Unternehmerumfrage: Wie wird 2023?

Mit welchen Erwartungen starten Sie in das Jahr 2023, welche Themen gehen Sie da an? Diese Fragen stellte die VerkehrsRundschau Branchenunternehmen. Das Ergebnis war erstaunlich zwiegespalten. Einig waren sich die Befragten nur in einem: So unsicher wie aktuell war es noch nie. "Unsicherheit - das ist wohl das Schlagwort des Jahres 2023 für die Unternehmen in Transport, Spedition und Logistik", sagt auch Daniel M. Giel, Geschäftsführer der Unternehmensberatung "Abagonia - die Speditionsexperten" in Köln. Denn nach wie vor gebe es gestörte Lieferketten, Friktionen in der Weltwirtschaft, aber auch erste Anzeichen einer drohenden Rezession in Deutschland - vielleicht gar weltweit. "Bange muss den Unternehmen in der Transport- und Logistikbranche aber nicht sein", macht Giel Mut. Die Auftragsbücher in Industrie und Handel seien vielerorts noch gut gefüllt. Allein durch den Arbeitskräftemangel seien da die pandemiebedingt liegen gebliebenen Aufträge noch immer nicht abgearbeitet. "Das sorgt auch in 2023 für ordentlich Mengen- und Frachtvolumen" - im ersten Halbjahr 2023 vielleicht etwas verhaltener, im zweiten Halbjahr könne dieses aber noch anziehen, so Giel. Tipps vom Berater Diese drei Themen sollten Transport- und Speditionsbetriebe in 2023 angehen, empfiehlt Giel: "Verlagern Sie das Risiko extern beeinflusster Kosten soweit möglich auf Ihre Kunden, insbesondere die Kosten für Lkw-Maut, Diesel und AdBlue. Überdenken Sie Ihre Fuhrparkplanung und passen Sie diese gegebenenfalls an: Der spätere Austausch eines Lkw mag das Risiko von Werkstattkosten erhöhen, die steigenden Preise für die Anschaffung des neuen Lkw und die hohen Zinsen können aber nicht immer eingepreist werden. Investitionen in die Digitalisierung der Spedition sollten Sie dagegen eher vorziehen und ausbauen." Sven Schindler, Geschäftsführer Team Schindler in Stuhr: "So ernst war es noch nie" "Wir haben in Deutschland sehr schwere Zeiten vor uns", fürchtet Sven Schindler, Geschäftsführer der Spedition Team Schindler in Stuhr (20 Fahrer, 15 eigene Lkw). "Die Inflation ist enorm, ganze Wirtschaftszweige brechen ein, der Im- und Export sind stark geschwächt. Das drückt auf die Auftragsmengen und damit auf die Frachtpreise. Der Transportmarkt dreht sich ins Negative." Viele mittelständische Transportbetriebe werden in 2023 daher vom Markt in Deutschland verschwinden, glaubt Schindler. "So ernst wie aktuell war es noch nie." Nur 80 Cent bis 1,10 Euro pro gefahrenen Lastkilometer würden ihm von großen Logistikern geboten. Mindestens 1,60 Euro pro gefahrenen Lastkilometer bräuchte er, um seine Lkw- und Fahrerkosten zu decken. Die Betriebskosten seien da noch nicht einkalkuliert. "Das ist erst der Anfang, 2023 wird es noch schlimmer." Auch weil einige namhafte Speditionsplayer ihre Aufträge von Direktkunden in Frachtenbörsen zu Billigpreisen an Frachtführer vergeben, sagt Schindler. Das Schlimme sei, dass dies auch Unternehmen mit staatlichen Beteiligungen so machen würden. Sorgen bereitet ihm auch die ungeklärte Situation beim Thema alternative Antriebe: "Ich würde gerne in diese investieren, aber es fehlen die Signale aus Berlin. Keiner weiß, was die Politik hier will. Ich brauche Planungssicherheit. Sonst passiert das gleiche Fiasko wie bei unseren LNG-Lkw." Was er sich daher von der Politik wünscht? "Sachverstand und Augenmaß. Es ist an der Zeit, aufzuhören, Hirngespinsten und Ideologien nachzurennen. Schlimmstenfalls muss ich meinen Betrieb für immer schließen. Dann kann ich das Bürgergeld unserer Regierung genießen." Walter Müller, Geschäftsführer Max Müller Spedition in Opfenbach: "Das Lagerlogistik-Geschäft brummt" "Der Sammelgut-Eingang ist bei uns seit Oktober um fünff Prozent rückläufig. Der Sammelgut-Ausgang ist noch stabil", sagt Walter Müller, geschäftsführender Gesellschafter der Max Müller Spedition in Opfenbach/Allgäu (940 Mitarbeiter, 100 eigene Lkw), die sich auf Transport und Logistik spezialisiert hat. "Die Rezession ist also wohl im Anflug. Schwarzmalen möchte ich aber nicht. Ich bin und bleibe Optimist - auch in 2023." "80 Prozent des Umsatzes unserer Unternehmensgruppe entfallen ohnehin auf die Kontrakt- und Lagerlogistik", erklät er. "Dieses Geschäft brummt. Wir müssen seit Monaten potenziellen Kunden absagen, weil wir keine Flächen mehr haben." Über insgesamt 27 Logistikzentren verfügt seine Spedition - teils über eigene, teils über angemietete - "und alle