Brüssel. Der Bau zentraler europäischer Verkehrs-Großprojekte verzögert sich nach einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs im Schnitt um mehrere Jahre und wird zugleich deutlich teurer als geplant. Untersucht wurden acht von der EU kofinanzierte Großprojekte, die die Verkehrsnetze von 13 EU-Staaten miteinander verbinden sollen. Sie sind Teil des transeuropäischen Kernnetzes (TEN-V), das grenzüberschreitende Verbindungen innerhalb der EU verbessern soll, wie der Europäische Rechnungshof mitteilte. Die EU beteiligt sich daher an der Finanzierung.
Die Prüfer untersuchten, ob der Bau dieser großen Autobahnen, Schienenwege und Binnenwasserstraßen gut geplant und effizient durchgeführt wurde. Die acht Megaprojekte haben insgesamt einen Wert von 54 Milliarden Euro (davon 7,5 Milliarden Euro von der EU), die die Verkehrsnetze von 13 Mitgliedstaaten miteinander verbinden: die baltischen Länder, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Österreich, Polen und Spanien.
Diese Projekte wurden untersucht
- vier Eisenbahnstrecken (Rail Baltica, Lyon-Turin, Brenner-Basistunnel, Baskisches Dreieck)
- eine Binnenwasserstraße (Seine-Schelde)
- eine Autobahn (A 1 in Rumänien)
- zwei multimodale Verbindungen (feste Fehmarnbelt-Querung Schiene/Straße)
- Eisenbahnverbindung E 59 zu Häfen in Polen
Sie verursachen jeweils Kosten in Höhe von über einer Milliarde Euro, und es wird erwartet, dass sie einen erheblichen sozioökonomischen Nutzen bringen.
Die wichtigsten Langstreckenrouten sollten bis 2030 fertig sein. Aufgrund der Verzögerungen sei dies allerdings nicht mehr möglich, hieß es in dem am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Bericht der EU-Rechnungsprüfer. Die Arbeiten dauerten im Schnitt elf Jahre länger als zunächst geplant. Die Kosten für die Großprojekte seien mit der Zeit um 17 Milliarden Euro - fast 50 Prozent - gestiegen.
Kostenexplosion bei Kanal Seine-Nord Europe
Die größte Steigerung bei den Kosten gab es laut Bericht beim Projekt "Kanal Seine-Nord Europe" (Teil der Seine-Schelde-Verbindung), dessen Kosten sich nahezu verdreifachten. In Rumänien stellten die Prüfer unterdessen fest, dass ein neuer Abschnitt der Autobahn A 1 nicht genutzt wurde und zwei Teilabschnitte falsch verbunden wurden.
Die Prüfer ermittelten zudem Schwachstellen in den Kosten-Nutzen-Analysen dieser milliardenschweren Investitionen: So bestehe die Möglichkeit, dass Verkehrsprognosen zu optimistisch waren und einige Projekte wirtschaftlich nicht tragfähig sind. Dies gelte insbesondere für die Rail Baltica-Strecke und den Schienenabschnitt der festen Fehmarnbelt-Querung mit einer viel zu geringen Fahrgastzahl.
Schlechte Koordinierung zwischen EU-Staaten
Die Verzögerungen könnten laut Rechnungsprüfern weitreichende Folgen haben: So sei die Einhaltung der Planung „für die Verwirklichung der politischen Ziele der EU von entscheidender Bedeutung, indem sie Wachstum und Beschäftigung und die Bekämpfung des Klimawandels fördert“, sagte Oskar Herics vom Europäischen Rechnungshof.
Grund für Bauverzögerungen sei vor allem die schlechte Koordinierung zwischen den Ländern. Grenzüberschreitende Projekte würden in den EU-Staaten verschieden priorisiert und vorangetrieben. Kritik formulierten die Rechnungsprüfer auch an der EU-Kommission. Diese müsse die Bauarbeiten stärker überwachen und die EU-Staaten besser beraten. (dpa/sn)