Volvo FH gegen Mercedes Actros

Volvo FH gegen Mercedes Actros Kampfansage aus dem hohen NordenMit dem neuen Volvo FH tritt die erste echte Neuerscheinung gegen den Mercedes Actros an. Ob sich der Stern gegen den Wettbewerber aus Schweden behaupten kann, überprüfte die VerkehrsRundschau im exklusiven Vergleich.Man braucht nicht lange zu suchen, um dem Volvo die ersten Pluspunkte ins Testprotokoll zu schreiben: Obwohl der Schwede kein Leichtgewicht ist, bietet er mehr Nutzlast als der noch schwerer geratene Actros. Während das Tankvolumen der Mercedes-Zugmaschine limitiert ist, versteckt Volvo den Adblue-Tank optional unter der Kabine und realisiert so bis zu 1500 Liter Tankvolumen. Wie Daimler hat jetzt auch der New FH vier Außenstaufächer. Diese gute Idee wurde in Göteborg allerdings weiterentwickelt. Ins voluminöse obere Fach passen auch Besen mit langem Stiel. Ins kleinere, untere lässt sich ein Wassertank einpassen. Zudem erfreut Volvo mit einem breiten, zweistufigen Frontaufstieg. Volvo entwickelte viele Ideen weiter Volvo blieb dem eingezogenen Mittelteil der Ablagen über der Frontscheibe treu. Das sorgt für Bewegungsfreiheit. Weil die Fächer über der Scheibe des FH über die volle Höhe gehen und zudem über Platz sparende Jalousien verfügen, lassen sie sich, trotz eines geringeren Stauvolumens als im Actros, besser nutzen. Details wie der integrierte Rasierspiegel, finden sich jetzt auch im LKW aus Göteborg. Eine tolle Lösung ist die neue, zweistufige Lenkradverstellung im FH. Von waagerecht bis senkrecht ist alles möglich. In Kombination mit der Fußpedal-Entriegelung setzt der Schwede Maßstäbe. Da hat der Actros mit kleinerem Verstellbereich und dem schwer „ertastbaren“ Fußknopf wenig entgegenzusetzen. Volvo spendiert gegenüber dem Vorgänger 40 Millimeter mehr Sitzverstellung. Trotzdem bietet der Actros hier mehr, wobei die tiefere Kabine auch mehr Bettbreite unten bringt. Das obere, sehr großzügige Bett ist beim Actros vorne in der Höhe einstellbar. Beim Volvo kann der Fahrer die obere Schlafstatt vorne und hinten justieren – optional sogar elektrisch. Im Test-LKW war allerdings der tiefere der beiden optionalen Schränke montiert und das obere Bett deshalb entfallen. Beim Armaturenbrett favorisiert Volvo eine glatte Struktur ohne Ablagen. Da gefällt die Mercedes-Lösung besser: Mehr Ablagen, Becherhalter und ein Klapptisch beifahrerseitig. Wobei sich auch beim FH hinter den vielen Klappen und Deckeln Becherhalter verstecken und sich Schubladen für Krimskrams sowie ein großer Aschenbecher auftun. Trotz kleinem Motortunnel im Volvo reicht die Stehhöhe schon im Globetrotter. Mit optionalem Schrank wird es trotzdem eng fürs zweite Bett. Da punktet der Actros mit ebenem Boden, auch wenn der Einstieg beschwerlicher wird. Zwei Betten sind hier kein Problem. Dafür bietet der Volvo mit rund 1000 Liter Stauraum mehr Platz fürs Gepäck. Die Standklimaanlage haben die Schweden aus Platzgründen unter die Kabine verlegt, im Actros kostet sie Platz an der Rückwand. Die Anlagen sind in beiden Fällen in die Klimasteuerung integriert. Wichtige Infos aus dem Bordcomputer finden sich in der Zentralanzeige, darunter auch Daten