Videochat mit dem Wirtschaftsprüfer

Das Gros der Unternehmen dürfte sich im Dezember mit der Zählung ihres Inventars beschäftigen. Firmen, deren Geschäftsjahr am 31. März endet, kommen aber auch unter erschwerten Bedingungen wie aktuell der Covid-19-Krise nicht an der Inventur vorbei. "Eine Inventur erst am Jahresende ist schon lange kein Thema mehr für unsere Kunden aus dem Onlinehandel oder mit starken saisonalen Geschäften, sondern begleitet uns das ganze Jahr über", sagt etwa Hubert Borghoff, Leiter Logistik und Prokurist von Group7. Durchführung der Inventur alternativlos Der Logistikdienstleister betreut am Standort Kelsterbach bei Frankfurt denn auch einen Kunden, für den die Stichtagsinventur zum 31. März 2020 anstand, der diese aber nicht verschieben konnte und wollte. "Er ist im Bereich Hightech-Kleinteile aktiv und darauf angewiesen, während und vor allem nach der Corona-Krise reibungslos ausliefern zu können", sagt Borghoff. Group7 nahm vor Ort eine physische Erstzählung des kompletten Lagerbestands des Kunden vor, meldete das Ergebnis an den Kunden und den Wirtschaftsprüfer. "Normalerweise würden dann an einem Termin Kunde, Wirtschaftsprüfer und der Inventurleiter im Lager zusammenkommen, bei dem gemeinsam anhand einer bestimmten Anzahl von ausgewählten Stichprobenartikeln das Ergebnis der Erstzählung überprüft wird", erklärt Borghoff. Virtueller Blick über die Schulter Zum Zeitpunkt dieses Vor-Ort-Termins waren Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbot zwar noch nicht offiziell ausgesprochen, alle Beteiligten seien sich aber einig gewesen, kein Risiko eingehen zu wollen. Also habe man sich kurzfristig eine Lösung ausgedacht: Wirtschaftsprüfer, Kunde und Inventurleiter sind per Videokonferenz live dabei. "Sie schauen dem Inventurteam im Lager online über die Schulter, können auf diese Weise mitzählen und damit das Zählergebnis überprüfen", erklärt Borghoff. Zuvor wurde die technische Machbarkeit mit einem Testlauf dokumentiert und vom Wirtschaftsprüfer geprüft und genehmigt. Während die Inventur des Group7-Kunden eine Zählung des kompletten Lagerbestands umfasste, gibt es auch die Möglichkeit, über die sogenannte Stichprobeninventur den Zähl- und Personalaufwand deutlich zu reduzieren. Bei der Stichprobeninventur wird nur ein Bruchteil aller Artikel gezählt. Durchgeführt wird sie Software-unterstützt entweder als Schätz- oder als Testverfahren. Weniger Aufwand dank Stichproben Erhält diese Methode in Corona-Zeiten Zulauf? "Wir verzeichnen aktuell nicht unbedingt quantitativ mehr Nachfrage, es kommen aber vermehrt Unternehmen auf uns zu, für die das Verfahren aufgrund der aktuellen Lage in den Fokus rückt", sagt Christian Günther, Leiter des Geschäftsfelds Stichprobeninventur beim Softwareanbieter Inform. Mitte März habe sein Unternehmen beispielsweise eine kurzfristige Anfrage eines pharmazeutischen Unternehmens erhalten, das für Ende März eine Vollinventur über 80.000 Lagerplätze und einen Zeitraum von drei bis vier Tagen bereits terminiert hatte. Aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen sah man sich aber nicht in der Lage, wie gewohnt 40 Mitarbeiter pro Tag zum Zählen ins Lager abzustellen. "Das Lager wäre außerdem für diesen Zeitraum geschlossen worden, und damit hätten keine Umsätze generiert werden können", betont Günther. Am 4. April habe dieser Neukunde dann erfolgreich seine erste Stichprobeninventur durchgeführt. Der Personaleinsatz lag laut Kundenangaben bei zwölf Mitarbeitern. Da bei der Stichprobeninventur nur eine bestimmte Anzahl von Positionen gezählt wird - in diesem Fall waren es 810 -, habe der zeitliche Aufwand lediglich sechs Stunden betragen. So konnte nicht nur das Ansteckungsrisiko im Vergleich zur klassischen Vollzählung massiv reduziert werden. "Der Kunde hat gegenüber der Vollinventur 90 Prozent der Kosten und 99 Prozent des Zählaufwands gespart", so Günther. Auch dieses Unternehmen hat übrigens den Wirtschaftsprüfer per Videochat an der Inventur teilnehmen lassen. "So konnte er nicht nur eine Reise von mehreren Hundert Kilometern, sondern vor allem das Ansteckungsrisiko beim Vor-Ort-Termin vermeiden", sagt Günther. Er wünscht sich, dass sich der Einsatz neuer Medien auch nach überstandener Krise etabliert. Weiterentwicklung der Drohneninventur Diesem Credo folgt auch Group7. "Die Inventur per Skype ist zwar aus der Krise heraus entstanden, wir werden das Thema aber konsequent weiterverfolgen", sagt Borghoff. Schon jetzt verzeichne man viele Anfragen von Kunden, die ein großes Interesse an diesem Verfahren äußern. "Wir denken aber noch einen Schritt weiter und werden die Inventur per Drohne, die wir an unseren Standorten im Schmalgang einsetzen, mit den Möglichkeiten der Videoübertragung kombinieren", so Borghoff. Bald werde man der Drohne am "Innovationsstandort Kelsterbach" also per Videokonferenz beim Zählen zusehen können. Das Prinzip soll auf alle anderen Standorte ausgerollt werden. Mehr zum Thema finden Sie unter #Corona www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Bei der Inventur sind nicht nur viele Mitarbeiter im Einsatz, sondern das Prozedere muss auch vom Wirtschaftsprüfer überwacht werden. In Zeiten von Reise- und Kontaktbeschränkungen ein schwieriges Unterfangen. Unternehmen und Logistiker nehmen diese Herausforderung mithilfe neuer Medien an.

Videochat mit dem Wirtschaftsprüfer

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