konkret funktioniert, erfahren Sie auf der IAA Transportation. Hier wird Ford seine beiden Elektrotransporter ausstellen und zudem das Servicenetzwerk "Pro" präsentieren. Mehr zum Thema finden Sie unter #ElektroTransporter www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Es ist eine knifflige Situation für die Hersteller: Mit Elektro-Transportern muss man sich das Vertrauen der Kunden neu verdienen - denn die Stromer kann man nicht mit den Dieselfahrzeugen vergleichen. Ford muss sich mit seinem E-Transit wohl keine Sorgen machen, denn im Test der VR macht der Transporter das, was er soll: einen ordentlichen und unaufgeregten Job. 1,7 Kilometer kostet theoretisch die Nutzung der Klimaanlage im Ford E-Transit auf 100 Kilometer. Daten Testauto Antrieb und Batterie Motor: 135 kW (184 PS) Elektromotor 1-Gang-Getriebe Batterie: 68 kWh Reichweite: 249 km (laut Bordanzeige) Laden: max. 11 kW (AC), max. 115 kW (DC) Maße und Gewichte Version: L2H2 Länge: 5531 mm Radstand: 3330 mm Höhe: 2534 mm Leergewicht inkl. Fahrer: 2580 kg (gewogen) max. Zuladung: 920 kg

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