zu Tages- und Wochenlenkzeiten sowie Ruhepausen. Sekundäre Informationen, etwa für die Routenplanung oder Rückfahrkameras, sind jeweils in einem zweiten Bildschirm rechts neben dem Fahrer positioniert. Eine individuelle Konfiguration des Hauptdisplays ist bei beiden Fahrzeugen möglich. Die Konnektivität für Mobiltelefone sowie Anschlüsse für I-Pod und MP3 gehören heute dazu. Nur findet sich im Volvo kein Platz, die Geräte zu deponieren. Trotz 16 Tasten im Multifunktionslenkrad lassen sich die dort hinterlegten Funktionen gut aktivieren. Diese Eindeutigkeit und Einfachheit kann aber auch der Actros für sich in Anspruch nehmen. Der Mercedes lässt sich gut fahren, viel besser als der Vorgänger. Trotzdem setzt der Volvo den Maßstab. Mit neu abgestimmter Faustachse vorn zeigte sich der FH bei den Fahrtests in Schweden exzellent abgestimmt und sehr komfortabel. Dank direkter Lenkung vermittelt er eine innige Verbundenheit zur Straße. Noch besser wird’s, wenn – wie im Test-LKW – die Einzelradaufhängung IRS installiert ist. Bei Teilbeladung und schlechter Wegstrecke spielt IRS ihre Trümpfe aus. Wobei selbst die Volvo-Ingenieure zugeben, dass die neue Hinterachsaufhängung erheblichen Anteil am glänzend abgestimmten Fahrwerk hat. Neue Stabilisatoren sorgen für besseres Ansprechverhalten. Die Anlenkung der Achse liegt direkt unterm Drehpunkt der Sattelplatte, weshalb Stöße kaum Einfluss auf den Rahmen haben. Der FH liegt „wie ein Brett“ und läuft „wie auf Schienen“. In beiden LKW kommen knapp 13 Liter große Reihensechszylinder zum Einsatz. Der Schwede bietet als 460er 2300 Nm Drehmoment, der Mercedes als 450er 2200 Nm, mit Top-Torque im höchsten Gang zusätzliche 200 Nm. Faktisch erspart sich der Mercedes an einigen Steigungen Rückschaltungen und fährt flott und sparsam über die Berge. Das Daimler-Triebwerk legt ab 800 Touren los, der Volvo-Motor braucht 100 bis 150 Umdrehungen mehr, um Vortrieb zu liefern. Dafür ist der Schwede leiser. Unterm Strich geht die Motorwertung an den Actros, auch wegen der besser dosierbaren und stärkeren (544 zu 510 PS) Motorbremse. Wenn es ums Getriebe geht, geht Volvo wieder in Führung: Jetzt schaltet I-Shift schneller und sanfter. Auch die Kupplungssteuerung haben die Schweden besser im Griff. Powershift ist gut – aber I-Shift ist besser. Die Schwaben haben Powershift dafür eine Kriechfunktion spendiert. Sobald der Fahrer von der Bremse geht, beginnt der Zug mit voreingestellter Geschwindigkeit zu rollen. Der Volvo setzt sich nicht „von alleine“ in Bewegung. Wenn der Fahrer konstant langsam fährt und vom Gas geht, hält der FH trotzdem das Tempo. Der Philosophie, statt Retarder auf eine starke Motorbremse zu setzen, bleibt Volvo treu. Die Integration der Dauerbremse ins Motor-/Bremsmanagement ist im Mercedes trotzdem besser. Setzt der Fahrer den (Brems-)Tempomat auf 85+5 km/h, schaltet der Volvo im Gefälle bei 90 km/h in den elften Gang. Zu wenig für eine ordentliche Bremswirkung! Powershift im Actros schaltet in gleicher Situation gleich in den Zehnten und der Zug hält trotz 40 Tonnen das eingestellte Tempo. Bessere Elektronik im Benz ESP greift beim Mercedes später und situationsangepasster