Tue Gutes - und sprich darüber!

Image- und Fahrermangel hängen eng zusammen. Wie geht ihr als Next Generation mit dem Image der Branche und dem Fahrermangel um? Philipp Doll: Beim Image hat unsere Branche sicher noch Potenzial. Es gibt aber gute Initiativen, die zeigen, was wirklich hinter den Kulissen in der Logistik passiert und welche Bereiche des Alltags von Logistik betroffen sind. Einige dieser Kampagnen sind auch in verschiedenen Social-Media-Kanälen aktiv. Das hilft, um eine breite Zielgruppe zu erreichen, die nicht selbst in der Logistik tätig ist. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Verbände, die unsere Interessen auf politischer Ebene vertreten. Benedikt Roßmann: Ich denke, das Image der Branche darf man nicht immer nur schlechtreden. Es gibt viele moderne und innovative Unternehmen in der Logistik, die unsere Branche positiv prägen. Jeder von uns kann jeden Tag aufs Neue am Image der Branche arbeiten - zum Beispiel über gute Leistungen für Kunden, einen guten Umgang mit Mitarbeitern und einen schonenden Umgang mit unserer Natur. Das sollte man dann auch ab und an erzählen und nicht nur für sich behalten. Getreu dem Motto: "Tue Gutes und sprich darüber!" Ihr seht das Image der Branche also positiv. Und trotzdem gibt es doch einen massiven Fahrermangel? Benedikt Roßmann: Der Fahrermangel hat viele Gründe. Diese sind auch weithin bekannt. So steigt das Durchschnittsalter der deutschen Fahrer immer weiter an. Dann ist die stark verkleinerte Bundeswehr schon vor Jahren als Ausbilder weggefallen. Und natürlich hat sich die Erwartungshaltung der jungen Menschen an die Work-Life-Balance stark verändert. Freizeit und Hobbys werden viel stärker gewichtet, als es früher üblich war. Das kann die Branche nicht mit Image-Kampagnen allein lösen. Philipp Doll: Das deckt sich mit unserer Erfahrung. Regelmäßige Arbeitszeiten und feste Strukturen im Arbeitsalltag werden bevorzugt. Das ist im Fernverkehr nicht immer möglich. Wir bekommen zum Beispiel mehr Zuspruch zu offenen Fahrer-Stellen im Nahverkehr - verglichen mit denen im Fernverkehr. Was machen die Unternehmen LTG und Ansorge denn konkret, um Fahrer zu gewinnen und zu halten? Philipp Doll: Wir stellen zum Beispiel unseren Fahrern an all unseren operativen Standorten ein sogenanntes Boarding-House, also Wohnraum, zur Verfügung. Das ist für uns selbstverständlich und schafft eine gute Mitarbeiterbindung. Darüber hinaus versuchen wir sehr nah an unseren Mitarbeitern zu sein. Unser Dispo-Team ist auch nach Dienstschluss erreichbar und hat ein offenes Ohr, falls die Fahrerin oder der Fahrer Probleme hat. Wir unterstützen da wirklich, wo wir nur können. Benedikt Roßmann: Wir versuchen unserem Fahrpersonal auch ein - ich sage mal - Rundum-Wohlfühl-Paket zu bieten, eben, weil der Berufskraftfahrer ein stark gesuchter Mitarbeiter ist. Das beginnt bei der ordentlichen Bezahlung, geht über die Unterstützung bei der Suche nach Wohnraum oder auch den Behördengang zur Gemeinde. Das hilft insbesondere Fahrern aus dem Ausland, die hier in Deutschland eine Anstellung suchen. Bei der Fahrergewinnung setzen wir tatsächlich stark auf persönliche Empfehlung. Ein zufriedener Mitarbeiter empfiehlt den Arbeitgeber gerne weiter. Daraus resultiert aus unserer Erfahrung eine hohe Erfolgsquote. Wirkt sich denn der Personalmangel negativ auf die Qualität der Berufskraftfahrer aus? Muss man als