Vereinheitlichung, Verunsicherung, höhere Kosten: Was die neue Lkw-Maut alles mit sich bringt

Selbst für ausgesprochene Experten sind die neuen europäischen Mautregeln im Güterverkehr schwere Kost. "Das ist nicht so einfach zu verstehen", urteilte Marc Neyrand von der Firma Axxès, die sich auf elektronische Mauterhebung spezialisiert hat, kürzlich bei einem Webinar der internationalen Straßentransport Union (IRU) zum Thema. Das fanden wohl auch 16 der 27 EU-Mitglieder, denn Ende Mai musste die EU-Kommission bei ihnen anmahnen, die Änderungsrichtlinie für die Straßenbenutzungsgebühren unter Einbeziehung des Kohlendioxid-Ausstoßes schwerer Nutzfahrzeuge nunmehr vollständig in nationales Recht umzusetzen. Vertragsverletzungsverfahren drohen. Mehr Unübersichtlichkeit Die mitteleuropäischen Staaten Deutschland, Österreich, Tschechien und Ungarn gehören nicht zu den Säumigen. In diesen Ländern ist mit teils heftigen Mehrkosten zu rechnen. In der Bundesrepublik unterliegen ab dem 1. Juli auch Fahrzeuge mit einer Gesamtmasse über 3,5 Tonnen der Zahlungspflicht. Die Transporte der meisten Handwerksbetriebe sind von der Maut allerdings ausgenommen. Das Vorhaben wird gern als europäische Maut-Harmonisierung bezeichnet; ein näherer Blick auf die Vorschriften offenbart aber, dass sie wegen zahlreicher Sondertatbestände und weiterhin bestehender Unterschiede der nationalen Systeme kaum zu mehr Übersichtlichkeit führen dürften. Auch für die CO2-Abgaben besteht ein erheblicher Gestaltungsspielraum. Das Bundesverkehrsministerium räumt ein: "Derzeit gibt es in Europa unterschiedliche Mautsysteme mit verschiedenen Mauterfassungsgeräten." Es empfiehlt den europäischen "elektronischen Mautdienst" (EEMD/EETS), der die Möglichkeit biete, "mit nur einem Fahrzeuggerät (On-Board-Unit) und einem Vertragspartner (EETS-Anbieter) die Lkw-Maut auch grenzüberschreitend auf mautpflichtigen europäischen Straßen entrichten zu können". Große Herausforderungen kommen auf die Speditions- und Logistikbranche offenbar durch die europaweite Einstufung ihrer Fahrzeugflotten in fünf CO2-Klassen zu. Zwar konnte sie in Deutschland bereits Erfahrungen mit den neuen Anforderungen sammeln, denn hierzulande führte der Gesetzgeber im Dezember 2023 eine nach Kohlendioxid-Ausstoß gestaffelte Lkw-Maut ein. Komplexe Registrierung Einschlägige Dienstleister wie Axxès und DKV Mobility warnten in einer IRU-Umfrage jedoch: Der Registrierungsprozess für die Einstufung werde nun deutlich komplexer und sei keine schnelle Sache. Eine Fülle von Daten sei beizubringen. Die Fahrzeugzulassungspapiere seien EU-weit aber noch nicht standardisiert. Die fünf CO2-Klassen reichen von der fünften und günstigsten (elektrisch und wasserstoffbetrieben) über verschiedene Abstufungen bis zur ersten und teuersten (Diesel zum Beispiel). Für emissionsfreie schwere Nutzfahrzeuge gilt in Deutschland bis Ende des nächsten Jahres eine Befreiung von der CO2-Maut; bis zu einer Gesamtmasse von 4,25 Tonnen sind sie dem Bundesverkehrsministerium zufolge dauerhaft befreit. Das Ministerium weist darauf hin, dass in Deutschland bisher für die Mautberechnung das zulässige Gesamtgewicht galt. Die veränderte Eurovignetten-Richtlinie stelle nun aber auf die technisch zulässige Gesamtmasse ab. Diese könne größer als das zulässige Gesamtgewicht sein. Das Ministerium fügt hinzu: "Die erforderliche Umstellung kann dazu führen, dass Fahrzeuge, die aufgrund einer Ablastung des zulässigen Gesamtgewichts bisher nicht mautpflichtig waren, seit dem 1. Dezember 2023 unter die Mautpflicht fallen." Fehlende Anreize Ende Mai wurden die Branchenverbände BWVL, BGL und DSLV (Bundesverband für Eigenlogistik und Verlader, Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, Bundesverband Spedition und Logistik) im Kanzleramt vorstellig. Sie nannten die CO2-Bepreisung "im Grundsatz richtig", beklagten aber, dass sich der Umstieg auf neue Antriebsarten (elektrische und wasserstoffbetriebene Lkw) aufgrund einer verfehlten Förder- und Abgabenpraxis als "eher planwirtschaftlich angelegter Transformationsprozess" darstelle, der "zu einseitig an den Interessen der Nutzfahrzeughersteller ausgerichtet" sei. Die Verbände legten nach: "Das Leistungsvermögen der Logistikbranche in einem konjunkturell stark belasteten Marktumfeld hat die Bundesregierung bislang ignoriert." Konkret verlangen die Branchenvertreter, dass die Einnahmen aus der CO2-Maut in Programme fließen, die es den Fuhrunternehmen erleichtern, auf schadstoff-freieren Transport umzustellen. Darunter verstehen sie zum einen "eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Förderung für die Anschaffung elektrischer und wasserstoffbetriebener Nutzfahrzeuge" sowie Investitionen in die Ladeinfrastruktur. Bisher verwendet die Bundesregierung die Lkw-Maut eigenen Angaben zufolge nach Kostenabzug etwa für den Betrieb der rund 600 Kontrollsäulen an den Bundesstraßen und der 300 Kontrollbrücken über den Autobahnen und zur Hälfte für die Bundesfernstraßen sowie für den Ausbau der Schienenwege. 2023 lagen die entsprechenden Einnahmen laut Bundesverkehrsministerium bei rund 7,4 Milliarden Euro; im Durchschnitt der nächsten Jahre erwartet es jährlich etwa 8,3 Milliarden. Weitere Informationen Das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) weist unter dem Link https://www.balm.bund.de/DE/Themen/Lkw-Maut/EEMD/eemd_node.html auf die Dienste des europäischen elektronischen Mautdienstes (EEMD oder im Englischen EETS für European Electronic Toll Service) hin. Er habe "zum Ziel, dessen Nutzern den Zugang zum mautpflichtigen europäischen Straßennetz mit nur einem Vertrag und nur einem Bordgerät eines EETS-Anbieters zu ermöglichen. Dieser Mautdienst ergänzt die nationalen elektronischen Mautdienste der Mitgliedstaaten und gewährleistet, dass die in den Mitgliedstaaten bereits vorhandenen und die künftig eingeführten Mautsysteme für EETS-Nutzer gemeinschaftsweit interoperabel sind."

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