ein. Abstandstempomat und Spurbindung regeln enorm fein. Über Notbremsassistenten verfügen beide Fahrzeuge. Aber: Der Schwede lässt sich optional mit Spurwechselassistent und Abbiegelicht ausrüsten. Das gibt es beim Actros (noch) nicht. GPS-Tempomaten haben ebenfalls beide. Volvo zieht aktuell nach und versorgt das „I-See“ genannte System künftig mit Streckendaten via Zentralserver. Wie gut das ist, konnten wir leider noch nicht testen. Am Ende gehen Actros und FH Stoßstange an Stoßstange durchs Ziel. Das bessere Fahrwerk und Getriebe hat der FH. Beim Motor liegt der Actros vorn. Innen bietet der Actros größere Betten und mehr umbauten Raum. Der Volvo hält mit mehr und besser nutzbaren Staufächern sowie lichtem Ambiente dagegen. Bei Fahrzeugsteuerung und Elektronik schlägt Schwaben Schweden. Wir sind gespannt auf den ersten Profitest. Da wird sich dann zeigen, ob der New FH den Actros schlagen kann. ❙❚■ Gerhard Grünig Der Mercedes Actros macht außen den größeren Schritt, der Volvo FH innen Bei den Arbeitsplätzen für die Fahrer bieten beide LKW ein enorm hohes Niveau Der Mercedes hat den besseren Motor, der Volvo glänzt mit dem besseren Getriebe Fahren und arbeiten – PKW-armaturen GEGEN PKW-Komfort Verständlich ohne Bedienungsanleitung Das Bedienkonzept des Actros zeigt sich gelungen. Kurzes Probieren reicht, um die Belegung der Tasten im Multifunktionslenkrad zu verstehen. Die Menüführung des Bordcomputers mit fünf Unterebenen ist leicht verständlich und umfangreich. Der optionale Schlüssel im I-Pod-Design mit Diagnose-Funktion ist eine nette Spielerei. Die in den rechten Lenkstockhebel verlegte Schaltung ist äußert bedienfreundlich. Sitz- und Lenkradverstellbereich genügen normalen Ansprüchen. Die Lenkradentriegelung via Fußknopf funktioniert gut, ist aber nicht so smart zu handeln wie das „Original“ von Volvo. Die beidseitig positionierten Knöpfe für die Sitzverstellung sind bedienfreundlich. Die Sitzmöbel selbst zeigen sich bequem, mannigfaltig verstellbar und bieten auch auf langen Strecken hohen Komfort. Armaturen und Schalter sind gut ablesbar und ergonomisch. Der neue Maßstab im Fahrwerksbereich In punkto Ergonomie steht der Volvo dem Mercedes nicht nach. Selbst die auf den ersten Blick ausbordende Zahl an Knöpfen und Schaltern im Lenkrad relativiert sich schnell. Der Fahrer blickt schnell durch und kann seinen FH wie ein Pilot per Volant steuern. Der in den Tacho integrierte Drehzahlmesser ist gewöhnungsbedürftig. Die Digitalanzeigen für Tankvolumen, Luftdruck etc. sind schlechter ablesbar als klassische Rundinstrumente. Insgesamt wirkt der Volvo moderner. Klar die Nase vorne hat er beim Fahrwerk. Auch ohne Einzelradaufhängung setzt er neue Maßstäbe. Und mit ihr erobert er neue Sphären, vor allem auf schlechten Straßen oder bei Teilbeladung. Die geteilten Spiegel sind eine gute Idee, verschmutzen aber bei schlechtem Wetter schnell. Da wurde die Windleiteinrichtung der besseren Aerodynamik geopfert. gg rasten und leben – fischer-technik GEGEN stabilo-baukasten Ein gelungener Kompromiss Der Streamspace-Kabine fehlt es etwas an Stauraum, weil der aerodynamische Dacheinzug die Fächer oberhalb der Scheibe