Unternehmen heute jeden einstellen, der einen CE-Führerschein mitbringt? Philipp Doll: Natürlich achten wir darauf, dass wir nur qualifiziertes Fahrpersonal einstellen. Dafür ist die Verantwortung, die ein Fahrer übernimmt, einfach zu groß, um hier Abstriche zu machen. Aus der Erfahrung weiß ich aber auch, dass sich Mitarbeiter weiterentwickeln können und ihr Potenzial weiter entfalten. Ich habe da das Beispiel eines Mitarbeiters im Kopf, der als Fahrer eines 7,5-Tonnen-Lkw gestartet ist. Heute gehört er zu den besten und flexibelsten 40-Tonner-Fahrern in unserem Team. Benedikt Roßmann: Bei der Qualität des Fahrpersonals darf man tatsächlich keine Kompromisse eingehen. Aber wir sehen, dass sowohl die deutschen Fahrer als auch deren ausländische Kollegen in der Regel echte Profis sind. Das zeigt sich an niedrigen Schadenquoten, niedrigem Krankenstand und hoher Zuverlässigkeit. Wir investieren aber auch in maßgeschneiderte Schulungen mit Praxis-Fahrübungen an unseren Standorten. Wird der Fahrermangel denn zur Wachstumsbremse? Philipp Doll: Das ist sicherlich so. Die eigene Flotte mal eben zu verdoppeln funktioniert nicht. Ungebremstes Wachstum steht bei uns aber nicht auf der Agenda. Gerade in kurzen Wochen mit Feiertagen hätte wohl jeder von uns gerne mehr Fahrer und Fahrzeuge. Aber am Ende zählt die Qualität der Abwicklung mehr als die Masse. Was konkret muss man für die Fahrer, speziell die osteuropäischen, machen? Philipp Doll: Grundsätzlich darf es nicht auf fünfzig oder hundert Euro ankommen, sondern darauf, dass man einen Arbeitnehmer mittel- bis langfristig bindet. Und in teuren Regionen wie Regensburg oder München stellen wir Wohnraum. Davon profitieren die Fahrer, weil sie hier günstig wohnen und mit dem verdienten Geld zu Hause für die Familie bauen können. Und für Fälle, in denen mal temporär der Führerschein weg ist, stellen wir die Leute im Lager ein. Erstens brauchen wir da auch Personal und zweitens sind die Jungs dankbar, wenn sie durch so etwas nicht den Job verlieren. Benedikt Roßmann: In unserer Branche hat man schon mehrmals den Aufstieg und Fall von Großflotten gesehen. Hemmungsloses Wachstum nachhaltig aufrechtzuerhalten ist schwierig. Bei uns gibt es kein Wachstum, um bestimmte Umsatzziele zu erreichen. Wir wachsen lieber organisch mit den Anforderungen unserer Kunden. Ist die Ausbildung im eigenen Haus eine Lösung im Kampf gegen den Fachkräftemangel? Philipp Doll: Da muss man unterscheiden zwischen den Ausbildungsberufen. Bei der Ausbildung zum/zur Speditionskaufmann/ -frau oder zur Fachkraft für Lagerlogistik sehen wir seit dem letzten Jahr große Resonanz. Es hat uns bei LTG sehr gefreut, dass wir alle Stellen frühzeitig besetzen konnten. Benedikt Roßmann: Ich halte den Ausbildungsberuf in der Verwaltung und Logistik für ein echtes Erfolgsmodell. Die fertig ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben nach der Ausbildung ein tiefgreifendes Verständnis vom Unternehmen. Auch das Durchlaufen aller Abteilungen ist ein "Luxus" den man später als Berufseinsteiger nicht mehr unbedingt hat. Wie steht es um die Ausbildung zum Berufskraftfahrer? Benedikt Roßmann: Hier ist die Suche nach Auszubildenden deutlich schwieriger. Der fehlende Nachwuchs ist schließlich auch eine der Ursachen für den Fahrermangel. Philipp Doll: Das Modell Ausbildung zum Berufskraftfahrer hat bei uns ein paar Jahre geruht. Wir haben