sind voll". Mit EADS Deutschland (Airbus) hat die Müller-Tochter Logistikzentrum Allgäu in der Kontraktlogistik sogar das Joint Venture Matrium geschlossen. "Selbst wenn es in 2023 zur Rezession kommt, wird die Nachfrage nach Lagerlogistik nicht abreißen", ist Müller überzeugt. "Um sich abzusichern, setzen die Hersteller auf Lagerhaltung." Nur das Automotive-Segment bereitet ihm etwas Sorgen. "Ab der zweiten Jahreshälfte erwarten da derzeit alle Experten einen Knick nach unten." Die Mehrumsätze in der Lagerlogistik könnten aber auch diese etwaigen Rückgänge kompensieren. In weitere Logistikzentren werde er trotzdem vorerst nicht investieren; in den Fuhrpark, Stapler, IT und Nachhaltigkeit dagegen sehr stark. Unterm Strich rechnet er in 2023 insgesamt mit einem ähnlich hohen Umsatz wie in 2022 , also über 100 Millionen Euro. Stefan Noerpel-Schneider, Geschäftsführer C.E. Noerpel in Ulm: "Ich bin für das Jahr 2023 hoffnungsfroh" "Wir sehen 2023 positiv entgegen", sagt Stefan Noerpel-Schneider, geschäftsführender Gesellschafter der Noerpel-Gruppe in Ulm. "Die deutsche Wirtschaft hat offenbar trotz der Verwerfungen - Stichwort Ukraine-krieg, Pandemie und Inflation - die Situation weitgehend im Griff. Die Firmen haben sich darauf eingestellt." Das nehme er aus Gesprächen mit Kunden und vielen Speditionskollegen mit. "Daher bin ich für das neue Jahr hoffnungsfroh." Im ersten Halbjahr rechne er gleichwohl mit weniger Mengenvolumen als im Vorjahreszeitraum. Ab Juni, Juli 2023 dürften diese wieder anziehen, schätzt Noerpel-Schneider. Als Wachstumstreiber sieht er das B2B-Geschäft - "das ist noch stabil, auch die Auftragsbücher im Maschinenbau sind noch relativ voll". Bei B2C rechnet er dagegen mit einem Einbruch - dies mache aber nur ein kleinen Teilbereich in der Noerpel-Gruppe aus. Immerhin: "Die Auftraggeber akzeptieren bisher ausnahmslos unsere Preiserhöhungen." Insgesamt rechnet er mit sechs bis sieben Prozent Umsatzplus im Vergleich zum Vorjahr - rein organisch. Ein Großteil dieser Zuwächse komme aus der Kontraktlogistik - zumal in Giengen zum Jahreswechsel ein neuer Noerpel-Logistik-standort mit 45.000 Quadratmeter an den Start ging - neben der schon bestehenden Logistikimmobilie in Singen und dem Neubau in Odelzhausen. "Die sind jetzt schon alle ausverkauft." Auf die Investitionsbremse treten wird er in 2023 nicht. Im Gegenteil: "Wir sind nach wie vor an Zukäufen interessiert, insbesondere an Stückgut-Speditionen". Zudem stehen Ersatzinvestitionen in Höhe von 23 Millionen Euro an. Insgesamt rechnet er mit 690 Millionen Euro Umsatz (+ 8 Prozent). Nikolja Grabowski, Vorstand Elvis AG in Alzenau: "Der Transportmarkt dreht sich gerade" Auf kleine und mittelständische Transport- und Speditionsunternehmen kommen im Jahr 2023 große Herausforderungen zu", fürchtet Nikolja Grabowski, Vorstand des europäischen Ladungs-Verbunds Internationaler Spediteure (Elvis) in Alzenau. "Die Indikatoren gehen deutlich Richtung Rezession." Problem sei, dass Transport- und Speditionsbetriebe vielerorts zwar in 2021 und 2022 höhere Preise durchsetzen konnten. Gleichzeitig seien aber die Kosten raketenmäßig durch die Decke geschossen. Eigentlich müssten die Frachtführer deshalb jetzt erneut ihre Preise anheben. Problem sei: "Die Mengen sind rückläufig. Der Transportmarkt dreht sich gerade", konstatiert der Elvis-Vorstand. Was dies für die Auftragslage in 2023 bedeutet, dazu wagt er aber noch keine Prognose. "Das ist ein Blick in die Glaskugel. Die Situation ist sehr volatil." Er gehe bei den Transportpreisen nächstes Jahr bestenfalls von einer Seitwärtsbewegung aus. "Langfristige Investitions-Entscheidungen sollten daher nach Möglichkeit etwas hinausgezögert werden, bis sich abzeichnet, wie die Gesamtwirtschaft in das neue Jahr startet", rät Grabowski. Außerdem sei es wichtiger denn je, sich fortlaufend mit den Kunden abzustimmen, was Mengen und Kapazitï¿½ten betrifft. "Es wird derjenige erfolgreich sein, dem es gelingt, Fuhrpark und Fixkosten größtmöglich zu flexibilisieren", glaubt er. Insbesondere in der Auslagerung von administrativen Prozessen sieht Grabowski große Potenziale. Elvis erarbeite daher aktuell entsprechende Angebote. In Kürze Zum Jahreswechsel haben Umfragen Konjunktur - auch die VerkehrsRundschau wollte von Unternehmen aus Transport, Spedition und Logistik wissen, was sie fï¿½r 2023 erwarten und welche Themen bei ihnen anstehen.

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