verkleinert. Das mittlere Fach könnte höher sein, um großes Gepäck aufzunehmen. Dennoch gehört der Actros auch in dieser Version zu den LKW mit großem „Kofferraum“. Die Beigetöne lassen ihn freundlich wirken. Er ist gut verarbeitet, an manchen Stellen wirkt das Hartplastik aber wenig wertig. Rund um den Fahrerplatz wurden viele sinnvolle Ablagen, Becherhalter und Schubladen konzentriert. Alles wurde gut integriert, darunter der Klapptisch vor dem Beifahrer, zusätzliche Netze in den Staufächern oder Zwischenböden der Außenstaufächer, die zum Innenraum hin abschotten. An den Kühlschrank gelangt der Fahrer auch während der Fahrt. Wegen der stattlichen Außenmaße bietet der Benz viel Bewegungsfreiheit. Nicht teurer, aber er wirkt wertiger Der Volvo wirkt verspielt. Wie im Stabilo-Baukasten muss der Fahrer den „Camping“-Tisch aufbauen. Flaschenhalter hängen am großen, ausziehbaren Kühlschrank. Herausnehmbare Schalen sorgen für zusätzlichen Stauraum. Im Innenraum dominieren verschiedene Grautöne – nicht so behaglich, aber pflegeleicht. Verarbeitung und Materialmix wirken hochwertiger als im Mercedes. Die Kabine bietet mehr Bewegungsfreiheit als beim Vorgänger, wirkt aber subjektiv kleiner als die des Actros. Eine gute Idee: der drehbare Beifahrersitz. Für die nach wie vor am Sitz montierte Schaltkonsole, die trotz Abklappfunktion stört, hätte man eine bessere Lösung finden können. Klasse: das große Glas-Panorama-Dach, das viel Licht einlässt. Zwei Schränke mit platzsparender Jalousie, zusammen mit den großen Außenfächern, bieten Platz. gg schlafen und ruhen – lümmel-ecke GEGEN „hängematte“ Das bessere Hotel ist der New Actros Der Schlafkomfort im New Actros ist exzellent. Große Betten oben und unten, sehr bequeme Matratzen, eine integrierte Klimaanlage/Heizung, die auch nachts für angenehme Temperaturen sorgt – da hat sich Daimler viel Gutes für die Fahrer einfallen lassen. Einzig die Isolation der Kabine könnte für die Nacht eine Idee geräuschdämmender ausfallen und die Ventile der Standheizung geben ab und zu Laut. Mit dem Lichtkonzept lässt sich gut leben. Nachts findet sich der Fahrer gut zurecht. Eine ideale Kombination ist unseres Erachtens das Solostar-Konzept mit „Lümmelecke“ in Kombination mit dem großen Bett oben – was aber so nur im Big- und Gigaspace Sinn macht. Da bietet der Benz mehr Raum als manche Studentenbude! Zu weiche Matratzen – wie gehabt Die gute Idee der Licht-Vorwahltaste mit vorprogrammierten Einstellungen für Nachtfahrt, Nachtleben sowie integriertem Dimmer hat Volvo vom Vorgänger übernommen. Leider auch die Qualität der Matratzen! Auch beim Neuen wird es Klagen geben, dass die Schlafstatt gerade für schwerere Fahrer zu weich und zudem schnell durchgelegen ist. Weil gegenüber dem Vorgänger mehr Sitzverstellbereich realisiert wurde, fehlt unten ein breiteres Bett. Abhilfe schafft da nur eine Globetrotter-XL-Kabine, denn die hat Platz fürs tolle Schranksystem und wartet trotzdem mit breitem oberen Bett auf. Trotzdem nur die zweitbeste Lösung, weil viele Fahrer lieber unten nächtigen. Da sollte Volvo bei Gelegenheit noch mal nachbessern. gg

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