für den Herbst aber wieder neue Auszubildende zum Berufskraftfahrer. Wie bewertet der Mittelstand die Entwicklung im Bereich autonomes Fahren - Problemlöser oder noch zu weit weg? Philipp Doll: Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass es bei autonom fahrenden Lkw schnelle Lösungen geben wird. Hier sprechen wir eher von einem Jahrzehnt als von ein paar Jahren. Das ist im Übrigen die weitläufig geteilte Ansicht unserer Branche. Selbst wenn autonomes Fahren technisch möglich sein wird, werden wir es vorrangig auf der Langstrecke und auf der Autobahn erleben. Die erste und letzte Meile, Fahrten in Innenstädten, aber auch Rangiervorgänge sind noch schwieriger zu automatisieren. Vor all dem müssen aber noch einige juristische und moralische Fragestellungen geklärt werden. Nehmen wir mal an, der autonom fahrende Lkw wäre schon als Serienfahrzeug verfügbar: Würde das den heutigen Transportunternehmer überflüssig machen? Wäre das Anlass für den Verlader, vielleicht selbst zum Transporteur seiner Güter zu werden, weil er kein Personal mehr dafür rekrutieren muss? Benedikt Roßmann: Das würde sicher zu einigen Verwerfungen im Markt führen. Aber auch in Zukunft will ein Nutzfahrzeug-Hersteller seine Fahrzeuge an einen Abnehmer verkaufen. Und weite Teile der verladenden Industrie hätten auch heute schon die Kapitalstärke, selbst in Lkw zu investieren. Es geht aber doch um die Kombination von Ladungen, das Bilden von Rundläufen und das Abfedern von saisonalen Spitzen. Wenn das ein Verlader heute schon effizienter kann als über den freien Markt an Transportunternehmen, dann macht er es vermutlich heute schon selbst. Es gibt aber schon eine Lösung, die quasi selbstfahrende Einheiten ermöglicht: Das ist der Kombinierte Verkehr! Ein Lokführer kann mit seinem Güterzug 30 Auflieger auf einmal bewegen. Das kann eine Antwort sein auf den Fachkräftemangel, aber auch auf die Ökologie im Transport. Leider wurde die Schieneninfrastruktur aus unserer Sicht die letzten Jahrzehnte kaputtgespart anstatt ausgebaut. Wir sehen jetzt eine Trendwende, aber die Investitions-Zeiträume im Schienengüterverkehr sind so lang, dass wir hier noch viel Geduld brauchen. Für uns ist der Kombinierte Verkehr in jedem Fall ein wichtiger Baustein für die Zukunft unserer Branche. Philipp Doll: Das Schöne an unserer Branche ist doch, dass wir so viele Zukunftsthemen vor der Brust haben, die es zu lösen gilt. Wie schaffen wir passende Strukturen für die Warenströme von morgen? Wie schaffen wir ökologische Lösungen, um den Klimawandel zu bekämpfen? Und all das muss in einem guten gesellschaftlichen Miteinander passieren. Benedikt Roßmann: Jeder von uns, jeder Mitarbeiter und jedes Unternehmen, kann seinen eigenen wichtigen Beitrag dazu leisten. Mehr zum Thema finden Sie unter #Fahrermangel www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Philipp Doll und Benedikt Roßmann sind die "Next Generation" in den Familienunternehmen Doll und Ansorge. In einer mehrteiligen Serie spricht die VR mit ihnen über aktuelle Themen - heute über Fahrermangel und das Image der Branche. Philipp Doll arbeitet, wie auch seine Schwester Carolin und sein Bruder Heiner, in der inzwischen fünften Generation im Familienbetrieb LTG (Landauer Transportgesellschaft Doll KG). Er trat 2013 ins Unternehmen ein und ist als Operations Manager aktiv

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